Franz-Joseph Meißner (Gießen)
Abstract
(English)
As
for all scientific disciplines, the teaching and learning of foreign
languages requires awareness of its history, terminology and research
methods. This historical knowledge is indispensable for the
interaction-based discipline of teaching and learning languages and
allows researchers and practitioners to locate new developments and
findings in the relevant context. The present paper combines both the
synchronic and the diachronic perspective. It gives some insight into
the history of the concept of transfer and combines it with
task-based learning which, in particular, promotes the development of
efficient language learning competence. It is obvious that in our
cognition-based society, reflexive language learning and teaching
must be considered as a fundamental methodological principle for
autonomous learning (European Commission 1998).
Key words:
History of language teaching and learning, historical terminology,
the notions of transfer and language learning competence,
intercomprehension, learner autonomy, task based learning and task
construction, Framework for Pluralistic
Approaches to Languages and Cultures
Approaches to Languages and Cultures
Abstract
(Deutsch)
Natürlich
gilt für die Wissenschaft vom Lernen fremder Sprachen, was auch für
jede andere Disziplin gilt: Erst die Kenntnis ihrer Geschichte, ihrer
Terminologie und ihrer Erkenntnismethoden erlaubt die Einschätzung
und Verortung neuer Entwicklungen. Die historische Perspektive ist
auch für eine Handlungswissenschaft wie die Fremdsprachendidaktik
oder die Sprachlehrforschung - deren Ziel eine theoretische
Begründung des Lehrens und Lernens fremder Sprachen ist -
unerlässlich. Der vorliegende Beitrag vereint beide Perspektiven: Er
wirft einen Blick auf die lange Geschichte des Transfers und
verbindet diese mit einem offenen Aufgabenformat, das den
Zielsprachenerwerb selbst im Rahmen des Task Based Learning
betrachtet und damit der Sprachlernkompetenz ein grundlegendes
Handlungsmuster zur Verfügung stellt. Schon hier sei gesagt, dass
das reflexive Sprachenlernen in einem grundlegenden Verhältnis zu
dem für die heutige Wissensgesellschaft zentralen
Orientierungsbegriff des Autonomen Lernens steht (Europäische
Kommission 1998).
Stichwörter:
Geschichte des Fremdsprachenunterrichts, Geschichte der didaktischen
Fachsprache, Transfer, Sprachlernkompetenz, Interkomprehension,
Lernerautonomie, Task Based Learning und Aufgabenkonstruktion,
Referenzrahmen für plurale Ansätze zu Sprachen und Kulturen
1 Zur fehlenden
historischen Fachlexikographie in der
Fremdsprachendidaktik
Die Theorie -
wie die Praxis des Unterrichts fremder Sprachen - benötigt
Orientierungsbegriffe; insbesondere die Praxis, weil Unterricht
unzählige Entscheidungen verlangt, die lang-, mittelfristig und ad
hoc auf den Ebenen von Planung, Durchführung und Analyse von Lehren
und Lernen getroffen werden müssen. Wie andere Wissen- schaften hat
auch die Fremdsprachendidaktik ihre eigene Terminologie, die national
wie international in einer Vielzahl von Handbüchern und Kompendien
zu finden ist. Terminologien sind sich wandelnde lexikalische
Register, schon weil sich in ihnen der Fortschritt einer
wissenschaftlichen Disziplin spiegelt. In den Didaktiken kommt hinzu,
dass die Forschung sehr häufig ihre Impulse aus der Praxis empfängt
und Bezeichnungen für eine schon existierende Praxis benötigt
werden.
Freilich genügt
es nicht, auf die Formseite der sprachlichen Zeichen bzw. die
Signifikanten zu blicken, um deren inhaltliche Substanz bzw.
Bedeutung in Vergangenheit und Gegenwart zu erkennen.
Onomasiologische Studien zur Theoriebildung innerhalb der
Wissenschaft vom Lehren und Lernen fremder Sprachen zeigen, dass
moderne zeitgenössische Begriffe und Ansätze sehr oft auf avant la
lettre-Phänomene zurückgehen, die eine viele Jahrhunderte
überdauernde Geschichte haben können (Meißner 2010a; 2014). Die
onomasiologische Perspektive geht in diachronischer Sicht der Frage
nach, ob und wie die mit einem heutigen Signifikanten verbundenen
Bedeutungen bezeichnet wurden. Es ist klar, dass dabei die
Bedeutungskonstruktion innerhalb des jeweiligen historischen
Kontextes festgelegt wird. In synchronischer Sicht wäre die Frage
betroffen, mit welchen Bezeichnungen eine bestimmte Bedeutung oder
gar ein Bedeutungsbündel in verschiedenen Sprachen (zu einem
gegebenen Zeitpunkt1)
belegt werden. Die heutige Triplette content language integrated
learning (CLIL) / Enseignement de matière par l'intégration d'une
langue étrangère (EMILE) / bilingualer Unterricht (BiLi) liefert
hierfür ein Beispiel (allerdings ein unvollständiges, denn weitere
Sprachräume steuern das Ihrige zur Bedeutungsbildung der Serie von
CLIL / EMILE / BiLi bei). In solchen Fällen geht es lexikologisch um
Fragen zur Intersynonymie und Polymorphie innerhalb der
fremdsprachendidaktischen Fachsprache.
Die
diachronische Sicht erlaubt nicht nur die Identifikation des heutigen
Standortes, sie eröffnet auch ein besseres Verstehen des eigenen
Vorverständnisses gegenüber einem Phänomen. Im Zusammenhang mit
dem Kompositum Sprachlernkompetenz (hinfort SLK) wird dies im
Weiteren an einem fremdsprachendidaktischen Großbegriff des 20.
Jahrhunderts zu illustrieren sein, und zwar an Transfer. Schon hier
sei gesagt, dass Sprachlernkompetenz ohne Transfer nicht
operationalisierbar (möglich) ist.
Auch
der Begriff Sprachlernkompetenz steht auf dem Boden einer solch
komplexen Entwicklung. Wer seine Begriffsbildung diachronisch
verfolgt und nicht nur auf den Signifikanten blickt, begegnet sehr
rasch dem tausendjährigen Diskurs zur Verbesserung des Lehrens und
Lernens fremder Sprachen. Schon die Form des Signifikanten lässt
drei Elemente hervortreten, mit denen es die historische Perspektive
zu tun hat: Sprache und / oder Sprachen – Lernen – Kompetenz. Es
handelt sich auch hier jeweils um Großbegriffe, die in verschiedenen
Epochen breite Ausschnitte des jeweiligen Diskurses betreffen. Schon
dies erklärt, weshalb die folgenden Beschreibungen stark zu
selektieren und zu verkürzen haben.
2 Der
Neologismus Sprachlernkompetenz in den
Bildungsstandards
(2012)
An
prominenter Stelle taucht SLK heutzutage in den Bildungsstandards für
die fortgeführte Fremdsprache (Englisch / Französisch) für die
Allgemeine Hochschulreife (Beschluss der KMK vom 18.10. 2012) auf.
Die Bildungsstandards beschreiben SLK wie folgt:
- Sprachlernkompetenz beinhaltet die Fähigkeit und Bereitschaft, das eigene Sprachenlernen selbstständig zu analysieren und bewusst zu gestalten, wobei die Schülerinnen und Schüler auf ihr mehrsprachiges Wissen und auf individuelle Sprachlernerfahrungen zurückgreifen.
- Sprachlernkompetenz zeigt sich erstens im Verfügen über sprachbezogene Lernmethoden und in der Beherrschung daraus abgeleiteter, konkreter Strategien. Sie zeigt sich zweitens in der Beobachtung und Evaluation der eigenen Sprachlernmotivation,
-prozesse und -ergebnisse sowie drittens in der Bereitschaft und Fähigkeit, begründete Konsequenzen daraus zu ziehen. - Sprachbewusstheit und Sprachlernkompetenz haben überdies einen eigenen Bildungswert, sowohl im Hinblick auf die Persönlichkeitsbildung der jungen Erwachsenen als auch auf Berufs- und Wissenschaftspropädeutik.
- Die Schülerinnen und Schüler können ihre sprachlichen Kompetenzen und ihre vorhandene Mehrsprachigkeit (Erstsprache, ggf. Zweitsprache, Fremdsprachen) selbstständig und reflektiert erweitern. Dabei nutzen sie zielgerichtet ein breites Repertoire von Strategien und Techniken des reflexiven Sprachenlernens.(Bildungsstandards für die fortgeführte Fremdsprache (Englisch / Französisch) für die Allgemeine Hochschulreife (Beschluss der KMK vom 18.10. 2012))
Der
Organisation der Sekundarstufe gemäß und der Unterscheidung
zwischen Grund- und Leistungskursen (oder ähnlich) unterteilt die
KMK die SLK in ein grundlegendes und ein erhöhtes Niveau. Da SLK
nicht gestuft skalierbar ist, fallen die Deskriptoren für diese
Unterteilung recht schwammig aus. Selbstverständlich impliziert das
höhere Niveau die Verfügbarkeit des niederen:
Grundlegendes
Niveau
Die Schülerinnen
und Schüler können:
- ihr Sprachlernverhalten und ihre Sprachlernprozesse reflektieren und optimieren, ihre rezeptiven und produktiven Kompetenzen prüfen und gezielt erweitern, z. B. durch die Nutzung geeigneter Strategien und Hilfsmittel (u. a. Nachschlagewerke, gezielte Nutzung des Internets)
- das Niveau ihrer Sprachbeherrschung einschätzen, durch Selbstevaluation in Grundzügen dokumentieren und die Ergebnisse für die Planung des weiteren Fremdsprachenlernens nutzen
- Begegnungen in der Fremdsprache für das eigene Sprachenlernen nutzen (z. B. persönliche Begegnungen, Internetforen, Radio, TV, Filme, Theateraufführungen, Bücher, Zeitschriften)
- durch Erproben sprachlicher Mittel die eigene sprachliche Kompetenz festigen und erweitern und in diesem Zusammenhang die an anderen Sprachen erworbenen Kompetenzen nutzen
Erhöhtes
Niveau
Die Schülerinnen
und Schüler können darüber hinaus:
- das Niveau ihrer eigenen Sprachbeherrschung einschätzen und selbstkritisch bewerten, durch Selbstevaluation angemessen dokumentieren und die Ergebnisse für die Planung des weiteren Sprachenlernens verwenden
- durch planvolles Erproben sprachlicher Mittel und kommunikativer sowie interkultureller Strategien die eigene Sprach- und Sprachhandlungskompetenz festigen und erweitern und in diesem Zusammenhang die an anderen Sprachen erworbenen Kompetenzen nutzen.
(Bildungsstandards
für die fortgeführte Fremdsprache (Englisch / Französisch) für
die Allgemeine Hochschulreife (Beschluss der KMK vom 18.10. 2012))
Die
Bildungsstandards fächern den Kompetenzbegriff wie folgt auf
(KMK 2012: 11):
Abb.
1: Kompetenzbegriff der Bildungsstandards
Das
Schema unterscheidet zwischen engen und weiten Zuordnungen. Die
interkulturelle kommunikative Kompetenz wird in enger
Verbindung zu Verstehen, Handeln, Wissen, Einstellungen und
Bewusstheit gesehen; die funktionale kommunikative Kompetenz
zu sprachlichen Mitteln und kommunikativen Strategien; der Begriff
Text steht in Anbindung an einen sensorischen Kanal:
akustisch, graphisch-visuell oder gemischt-kombiniert. Hinter diesen
Bezeichnungen verbergen sich stets unterschiedliche
Konkretisierungen; zum Merkmal gesprochener versus gehörter Text
etwa: sprechsituativ-face to face, medial vermittelt mit dem
Wechsel von geschriebener und / oder vozierter Sprache (Sprechen,
Singen), Statistiken, Graphiken, Bilder oder Film. Auch bezüglich
der Texte benutzen die Bildungsstandards den Begriff der
Kompetenz. Textkompetenz meint ‚mit Texten angemessen
umgehen können‘ (was die Standards konkretisieren; auch Rossa et
al. 2014 passim). Während die im Inneren des Schemas genannten
Kompetenzbündel auf die kognitive Ebene zielen, fokussiert
Sprachlernkompetenz auf Metakognition und Sprachbewusstheit auf
Metalinguistik. Erstere impliziert ‚Sensibilität gegenüber dem
Lernen von Sprachen‘, letztere gegenüber ‚Sprache, Sprachen und
(verbaler) Kommunikation‘. Beide Begriffe greifen zwar partiell
weit ineinander, weisen aber auch deutliche Divergenzen auf, was ihre
jeweilige Existenz nicht nur im Rahmen der Standards
legitimiert.
Die
Orientierung des Unterrichts an SLK (Metakognition und Strategien)
ist „eine nicht ganz einfache und aufwendige Angelegenheit, da
Lernende in aller Regel an ihren alten Strategien hängen und nicht
ohne weiteres bereit sind, diese aufzugeben“ (Renkl 2001: II, 458).
Auch die Lehrerinnen und Lehrer werden durch Ansprüche des
lernerseitig weitgehend selbstständigen Lernens bzw. SLK vor neue
Herausforderungen gestellt (Ellis 20032).
3 Sprachlernkompetenz in europäischen Dokumenten
SLK
wurde im Zuge der sogenannten ‚Kompetenzorientierung‘ nicht nur
im deutschen Bildungssystem fächerübergreifend definiert. Dass
Lernkompetenz nicht nur im Fremdsprachenunterricht ihren Platz
hat, erklärt sich nicht nur daraus, dass die Lernkompetenz
der Bürgerinnen und Bürger ein bildungspolitischer Kernbegriff der
sogenannten europäischen Wissensgesellschaft ist (Europäische
Kommission 1996), sondern auch durch seine Unterfütterung mit
Erkenntnissen der Wissenschaften vom Lernen generell. Das Bild einer
Gesellschaft, in der das lebensbegleitende Lernen eine so überragende
Rolle spielt, weil es weitgehend über die „Zukunftsfähigkeit“
(man google einmal diesen Begriff) Europas entscheidet, hat natürlich
auch das Interesse daran befeuert, was eigentlich ‚Expertise‘
ausmacht. Da Expertise von Generation zu Generation, von
Lerngegenstand zu Lerngegenstand, von Wissensdomäne zu Wissensdomäne
immer wieder neu ausgebildet werden muss, verbindet sie sich mit den
wesentlichen pädagogischen Lern- und Leitkonzepten unserer Zeit.
Prominent hat in diesem Zusammenhang Henri Holec von der
Lernerautonomie gesprochen: «prendre en charge son propre
apprentissage» (Holec 1979: 3). Autonomes Lernen setzt nun ein
gewisses Maß an Lernexpertise in der entsprechenden Domäne voraus3.
Die gesellschaftliche Frage ist, wie sich Fähigkeit des
erfolgreichen (Sprachen)lernens rasch und optimal ausbilden lässt.
Wenn sich hierauf im Sinne der Einzelgängerhypothese (verkürzt etwa
‚Jedes Individuum lernt anders optimal‘) keine überindividuell
gültige Antwort finden lässt (Riemer 1997), so ist dennoch darauf
hinzuweisen, dass nach Auffassung des mainstream innerhalb der
Wissenschaften vom Sprachenlernen flexible und offene Methoden, weil
sie zu einer tiefen und breiten Verarbeitung von Sprachdaten führen,
bessere Lernergebnisse erbringen als solche, die auf das bloße Vor-
und Nachmachen setzen. Daher betont auch der Gemeinsame
europäische Referenzrahmen für Sprachen: lernen – lehren –
beurteilen (Europarat 2001) (hinfort GeR) offene Verfahren, wie
sie im Rahmen des aufgabenbasierten Lernens begegnen. Diese
fokussieren auf Strategien und Metakognition.
Es versteht sich
in der vielsprachigen Europäischen Union im Grunde von selbst, dass
möglichst viele EU-Bürgerinnen und Bürger in die Lage versetzt
werden sollen, sich einander in ihre Sprachen folgen zu können und
miteinander zu kommunizieren. Dies erklärt, weshalb Vorstellungen
zur Expertise auf dem Feld des Fremdsprachenlernens an die Leitformel
‚Muttersprache plus mindestens zwei Fremdsprachen operabel können‘,
also an eine diversifizierte und abgestufte Mehrsprachigkeit gebunden
wurden (Beacco et al. 2010). SLK ist für die Verwirklichung dieser
Leitvorstellung von kaum überschätzbarer Relevanz.
Daher
greift auch der GeR (2001) die SLK auf und spezifiziert:
Die
Lernfähigkeit (savoir-apprendre …) aktiviert die
persönlichkeitsbezogenen Kompetenzen, das deklarative Wissen und die
prozeduralen Fertigkeiten und stützt sich auf verschiedene Arten von
Kompetenz. Die Fähigkeit zum Lernen kann man deshalb auch verstehen
als "prozedurales Wissen oder Bereitschaft für die Entdeckung
des 'Anderen'" - gleich, ob es sich dabei um eine andere Sprache
oder Kultur, andere Menschen oder neue Bereiche des Wissens handelt.
Die Fähigkeit
zum Lernen ist in vielen Bereichen einsetzbar; sie ist aber besonders
relevant für das Sprachenlernen.“ (GeR 2001: 24)
Der
Kompetenzbegriff des GeR unterscheidet zwischen den Dimensionen von
Wissen (savoir, knowledge), Können (savoir-faire, can do /
skills) und Einstellungen (savoir-être, attitudes).
Kompetenz meint immer eine ‚Handlungskompetenz‘4:
Kompetenzen
sind die Summe des (deklarativen) Wissens, der (prozeduralen)
Fertigkeiten und der persönlichkeitsbezogenen Kompetenzen und
allgemeinen kognitiven Fähigkeiten, die es einem Menschen erlauben,
Handlungen auszuführen.
Aufbauend
auf dem GeR und in Ergänzung zu ihm liefert der Referenzrahmen
für plurale Ansätze zu Sprachen und Kulturen (REPA 2009) eine
eigens zur pädagogischen Operationalisierung von Kompetenzen im
Fremdsprachenunterricht erstellte Deskriptorenliste (vgl. auch die
praktische Handreichung für Lehrende fremder Sprachen: Meißner
2013). Da das Kompetenzmodell in mehreren Publikationen erörtert
wurde (Martinez & Schröder-Sura 2011, Meißner 2012a, 2012b),
bleiben die folgenden Erklärungen auf ganz wenige Charakteristika
beschränkt:
- Kompetenzen bilden sich immer aus deklarativen, prozeduralen und volitionalen bzw. attitudinalen Ressourcen.
- Das Bildungsmuster von Kompetenzen lässt sich gestuft fassen: Kompetenzen < Mikrokompetenzen oder komplexen Ressourcen < Ressourcen.
- Kompetenzen und Mikrokompetenzen oder komplexe Ressourcen haben immer eine Prädikat-Objekt-Struktur. Sie antworten stets auf ein Etwas-können bzw. ein «savoir-faire quelque chose» oder ein “can do something“.
- Die Stufung zwischen Kompetenzen und Mikrokompetenzen bzw. komplexen Ressourcen ist nicht trennscharf. Die Konfiguration baut sich mit jeder Operationalisierung einer Kompetenz neu auf.
Punkt
3 erklärt der REPA anhand des folgenden Schaubildes:
Abb.
2: Prädikat-Objekt-Struktur der Kompetenz im REPA
Ein
Beispiel: In Bezug auf das Lernziel ‚interkulturelles
Missverständnis klären (können)‘ wären etwa folgende
Prädikat-Objekt-Strukturen zu aktivieren: (1) kann bemerken, dass
und wie Thema X / eine Konvention X in der Zielkultur Y begegnet; (2)
kann identifizieren, ob und wie X in Y im Unterschied zur eigenen
Kultur A begriffen / angewandt wird; (3) kann einen Standpunkt
einnehmen, so zu X in Y oder etwa zu X im Vergleich zu A; (4) kann
diese Position begründen; (5) kann die eigene Sichtweise
hinterfragen; (6) kann (im Sinne der Didaktik des Fremdverstehens)
die Wirkung der Fremdheitserfahrung auf die eigene Position
reflektieren und diese evtl. neu justieren usw. Jede dieser
miteinander verbundenen Mikrokompetenzen verlangt die Aktivierung
untergeordneter komplexer oder einfacher Ressourcen5.
Soweit diese z.B. landeskundlich sind, stehen sie innerhalb eines
thematischen oder durch zielkulturelle Handlungskonventionen
hergestellten Rahmens, soweit sie pragmatisch sind, ist dieser Rahmen
(zudem) an eine intra- bzw. interkulturelle Kommunikationssituation
gebunden, in der minimal die Faktoren ‚ich – hier – jetzt‘
interagieren. Jede dieser Variablen ist multifaktoriell komponiert.
So fasst das Ich die Faktoren Wissen, Können und
Einstellungen einer Person, das Hier zu einem bestimmten
Zeitpunkt und das Jetzt auch Faktoren, die in einem
Kommunikationspartner (dessen Ich) und einer bestimmten
Situation liegen. Jedes Ich, jedes Jetzt und jedes Hier
hat also eine eigene Vorgeschichte, an die ein aktuelles
Handlungsskript anschließt (Meißner 1990). Auch das Thema
ist entsprechend komplex: So verlangt seine Behandlung möglicherweise
die Verfügbarkeit von bestimmten zielkulturellen Wissensressourcen
(die innerhalb dieser Kultur common grounds sind) und zwischen
den heterokulturellen Kommunikationspartnern ‚ausgehandelt‘
werden (Gick 1997). Zugleich erfordert dies die Bereitschaft
(Volitionalität), die ziel- bzw. fremdkulturelle Perspektive
aufzunehmen und zur Identifikation des Themas im Sinne der Zielkultur
weiter auszubauen, um schließlich den Vergleich mit den vertrauten
Mustern der eigenen Kultur zu wagen und die eigene Position zu
überprüfen bzw. zu modifizieren. Ein ähnliches, aus den
Dimensionen von savoir, savoir-faire und savoir-être
formiertes, gestuftes Muster lässt sich für die
kommunikativ-funktionalen Kompetenzen um Hören und Sprechen, Lesen
und Schreiben aufbauen: Als einfache Ressourcen begegnen die
elementaren Strukturen jeder sprachlichen Architektur - Morpheme,
Lexeme, morphosyntaktische, aspektuelle und modale Regularitäten -,
sodann Syntagmen und Sätzen, schließlich den Texten, in deren
Produktion oder Rezeption sich eine (komplexe) Kompetenz spiegelt.
Die einzelnen Elemente müssen, auch wenn sie im Vollzug einer
Kompetenz nicht bewusstseinspflichtig sind, sowohl gewusst werden (to
know), als auch rezeptiv oder produktiv verfügbar sein (can
do), was nie ohne zielgerichtete Volition möglich ist.
Kennzeichen der Bildung von Kompetenz ist in diesem Sinne ihre
Stufung als auch das Zusammenwirken der Dimensionen von Wissen,
Können und Wollen.
Es
wäre nun ein völliges Missverständnis zu glauben, die reflexive
Lehrpraxis müsse zu jeder kompetenzfördernden Maßnahme die
Gesamtheit eines solchen Modells, das hier in toto nicht
einmal beschrieben werden kann, explizit berücksichtigen. Allerdings
kann sie sich an den Deskriptoren des REPA orientieren und so ein auf
das Lehren bezogenes Audit umsetzen (Meißner 2012b).
Interkulturelles Lernen, Sprachenbewusstheit, sprachenübergreifendes
Lernen zugunsten der Mehrsprachigkeit und SLK werden auf diese Weise
auf einer mittleren Ebene operationalisiert. Die Konkretisierung in
einer gegebenen Situation bleibt immer dem Unterricht überlassen. In
diesem Sinne sind die Deskriptoren des REPA Kriterien (oder
Standards) für die Operationalisierung der unterschiedlichen
Kompetenzen, auch von SLK.
Da
jede funktional-kommunikative Kompetenz über ein eigenes
psycholinguistisches Programm verfügt und unterschiedliche neuronale
Netze aufbaut, ist auch die SLK funktional zu präzisieren: So macht
es Sinn, beispielsweise von der SLK-Lesen zu sprechen und sie
von der SLK-Hörverstehen zu unterscheiden, denn beide
Teilfertigkeiten greifen nur zum Teil auf dieselben Ressourcen
zurück. Überlappungen lassen sich für den Bereich der
Selbststeuerung als Teil der Attitüden (savoir-être)
ausmachen: die Sprache lernen wollen, seine Lernhandlungen
entsprechend organisieren, ein Lernmonitoring in Gang setzen.
Partiell werden sich auch Kongruenzen zwischen dem
lingual-deklarativen und dem lingual-prozeduralen Wissen nennen
lassen: das Wort X als Graphem kennen (Bedeutung, von der
Silbenschrift auf die Aussprache schließen), es als Phonem kennen
(von der Aussprache auf die Orthographie schließen und umgekehrt).
Unterschiedliches wird indes in der Dimension des Könnens begegnen:
Ein Wort ‚wissen‘ heißt bekanntlich noch lange nicht, es im
Fluss der Rede (und als Element derselben in unterschiedlichen
Idiolekten) identifizieren und es im Kontext seiner kulturellen
Einbettung verstehen (können).
4 Spracherwerb,
Sprachenlernen, Sprachlernkompetenz verlang-
en Transfer
Zur
menschlichen Sprache und ihrem Erwerb ist viel geschrieben worden: Am
einen Ende der Meinungen steht die kritische Frage, ob Sprache
überhaupt ‚lernbar‘ (lehrbar) sei; am anderen die Evidenz, dass
der Erwerb von Sprache zur genetischen Ausstattung des Menschen
schlechthin gehört, denn Kinder lernen unter normalen Bedingungen
immer von sich aus Sprechen und Hörverstehen – nicht aber etwa
Schreiben, Lesen oder Mathematik. Zu einer jeden dieser Positionen
lässt sich eine Vielzahl von Autoren anführen. Augenfällig ist,
dass ‚Sprache erwerben’ entweder heißt, sprachliches Wissen neu
zu kreieren - hierfür liefern der Erstsprachenerwerb und der
Sprachwandel immer wieder sprechende Beispiele - oder aber
sprachliches Wissen von den sozialen Mitspielern bzw. Sprachpartnern
aufzunehmen. Phylogenetisch zeigt sich der zutiefst soziale Charakter
der Sprache an ihrer Weitergabe und Weiterentwicklung von Generation
zu Generation - über viele Tausende von Jahren hinweg -,
ontogenetisch in der sozialen Unterstützung, die Kinder z.B. beim
Erwerb ihrer Erstsprache von den Menschen ihrer Umgebung (mit denen
sie kommunizieren) erhalten. Der Zweit- und der
Fremdsprachenunterricht versuchen, diese Unterstützung mit anderen
Mitteln bezüglich einer Zielsprache fortzusetzen. In beiden Fällen
wird mit der Sprache Wissen weitergegeben, das diese Sprache
komponiert und schon in der verbalen Kommunikation selbst
transportiert wird. Im Hinblick auf die individuelle Sprachverwendung
bzw. Kompetenzbildung bedeutet dieses Wissen ‚Ressourcen‘. Auch
in ad hoc-Kreationen sind immer schon sprachliche
Wissenselemente vorhanden: Bedeutungsverschiebungen oder
erweiterungen setzen eben einen Bedeutungskern voraus; gänzlich neue
Wortbildungen vollziehen sich nach dem Grundmuster morphologischer
Regeln - etwa in Übereinstimmung mit den Morphemgrenzen einer
Sprache. Viele weitere Belege wären anführbar. Halten wir fest:
Wissen und Ressourcen sind beim Sprachwandel, bei der Entstehung
neuer Sprachen und beim Erst-, Zweit- und Fremdsprachenerwerb überall
im Spiel. Wissen und eine entsprechende Kreativität sind generell
die Grundlage für das, was in den Wissenschaften vom Lernen als
Transfer bezeichnet wird.
„Lernen
ist ein Prozess, durch den ein Organismus sein Verhalten als
Resultat von Erfahrung ändert“, so die Psychologen Gage &
Berliner (1996: 261), um sogleich eine Vielzahl von Konditionen
nachzuschieben, die Lernen von anderen Formen der Veränderungen
eines Organismus unterscheiden. Einfache Lernmodelle - respondente
und operante Konditionierung, Kontiguitätslernen (Gage &
Berliner 1996: 276ff.) - werden dem Lerngegenstand symbolischer
Systeme wie Sprache oder Mathematik nicht im erforderlichen Umfang
gerecht. An ihre Stelle treten Modelle des information
processing bzw. der Informationsnahme und -verarbeitung. In ihnen lösen sensorische Reize - im Falle der rezeptiven Verarbeitung von Sprache sind diese akustisch (Hören), visuell (Lesen) oder audiovisuell (in einer Sprechsituation) - die Verarbeitung aus, an der die verschiedenen Speichertypen des Gedächtnisses ebenso beteiligt sind wie eine sprachbezogene Merkmalsextraktion oder ein Merkmalszugriff - Phoneme, Grapheme, distinktive Merkmale, syntagmatische Strukturen oder in Kontiguitäten zwischen Welt und Sprache bestehende Merkmale. Der Lern- oder Erwerbsgegenstand Sprache ist durch seine Systemhaftigkeit gekennzeichnet. Das bedeutet nicht nur, dass jedes Element der Sprache in Beziehung zu einem anderen steht, sondern auch, dass jedes neu zu erwerbende Element in diesen Systemzusammenhang zu bringen und dieser selbst zu adaptieren ist. Forschungen zum Erst-, Zweit- oder Fremdsprachenerwerb zeigen, dass der mentale Aufbau dieser Systematik in bestimmten Sprachen bestimmten Sequenzmustern folgt (Pienemann 1989; 2006), die nicht per se mit der Abfolge der sprachlichen Inhalte in Spracherwerbsplänen und Lehrwerken identisch sind. Norman (1982) erklärt diesen Prozess mit Hilfe des Dreisatzes von accretion - tuning - structuring. Im Kern meint dies: (1) Zuwachs an Sprachdaten, (2) Identifikation der neuen Daten und ihre Integration in das sprachliche System (wie es sich im mentalen Lexikon eines Sprachteilhabers zu einem gegebenen Zeitpunkt darstellt) und (3) Neukonfigurierung des vorhandenen mentalen Systems in Interaktion mit den neuen Informationen. Die Nähe dieses Modells zu interimssprachlichen Vorstellungen zum Spracherwerb ist augenfällig. So betont die Interlanguage-Hypothese die Merkmale: (a) Annäherung der Lernersprache (oder Interlanguage) an zielsprachliche Schemata, (b) ihre Systematik bezüglich der im mentalen Lexikon vorhandenen Schemata und (c) die hohe Dynamik bzw. die Veränderlichkeit desselben (Meißner 2010b). Wie man sieht, ist immer schon Vorwissen im Spiel, an das Lernen anschließt. Sprachenlernen ist weitgehend Lernen über Transfer und transferbasiert.
5 Ein Rückblick
auf die verquere Geschichte von Transfer in
der
Fremdsprachendidaktik des 20. Jahrhunderts
Ehe
wir im Weiteren zum Zusammenhang von SLK und Transfer kommen, sei ein
Blick auf das gängige Vorverständnis von Transfer und
Kompetenz in der Fremdsprachendidaktik getan, das uns
vielleicht über lange Zeit hinweg für die Leistung des Transfers
für Spracherwerbsprozesse verstellt hat. Für Köhring &
Beilharz meint Transfer:
Übertragung der
in einem bestimmten Bereich (Situation, → Muttersprache)
erworbenen
→ Kompetenz auf andere analoge und verwandte Bereiche (Situationen → Fremdsprachen). Durch Bereitstellung möglichst vieler Sprechsituationen kann der Fremdsprachenunterricht schrittweise den Transfer des Gelernten einleiten und damit den Anwendungsbereich der Sprache erweitern. (…) Der positive Transfer gilt als Lernerleichterung, die sich aus der tatsächlichen Ähnlichkeit sprachlicher Erscheinungen von Ziel und Ausgangssprache ergibt. (…) Der negative Transfer (→ Interferenz) gilt als Lernerschwerung, die entweder infolge scheinbarer Ähnlichkeit von Mutter- und Fremdsprache oder infolge von Abweichungen von den bisherigen Sprachgewohnheiten eintritt. (Köhring & Beilharz 1973: 238)
→ Kompetenz auf andere analoge und verwandte Bereiche (Situationen → Fremdsprachen). Durch Bereitstellung möglichst vieler Sprechsituationen kann der Fremdsprachenunterricht schrittweise den Transfer des Gelernten einleiten und damit den Anwendungsbereich der Sprache erweitern. (…) Der positive Transfer gilt als Lernerleichterung, die sich aus der tatsächlichen Ähnlichkeit sprachlicher Erscheinungen von Ziel und Ausgangssprache ergibt. (…) Der negative Transfer (→ Interferenz) gilt als Lernerschwerung, die entweder infolge scheinbarer Ähnlichkeit von Mutter- und Fremdsprache oder infolge von Abweichungen von den bisherigen Sprachgewohnheiten eintritt. (Köhring & Beilharz 1973: 238)
Und
zur Kompetenz heißt es ganz - dies meint - einseitig
‚linguistisch‘:
Die
Sprachkompetenz ist dann vollständig beschrieben, wenn alle Regeln
zusammengestellt sind, die von den Sprechern einer Sprache bei der
Erzeugung beliebiger Äußerungen angestellt werden. (Köhring &
Beilharz 1973: 133)
Die
Definitionen finden sich so oder so in zahlreichen nationalen und
internationalen Handbüchern sowie in weiten Strecken der Literatur
wieder.
Eine
Zwischenbemerkung: Im deutschen Kontext wird man zudem zumindest an
drei Diskurse denken: an das ‚Dogma der strengen Einsprachigkeit‘
(Butzkamm 2010), an das behavioristische Lernmodell mit dem
Grundmuster von Stimulus-Response und an die sogenannte
Kontrastivitätshypothese in ihrer starken Variante (auf deren
Grenzen Raupach (1973) hingewiesen hat). Allen drei Diskursen war
gemeinsam, dass sie die Rolle der Sprachverarbeitung ignorierten. Aus
heutiger Sicht sind SR-Modelle einsetzbar, wenn es um die
Ausbildung von sprachlichen Routinen (auch durch Drill) geht6.
Geübt werden müssen servitude grammaticale-Phänomene, für
die sich keine Regularitäten ausmachen lassen oder die von aus
anderen Sprachen bekannten Schemata abweichen. Die betroffenen
Phänomene sind für den Erwerber semantisch und funktional schwach
oder nicht motiviert7.
Die Notwendigkeit des sinnvollen Übens und Einübens zur Festigung
vor allem ‚sinnarmer‘ bzw. wenig motivierter Strukturen ist
unbestritten. Dem Üben kommt zur Ausbildung produktiver Kompetenzen
selbstredend eine besondere Rolle zu. Es kompensiert tendenziell eine
im natürlichen Spracherwerbsprozess wirkende intensive sprachliche
Praxis. Die wenigen Beispiele zeigen, dass Übungsformate, welche von
dem SR-Modell stark gestützt werden und auf vielfache
Wiederholung setzen, nicht einfach aufgegeben werden können. Ihre
lerntheoretische Begründung folgt heutzutage jedoch anderen
Erklärungen. Dies gilt auch für die Kontrastivitätshypothese, die
heute in der markedness-hypothesis Eckmans (1973) weiterhin
Erklärungskraft besitzt und für die Einschätzung von
Transferprozessen grundlegend ist8.
Die
verkürzte Sicht auf den Transfer, für die Köhring & Beilharz
ein Beispiel liefern, folgt einer über hundertjährigen Tradition,
die Transfer,
transfer, transfert, trans-ferencia weniger
im Rahmen von Spracherwerbs- denn von Sprachlerntheorien definiert
hat. Der (onomasiologische) Vorlauf von Transfer
ist
indes viel älter: Er betrifft die Deszendenten der antiken Etyma
ἀναλογία
/ PROPORTIO und Inferenz
bzw.
INFERRE
(Meißner
2014) und ihre komplexe Bildung innerhalb der europäischen Koiné9.
Die
jüngere Geschichte von Transfer beginnt wohl mit der
empirischen Studie der Psychologen Thorndike & Woodworth aus dem
Jahre 1901: In „The Influence of Improvement in one mental function
upon the efficiency of other functions“ wird untersucht, ob und wie
Individuen Wissens- und Handlungsschemata mit gleichen
Charakteristika auf neue Situationen übertragen („…due to a
subtle transfer of practice effect“). Ziel ist die Messung
transferbedingter Effektstärken. Die positiven Ergebnisse legten den
Grund für die identical element theory. Von vornherein waren
diese Studien auf die Verbesserung schulischen Lernens gerichtet:
…we should put
determinations of the exact improvement in the efficiency of various
functions by commonly practiced educational disciplines and measures
of the influence of the training of certain mental functions by
school subjects on the efficiency of other functions. (Thorndike &
Woodworth 1901: 564)
Im
Zusammenhang mit interlingualen Transfereffekten ist Thorndikes
(1923) Arbeit zur Rolle des Lateinischen für die Erlernung einer
modernen Sprache in Erinnerung zu rufen: „The influence of
first-year Latin upon the ability to read English“. In den 1930er,
1940er und den weiteren Jahrzehnten wurden Transferphänomene
wiederholt in der Fremdsprachendidaktik diskutiert (was an dieser
Stelle nicht weiter verfolgt wird; zu den jüngeren Transfertheorien:
Ringbom & Jarvis 2011; Jarvis & Pavlenko 2008). Wie verkürzt
die Sicht war, zeigt ein Vergleich von intra- und interlingualen
Transferprozessen im Rahmen der Interkomprehension und dem
Erstsprachenerwerb.
6 Transfer in der Interkomprehensionsdidaktik
Studien
zum ‚Verständnis von bislang einem Individuum nicht bewusst
bekannten romanischen Sprachen‘ - so lässt sich die
Interkomprehension inhaltlich definieren - sind für die
Fremdsprachendidaktik relevant, weil sie die Lernersprache im Moment
ihres Entstehens zeigen. Da Interkomprehension vom Sprachverarbeiter
in starker Weise die Aktivierung metalinguistischer und
metakognitiver Strategien verlangt, erlauben Laut-Denk-Protokolle und
Videographien Aufschlüsse über die involvierten mentalen Prozesse
bzw. die Dekodierungshandlung. Es ist die Offenlegung dieser
spracherwerbsbezogenen Handlungsdimension, die Interkomprehension und
SLK im Bereich der funktional-kommunikativen Kompetenzen
zusammenbindet.
Ausgehend
von den wesentlichen Transfer- und Interferenztheorien des
fremdsprachendidaktischen Diskurses und der Analyse zahlreicher
interlingualer Transferprozesse wurde das Interkomprehensionsereignis
auf unterschiedliche Transferaktivitäten bzw. typen zurückgeführt,
die nach Richtungen, Reichweiten, Bereichen und Kategorien zu
unterscheiden sind (Meißner 2004). Relevant ist die Komplementarität
lingualer und spracherwerbsbezogener Transferverfahren. Der
„didaktische Transfer“ besteht im Wesentlichen im Monitoring der
Interkomprehensionshandlung zu Gunsten des Spracherwerbs, besser: des
Mehrsprachenerwerbs. Betroffen ist die Verbesserung der mentalen
Organisation von Transferprozessen: Erhöhung der Suchbreite nach
Transferbasen oder samples bzw. die erweiterte Reichweite
derselben (hierzu auch Ellis 2011) und die Herstellung von
Nachhaltigkeitseffekten (z.B. durch breitere und tiefere Verarbeitung
der sprachlichen Daten). Der didaktische Transfer muss umso weiter
greifen, desto distanter eine Zielsprache von den dem Lerner
bekannten Brückensprachen ist. Selbstverständlich gelten auch alle
weiteren Elemente, die für das erfolgreiche Sprachenlernen notwendig
sind, die jedoch nicht innerhalb des vorliegenden Beitrages
beleuchtet werden können (vgl. z.B. zur Motivation Dörnyei 2003):
Transfertyp:
- Identifikationstransfer: Erkennen eines sprachlichen Musters oder einer Transferbasis über das zielsprachliche Lesen oder Hörverstehen
- Produktionstransfer: Ausprobieren / Nutzung eines sprachlichen Musters im Bereich des Schreibens oder Sprechens (In der Interkomprehensionsdidaktik führt das sogenannte „diagnostische Schreiben“ zu einer noch stärkeren Einsicht in die eigenen Sprachverarbeitungsprozesse als etwa das Lesen.)
Transferrichtung:
- proaktiver T.: Identifikation eines zielsprachlichen Schemas auf der Grundlage eines aus einer bereits bekannten Sprache verfügbaren Musters
- retroaktiver T.: Rückwirkende Veränderung / Erweiterung / Modifikation eines in der Brückensprache bekannten Musters auf der Grundlage eines in einer Zielsprache identifizierten Schemas (tuning, restructuring)
Transferreichweite
(Rattunde 1977 zur Unterscheidung von intra- und interlingualem T.):intralingualer
T. innerhalb des zielsprachlichen Systems
- intralingualer T. innerhalb eines ausgangssprachlichen Systems, z.B. innerhalb der Muttersprache oder innerhalb einer schon bekannten Sprache
- interlingualer T. zwischen verschiedenen Sprachen
Transferbereiche
der involvierten Sprachen (in Anlehnung an die Sieben Siebe des
EuroComGerm von Hufeisen & Marx 2007)
- Wortschatz: Interlexeme und Pangermanismen: z.B. enthusiasm, Enthusiasmus… oder Tag, dag, day… (Sieb 1)
- Funktionswörter: Alle Arten von Pronomina, Konnektoren, Adverbien, Präpositionen (Sieb 2)
- Laut- und Graphementsprechungen (Sieb 3)
- Rechtschreibung und Aussprache (Sieb 4)
- Syntax (Sieb 5)
- Morphosyntaktische Elemente: Artikel, Flexion von Adjektiven, Flexion beim Verb, Tempus und Modus (Sieb 6)
- Prä- und Suffixe (Sieb 7)
- funktional-aspektueller T.: Estamos hablando ~ we are talking ~ wir sind gerade am sprechen (Rheinisch)
- pragmatischer T.: Guten Tag, good afternoon, Hello, hola,… (vgl. auch: kommunikative Strategien)
Transferkategorien:
- Formtransfer: etwa von Signifikanten, Morphemformen usw. (betroffen sind immer Fälle von Formkongruenz, Typ: enthusiasm, Enthusiasmus… bzw. *good day ~ Guten Tag; Formkongruenzen werden häufig im Zusammenhang mit sogenannten falschen Freunden erwähnt).
- Inhaltstransfer, z.B. T. von semantischen Schemata, Ergänzungen von interlingualer ‚Polysemie’ bzw. Intersynonymie (betroffen sind Fälle von Inhaltsadäquanz); Beispiele: progress, progrès… ~ Fortschritt (das Konzept ist innerhalb der Serie bekannt).
- Funktionstransfer: T. von sprachlichen Regularitäten:); Verneinung als Auslöser für den fr. subjonctif/sp. subjuntivo: je ne crois pas qu’il vienne, no creo que venga oder z.B. die Verlaufsformen im Englischen und Spanischen.
- Didaktischer T.: Organisation von Lernstrategien und Lerntechniken
- Motivationssteuerung; Organisation der Lernumgebung; Lernzeitmanagement; Definition von Lernzielen und Lernstrecken; Bewertung und Kontrolle der Lernschritte und des Lernerfolgs; Sicherung der Lernergebnisse; Einsatz und Erreichbarkeit von Medien; Organisation von sozialen Komponenten erfolgreichen Lernens z.B. im Kontakt mit anderen Personen: Tandem und Austausch von Sprach und Lernerfahrungen; ggf. Inanspruchnahme von Lernberatung; ggf. Anlage eines Lernprotokolls; eines persönlichen Mehrsprachen-Wörterbuches; ggf. Protokoll und systematische Fortschreibung der Hypothesengrammatik; Auswahl und kompetente Nutzung von Hilfsmitteln wie Konsultationsgrammatiken und Wörterbüchern und last but not least Trennung des lexikalischen und morphosyntaktischen Materials in die Kategorien ‚opak’ und ‚transparent’10; didaktisches Monitoring.
Die
Typik liefert die Grundlage für den Vergleich zwischen den in der
Interkomprehensions oder Mehrsprachigkeitsdidaktik erstellten
Transfermustern und solchen des Erstsprachenerwerbs, der - wie oben
gezeigt wurde - in der Geschichte des Transferbegriffes überwiegend
ausgeblendet wurde.
7 Transfer beim Erstsprachen- und Fremdsprachenerwerb
Wie
verkürzt der Transferbegriff in der Fremdsprachendidaktik benutzt
wurde, zeigt ein vergleichender Blick auf Handlungs- und
Transfermerkmale im Rahmen muttersprachlicher und interkomprehensiv
bedingter Erwerbserscheinungen:
Handlungsmerkmale
beim
Erstsprachenerwerb
|
Transfermerkmale
beim
Erstspracherwerb
|
Halten
wir für die Bereiche Spracherwerb und SLK fest:
- Transferprozesse fördern nicht nur das Fremdsprachenlernen; sie sind bereits für den Erstsprachenerwerb relevant.
- Dies gilt sowohl für den lingualen Identifikations- und Produktionstransfer als auch für den Transfer von Spracherwerbserfahrungen.
- Sprachenwachstum, das heißt eine Optimierung der kommunikativ-funktionalen Kompetenzen, ist ohne Transferprozesse nicht möglich.
- Aufgrund der Mehrsprachigkeit des mentalen Lexikons von Fremdsprachenlernern greifen spracherwerbsbezogene Transferprozesse sowohl auf intra- als auch auf interlinguale Ähnlichkeiten zu.
- Interkomprehensive oder sprachvergleichende Strategien sind effizient, weil sie den kognitiven und metakognitiven Zugriff auf die Sprachverarbeitung befördern. Die Bewusstmachung gilt als eine Strategie zur Förderung von Nachhaltigkeit.
- Die SLK impliziert daher auch die notwendigen Kompetenzen, um Transferprozesse zu initiieren, durchzuführen und für das Sprachenwachstum zu nutzen.
- Die SLK ist nach Kompetenzen zu differenzieren. Es gibt nicht die SLK schlechthin, sondern in Bezug zu den funktional-kommunikativen Kompetenzen, jeweils eine SLK-Lesen, eine SLK-Hörverstehen, eine SLK-Sprechen und eine SLK-Schreiben.
- Die Orientierung zu einem kompetenzorientierten Unterricht hat es daher auch immer mit Transferphänomenen zu tun und diese sind - z.B. bei der Konstruktion von Aufgaben - mit zu bedenken.
Die
Folgerungen für die einzelzielsprachlichen Didaktiken sind nur zu
augenfällig: Sie verstärken Entwicklungen, die den Transfer nicht
nur im hergebrachten Sinne als Lernerleichterung und Lernerschwernis
betrachten, sondern die Transferphänomene in ihrer spezifischen
Funktion für den Spracherwerb schlechthin beschreiben.
8 Kompetenzaufgaben müssen Transferprozesse fördern
Offensichtlich
muss die pädagogische Passung für auf Spracherwerb und SLK
gerichtete Aufgaben transferorientiert sein. Es sei dahingestellt, ob
und wie weit die Literatur zum Task Based Learning dies
ausreichend berücksichtigt. In der Interkomprehensionsdidaktik wird
der gesamte Erwerb einer Zielsprache als eine Aufgabe bzw. task
betrachtet, die ganz im Sinne Holecs weitgehend den Lernern
anvertraut bleibt und in der die Lehrperson die Aufgabe des
Lernhelfers (facilitator) wahrnimmt. Es liegt im Wesen einer
offenen und komplexen Steuerung durch Aufgaben, dass diese
langfristig angelegt sind und von den Lernern die Kontrolle ihrer
eigenen Lernhandlungen und deren Analyse für erfolgreiches und
erfolgloses oder -armes Lernen verlangt. Dabei orientiert sich das
Lernhandeln an den oben aufgezeigten Transferprozessen bzw. an der
vorgestellten Transfertypik. Von dem bislang eher exklusiv
einzelzielsprachlich orientierten Unterricht verlangt das
interkomprehensiv basierte Sprachenlernen nicht nur die Akzeptanz,
dass das mentale Lexikon der Lerner mehrsprachig und dementsprechend
zu berücksichtigen ist, sondern auch die Bereitschaft, die
Lernhandlungen der Lerner an geeigneten Stellen des Unterrichts und
in geeigneter Weise zum Thema des Unterrichts zu machen.
Die
Transfertypik liefert hier nicht nur eine operable
Orientierungshilfe, sondern auch ein Aufgabenformat, indem bzw. in
dem Lerner ihre Transferprozesse in eine entsprechende Tabelle (vgl.
Anhang) eintragen und mit Beispielen belegen. Die Tabelle ist somit
ein Werkzeug für das kurz- wie langfristig angelegte autonome
Sprachenlernen, also für SLK11.
Anhang
Transfertypik
der Interkomprehensionsdidaktik
Transfertyp:
|
Beispiel
|
|
Erkennen
eines sprachlichen Musters oder einer Transferbasis über das
ziel-sprachliche Lesen oder Hörverstehen
|
|
|
Ausprobieren
/ Nutzung eines sprach-lichen Musters im Bereich des Schreibens
oder Sprechens (In der Interkomprehensionsdidaktik führt das
sogenannte „diagnostische Schreiben“ zu einer noch stärkeren
Einsicht in die eigenen Sprachverarbeitungsprozesse als etwa das
Lesen)
|
|
|
Transferrichtung:
|
||
Identifikation
eines zielsprachlichen Schemas auf der Grundlage eines aus einer
bereits bekannten Sprache verfüg-baren Musters
|
|
|
Rückwirkende
Veränderung / Erweiterung / Modifikation eines in der
Brücken-sprache bekannten Musters auf der Grundlage eines in
einer Zielsprache identifizierten Schemas (tuning, restructuring)
|
|
|
Transferreichweite(zur
Unterscheidung von intra- und interlingualem Transfer):
|
||
Intralingualer
Transfer:
innerhalb des ziel-sprachlichen Systems.
|
|
|
Intralingualer
Transfer:
innerhalb eines ausgangssprachlichen Systems, z.B. inner-halb der
Muttersprache oder innerhalb einer schon bekannten Sprache
|
|
|
Interlingualer
Transfer:
zwischen verschiedenen Sprachen
|
|
|
Transferbereiche
der involvierten Sprachen(in
Anlehnung an die Sieben Siebe des
EuroComRom von Klein & Stegmann): |
||
Wortschatz:
Interlexeme und Pangermanismen: z.B. enthusiasm, Enthusiasmus…
oder Tag, dag, day… (Sieb 1)
|
|
|
Funktionswörter:
Alle Arten von Pronomina, Konnektoren, Adverbien, Präpositionen
(Sieb 2)
|
|
|
Laut-
und Graphementsprechungen
(Sieb 3)
|
|
|
Rechtschreibung
und Aussprache
(Sieb 4)
|
|
|
Syntax
(Sieb
5)
|
|
|
Morphosyntaktisches:
Artikel, Flexion von Adjektiven, Flexion beim Verb, Tempus und
Modus (Sieb 6)
|
|
|
Prä-
und Suffixe
(Sieb 7)
|
|
|
Funktional-aspektueller
Transfer:
Estamos hablando ~ we are talking ~ wir sind gerade am sprechen
(Rheinisch)
|
|
|
Pragmatischer
Transfer:
Guten Tag, good afternoon, Hello, hola,… (vgl. auch:
kommunikative Strategien)
|
|
|
Transferkategorien
|
||
Formtransfer:
etwa von Signifikanten, Morphemformen usw. (betroffen sind immer
Fälle von Formkongruenz, Typ: enthusiasm, Enthusiasmus… bzw.
*good day ~ Guten Tag; Formkongruenzen werden häufig im
Zusammenhang mit sog. falschen Freunden erwähnt).
|
|
|
Inhaltstransfer,
z.B. Transfer von semantischen Schemata, Ergänzungen von
interlingualer ‚Polysemie’ bzw. Intersynonymie (betroffen
sind Fälle von Inhaltsadäquanz); Beispiele: progress, progrès…
~ Fortschritt (das Konzept ist innerhalb der Serie bekannt).
|
|
|
Funktionstransfer:
Transfer von sprach-lichen Regularitäten; Verneinung als
Aus-löser für den fr. subjonctif / sp. subjuntivo: je ne crois
pas qu’il vienne, no creo que venga oder z.B. die
Verlaufsformen im Englischen und Spanischen.
|
|
|
Didaktischer
Transfer:
Organisation von Lernstrategien und Lerntechniken
Auswahl
und kompetente Nutzung von Hilfsmitteln wie
Konsultationsgrammatiken und Wörterbüchern und, last but not
least, Trennung des lexikalischen und morphosyntaktischen
Materials in die Kategorien ‚opak’ und ‚transparent’;
didaktisches Monitoring.
|
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____________
1 Zur
Diskussion um Synchronie und Diachronie vgl. Martinet (1990).
2 An
innovation constitutes a 'threat' in the sense that it may challenge
existing preconceptions about teaching and require teachers to adopt
new routines to replace those with which they are familiar. (Ellis
2009: 321)
3 Generell
setzt die Expertiseforschung für die Ausbildung von
„Leistungseminenz“ einen „sehr langwierigen Lernprozess“ an,
der „mindestens zehn Jahre intensive Praxis erfordert“ (Ziegler
2000: 454).
4 In
der französischen und englischen Fassung ist dies noch
apodiktischer ausgedrückt:
« Les
compétences sont l’ensemble des connaissances, des habiletés et
des dispositions qui permettent d‘agir. » (15)
“Competences
are the sum of knowledge, skills and characteristics that allow a
person to perform actions. “ (9)
5 Angesichts
verbreiteter Skepsis gegenüber der ‚Kompetenzorientierung‘ -
die mit Einschätzungen wie „Verlust von Inhalten“,
„literarische Analyse ist in den neuen Abituraufgaben nicht mehr
möglich“ und der „Aufgabe des Bildungsgedankens“ einhergehen
- sei unterstrichen, dass diese Vorbehalte an der
Kompetenzorientierung vorbeigehen: Sie übersehen nämlich, dass
Inhalte immer in der Prädikat-Objekt-Struktur implementiert sind.
Inhaltlich ist die Orientierung an Handlungsfähigkeit neutral: Sie
lässt ebenso die Behandlung eines Gedichts zu wie die einer
historischen Quelle oder der kommunikativen Rahmenhandlung Einkaufen
in einem Supermarkt. Sie verlangt zudem auch das Wissen um den
methodischen Zugriff auf die Behandlung etwa bestimmter Textsorten.
Zur Behandlung eines Gedichts ist also z.B. die Stilanalyse (z. B.
Reinform, Alliteration, Metaphern, Synekdochen) unerlässlich.
Ähnliches gilt mutatis mutandis für andere Textsorten.
6 Z.B.
im Rahmen der Signalgrammatik um die Regel ‚frz. si +
Konditionalsatz verbietet das conditionnel und verlangt das
imparfait zum Ausdruck des Irrealis‘: si j’avais la possibilité,
je visiterais les Etats-Unis (leider habe ich die Möglichkeit
nicht). In anderen Sprachen gilt diese Regel nicht, etwa sp. si (yo)
tuviera la posibilidad [subjuntivo], visitaría EEUU. ‚Wenn ich
die Möglichkeit hätte [Konditional], würde [Konditional] ich die
USA besuchen.’.
7 Dies
ist oft im Bereich der deutschen Artikel der Fall: *das Sessel, *das
Kuchen, *der Gras; Rue de la République, il y avait *une incendie.
8 Es
geht um die Voraussagbarkeit von einfachen versus schwierigen
Strukturen einer Zielsprache (target language, abgekürzt TL) im
Vergleich zur Muttersprache (native language, NL). Aus heutiger
Sicht wäre es angemessener von der Brückensprache statt der
Muttersprache zu sprechen.
(a)
those areas of the TL that are different from the NL and are
relatively more marked than in the NL will be difficult;
(b)
the degree of difficulty associated with those aspects of the TL
that are different and more marked than in the NL corresponds to the
relative degree of markedness associated with those aspects;
(c)
those areas of the TL that are different from the NL but not
relatively more marked than the NL will not be difficult. (Eckman
1977: 321)
9 Dies
meint, dass Wörter (Kultismen) wie Analogie, analogie, Demokratie,
democrazia, Monarchie, monarchy, Humor, humour / humeur ihre
Polysemien erst im Rahmen mittelalterlicher oder neuzeitlicher
Gelehrsamkeit ausbilden konnten, während ihre Signifikanten auf
antike Muster zurückgehen (vgl. Greive 1971).
10 Die
EuroCom-Gruppe spricht von Transferbasen und Profilformen. Letztere
sind dadurch definiert, dass sie kaum operable Transferbasen
liefern. Profilformen bietet die Serie von Maurer: sp. albañil, fr.
maçon, it. muratore, pg. pedreiro...; anders als die
Bedeutungsadäquanzen für Freimaurer: sp. francmasón/masón, ru.
масо́н, fr. maçon, it. massone…, die formkongruent ist.
Profilformen liefern keine formbezogene Grundlage für einen
interlingualen Transfer. (vgl. auch Klein & Stegmann 1999)
11 Um
der Tatsache Rechnung zu tragen, dass die Fremdsprachenkompetenz der
Lerner und die im Vergleichen von sprachlichen Strukturen und
Funktionen gründende SLK unterschiedlich ist, hat die
Interkomprehensionsdidaktik eine Vielzahl von Übungsformaten
entwickelt, die es Lernern auch schon zu einem frühen Zeitpunkt
ihres Lernprozesses erlaubt, erfolgreiche Transfer- und Lernprozesse
einzuleiten. (Meißner 2005; 2011; 2012)