Michael Klenner (Zwickau)
Abstract
(English)
In the framework of
any oral presentation, the talk itself can be considered as the main
text which is often supported by types of paratext such as slides,
handouts or speaker notes. These texts are usually produced and
stored as separate documents. As all these texts are subordinate to
the topic of the main text, they may contain redundant or equivalent
information. In the present paper, the contentual and structural
relations between such texts are considered. The study applied a
corpus-linguistic approach based on a range of documents obtained
from various university seminars. The methodological model, which was
used to compare the respective parallel texts, will be presented.
Finally, the results of the study will serve as a basis for the
development of a technical concept for an application to support the
production of similar texts.
Key words:
paratexts, text analysis, single-source-publishing, text types,
presentations
Abstract
(Deutsch)
Ein Vortrag
verfügt in der Regel neben dem Zentraltext der mündlichen Rede noch
über zusätzliche begleitende Paratexte wie beispielsweise
elektronische Präsentationsfolien, ein Redemanuskript oder ein
Handout. Diese Textstücke werden für gewöhnlich als getrennte
Dokumente erstellt, eingesetzt und verwaltet. Die einzelnen Paratexte
eines Vortrages folgen dabei alle der übergeordneten thematischen
Ausrichtung des Zentraltextes, was zur Folge hat, dass sie
äquivalente und redundante Informationen enthalten können. Im
vorliegenden Beitrag werden die inhaltlichen und strukturellen
Beziehungen zwischen solchen Paratexten beschrieben. Die Untersuchung
stützt sich auf ein Korpus von Paratexten, die von Vorträgen aus
verschiedenen Hochschulseminaren unterschiedlicher Fachrichtungen
stammen. Es wird die Methodik vorgestellt, mit der Vergleiche
zwischen zwei gegenübergestellten Texten auf mikrostruktureller
Ebene durchgeführt werden. Die Ergebnisse dieser Studie sollen als
Grundlage zur Entwicklung eines technischen Konzepts dienen, mit dem
die Produktion solcher Textstücke besser unterstützt werden kann.
Stichwörter:
Paratextualität, vergleichende Textanalyse,
Single-Source-Publishing, Textsorten, Seminarvorträge
1 Einleitung
Es existieren verschiedene Gründe,
aus denen heraus ein Autor ein Thema für unterschiedliche
verschiedene Kommunikationssituationen mit äquivalenten Inhalten
redundant aufbereiten möchte. Dafür erstellt er oft mehrere
unterschiedliche Textstücke, da die Verbreitung der Inhalte über
unterschiedliche Darreichungswege erfolgt und jede Rezeptionsart
bestmöglich von der situativ am besten geeigneten Textsorte
unterstützt werden soll. Um dies zu erreichen, müssen bei der
Textgestaltung verschiedene Textkriterien beachtet werden, die in
einer bestimmten Kommunikationssituation zur Realisierung der
entsprechenden Textfunktion dienen. Zur Unterstützung des Autors
können bei der Produktion von inhaltlich äquivalenten Texten mit
unterschiedlich ausgeprägten Textkriterien technische Konzepte wie
das Single-Source-Publishing eingesetzt werden:
Unter
Single-Source-Publishing versteht man Verfahren, die es ermöglichen,
aus einer (repräsentationsformatlosen) Quelldatei über
Transformationen mehrere Ausgabeformate […] zu erstellen (Stigler
2008: 203).
Damit
ist es möglich, aus einer Grundmenge von bereits formulierten
Inhaltsbausteinen eine eigene
Textstruktur abzuleiten und diese
maschinell in verschiedene Zieltexte mit unterschiedlichen
Gestaltungskriterien zu transformieren. Dabei kann die grafische
Ebene beeinflusst werden, indem Layout und Typografie für den
anvisierten Rezeptionskontext angepasst werden. Weiterhin ist eine
Ausgabe auf verschiedene Trägermedien möglich. Aufgrund dieser
Eigenschaften wird Single-Source-Publishing bereits in verschiedenen
Bereichen erfolgreich angewendet. Genutzt wird diese Methode unter
anderem für technische Dokumentationen (z.B. gedrucktes Handbuch und
Onlinehilfe; Closs 2007, Ament 2003), und Lernressourcen (z.B.
Darreichung als Lehrbuch oder Online, Anpassung von
E-Learning-Dokumenten an verschiedene technische
Anzeigemöglichkeiten; Walsh 2007). Ein weiteres Anwendungsbeispiel
stellt die Anpassung kommerzieller Produktinformationen an
verschiedene Rezeptionskontexte dar (z.B. Produktanpreisungen im
Web-Shop und Printkatalog; Kirchner 2010). Der Vorteil einer
zentralisierten Quelldatei besteht hauptsächlich darin, dass
inhaltliche Änderungen nur einmal und nicht in allen Zieltexten
einzeln vorgenommen werden müssen. Dies sichert die Aktualität
aller abgeleiteten Textinstanzen.
Aufgrund
der einheitlichen Quellinhalte stoßen diese Verfahren jedoch an ihre
Grenzen, wenn Zieltexte darüber hinaus mit variierenden
Textkriterien erstellt werden sollen, die über Layout und Typografie
hinausgehen:
Aus Sicht des
SSW [Single-Source-Writing; M.K.] ist dabei besonders relevant, durch
welche grammatischen Strukturen, Formulierungsmuster und durch
welches Vokabular sich Textsorten [...] untereinander unterscheiden
(Nickl 2006: 290).
Solche
textsortenspezifischen Kriterien lassen sich nicht ohne weiteres
durch tech-nische Transformationen automatisieren, da sie beim
Single-Source-Publishing innerhalb der uniformen
Inhaltsbausteine fest verankert sind. Aus diesem Grund können
solche Single-Source-Technologien nicht sinnvoll in Kontexten
eingesetzt werden, in denen sich die Zieltexte trotz inhaltlicher
Äquivalenz auch über die grafische Ebene hinaus unterscheiden.
In
solchen Umgebungen herrscht nach wie vor eine dokumentbasierte
Arbeitsweise vor, in der für jede anvisierte Kommunikationssituation
ein eigenes Dokument erstellt wird. Zentrale Inhalts- und
Strukturänderungen wie beim Single-Source-Publishing sind dabei
nicht anwendbar, da redundante Informationen in verschiedenen
Dokumenten verteilt sind. Aus diesem Mangel heraus werden neue
Möglichkeiten gesucht, die aktuell vorherrschende Arbeitsweise
softwaretechnisch besser zu unterstützen. Für so ein technisches
Vorhaben bedarf es einer näheren Untersuchung der Beschaffenheit
solcher hier problematisierten Texte. Als Grundlage für eine spätere
technische Anwendung steht in dem vorliegenden Beitrag deshalb die
Analyse ausgewählter Texte, die der beschriebenen Charakteristik
gleichkommen, im Mittelpunkt. Als Beispiele dienen dafür Paratexte
von Seminarvorträgen, die von ihrer Ausprägung her diesem
Problemkontext entsprechen.
2 Paratextualität
2.1 Definition
Als
Paratexte (griech.: para – ‚neben’) bezeichnet Genette
Textsorten oder Textelemente, die zusammen mit dem eigentlichen
Zentraltext (auch Haupttext oder Basistext) auftreten, um diesen zu
ergänzen oder zu begleiten und dessen Ausführung und Wahrnehmung zu
steuern (Genette 1989: 9f). Urheber ist oft der Autor des
Zentraltextes selbst. Diese Art wird auktorialer Paratext genannt
(Genette 1989: 16). Ursprünglich entwickelte Genette den Begriff
Paratextualität speziell für literarische Werke, dehnte die
Anwendung dieses Konzepts später aber auch auf andere Medien aus
(Genette 1989).
Abhängig
von der Stellung zum Zentraltext werden zwei Arten von Paratexten
unterschieden: Peritexte sind mit dem Zentraltext direkt
verbunden und bilden mit diesem zusammen eine materielle Einheit
(z.B. Vor- und Nachwort, Fußnoten, Jugendschutzhinweise auf DVDs).
Werkexterne Paratexte werden hingegen als Epitexte bezeichnet
und existieren getrennt vom eigentlichen Zentraltext (z.B.
Autorenporträts) (Genette 1989: 12f).
2.2 Paratexte
im Rahmen von Seminarvorträgen
Wendet
man das Konzept der Paratextualität nun auf einen Seminarvortrag an,
kann die mündliche Rede des Referenten, die während des Vortrages
artikuliert wird, als Zentraltext angesehen werden. Wie Knape
ausführt „treten aber auch im Rede-Ereignis diverse Paratexte auf
[…], die sich an den Zentraltext direkt anlehnen: Vorreden,
Nachsprüche, Handouts oder eben auch PowerPoint-Texte“ (Knape
2007: 55)1.
Das besondere Interesse dieser Arbeit liegt ausschließlich auf den
nicht-mündlichen Epitexten, die in der vortragsvorbereitenden
Gestaltungsphase ausgearbeitet wurden und vortragsbegleitend zum
Einsatz kommen. In der vorliegenden Untersuchung wurden dabei drei
Arten beobachtet2.
Die
bereits genannten PowerPoint-Texte3
sind wohl der wichtigste Vertreter, da kaum ein Seminarvortrag noch
ohne computergestützte Präsentationen auskommt. Hiervon abzugrenzen
sind Folien zur Verwendung mittels eines Overheadprojektors, die
historisch in akademischen Vorträgen zwar einen sehr großen
Einfluss hatten, heute aber fast vollständig durch computergestützte
Folien ersetzt wurden.
Eine
weitere Möglichkeit der Visualisierung von Informationen für das
Publikum ist die Verwendung eines vortragsbegleitenden Handouts,
welches in Form von papiergebundenen Vervielfältigungen vor, während
oder nach dem Vortrag an jeden Seminarteilnehmer ausgegeben wird.
Als
dritter Paratext werden in dieser Studie zusätzlich vom Sprecher
angefertigte Speaker Notes betrachtet, die als weiterer
Epitext zum Zentraltext der mündlichen Rede existieren können.
Dieses Schriftstück ist während des Vortrages nur dem Referenten
selbst zugänglich.
Diese
drei Paratexte folgen in ihrer Ausführung der übergeordneten
thematischen Ausrichtung des Zentraltextes. Wenn mehrere dieser
Paratexte zu einem Vortrag existieren, hat dies zur Folge, dass diese
Texte im Kern äquivalente bzw. redundante Informationen enthalten
können und äquivalenten Gliederungsstrukturen folgen. Trotz der
inhaltlichen Überschneidungen unterscheiden sich diese parallel
genutzten Textstücke jedoch grundsätzlich in ihrer Gestaltung und
Intention, da sie jeweils unterschiedliche Textfunktionen
verwirklichen.
3 Die Untersuchung
3.1 Fragestellung
Im
Hinblick auf eine zukünftige technische Nutzung der Ergebnisse
stehen hauptsächlich zwei Fragestellungen im Zentrum der
Untersuchung:
- Wie überschneiden und unterscheiden sich Inhalte in den parallelen Texten?
- Wie sind die Texte strukturiert und inwieweit sind die Gliederungsstrukturen der Texte aufeinander abbildbar?
In
der vorliegenden Untersuchung wird nicht das Ziel verfolgt, eine
umfassende Definition der Textsorten PowerPoint, Handout
und Speaker Notes zu erarbeiten. Es soll hier lediglich eine
erste Bestandsaufnahme dessen vorgelegt werden, wie derartige
Paratexte von Studierenden computergestützt erstellt werden und
welche Bedingungen im Sinne einer arbeitserleichternden
Softwarelösung beachtet werden müssen, um solche Texte sinnvoll
abbilden zu können. Es wird hingegen nicht hinterfragt, warum die
Studierenden bestimmte gestalterische Entscheidungen getroffen haben.
Weiterhin werden keine Aussagen darüber getroffen, inwieweit die
Gestaltung der untersuchten Paratexte als didaktisch sinnvoll zu
bewerten ist oder wie die Anwendung solcher Texte bestmöglich
erfolgen sollte.
3.2 Korpus
Zur
Untersuchung der aufgeführten Fragestellungen wurde ein deskriptiv
produktanalytischer Ansatz gewählt, der auf einem Korpus von
akquirierten Paratexten aus Seminarvorträgen basiert. Dazu wurden
jeweils Paratexte eines Vortrages auf mikrostruktureller Ebene
vergleichend analysiert.
Es existieren bereits
Forschungsarbeiten, in denen sich im Bereich medial gestützter
Vorträge mit dem Vergleich von geschriebener Sprache auf Textfolien
und parallel dazu gesprochener Sprache auseinander gesetzt wird
(Rowley-Jolivet 2012, Schnettler 2007, Özsarigöl 2011). Besonders
die Erkenntnisse zum strukturellen Aufbau und der inhaltlichen
Redundanz der Texte werden als Grundlage für die vorliegende
Untersuchung genutzt. Die genannten Arbeiten bedienen sich
transkribierter Reden, um diese mit den projizierten Folientexten zu
vergleichen. Dieser Zwischenschritt ist bei den hier untersuchten
Paratexten nicht notwendig, da alle Texte bereits in schriftlicher
Form - digital oder papiergebunden - vorliegen und deshalb eine
Transkription nicht nötig ist.
Für
das Korpus wurden im Wintersemester 2012 / 2013 mit Zustimmung der
betreffenden Studierenden Paratexte aus vier verschiedenen
Hochschulseminaren gesammelt, in denen studentische Vorträge zu
fachspezifischen Themen gehalten wurden. Nicht in jedem Vortrag
wurden alle drei genannten Paratexte genutzt. Weiterhin wurden einige
Paratexte zwar im Vortrag verwendet, aber anschließend nicht für
diese Untersuchung freigegeben. Zum aktuellen Zeitpunkt wurden 54
computergestützte Präsentationen, 44 Handouts und 46 Speaker Notes
akquiriert. Die Studierenden und ihre Vorträge weisen sehr
unterschiedliche Charakteristiken auf: Hochschultyp (Fachhochschule,
Universität), Vortragssprache (Deutsch, Englisch), Studienrichtung
(Medienwissenschaften, Informatik, Sprachwissenschaften) und
Fachsemester (1. Semester Bachelor bis 1. Semester Master). Aufgrund
dieser großen Anzahl unabhängiger Variablen war es kaum möglich,
signifikante Unterschiede zwischen den einzelnen Gruppen
herauszustellen. Das Ziel war hier eher, eine gewisse Breite von
unterschiedlich gestalteten Paratexten untersuchen zu können.
Ein
Überblick über das Korpus zeigt, dass sich die Paratexte ausgehend
von ihrem fundamentalen Gestaltungsansatz in weitere Gruppen
unterteilen lassen (Tab. 1). Prinzipiell sind zwei grundlegende
Gestaltungsmöglichkeiten zu unterscheiden: die computergestützte
Erstellung und die handschriftliche Vorgehensweise auf Papier.
Computergestützte Präsentationen wurden - ihrer Natur bedingt -
immer mit Hilfe von Computerprogrammen erzeugt. Ebenso wurden alle im
Korpus befindlichen Handouts mit Textproduktionsprogrammen erstellt.
Bei den Speaker Notes zeigte sich hingegen eine vielfältigere
Ausprägung, da hier sowohl computererzeugte als auch
handschriftliche Texte wie auch Mischformen vertreten sind.
Im
gesamten Korpus befindet sich nur eine
Zoomable-User-Interface-Präsentation. Da von der Auswertung eines
einzigen Dokuments dieser Art keine verlässlichen Ergebnisse zu
erwarten sind, wurden im Folgenden nur die folienbasierten
Präsentationen weiter betrachtet. Außerdem wurden 16 Speaker Notes
handschriftlich erstellt, auf deren Auswertung aber verzichtet wurde,
da sie nicht mit technischen Hilfsmitteln erzeugt wurden und somit
für die Fragestellung nicht relevant sind. Die einzigen Paratexte,
die in jedem erfassten Vortrag angefertigt wurden, sind die
computergestützten Präsentationsfolien, weshalb diese Paratextart
als zentrale Vergleichsinstanz angesehen und mit den jeweils anderen
Paratexten in Relation gesetzt wird. Ausgehend von der Zugehörigkeit
zum jeweils gleichen Vortrag enthält das Korpus zahlenmäßig
folgende auswertbare Paratextkombinationen:
- Computergestützte Folien – Handout: 37
- Computergestützte Folien – Speaker Notes: 29
Computergestützte
Präsentation
|
|
Folienbasierte
Präsentation
|
Inhalte
werden mit umfangreichen Gestaltungsmöglichkeiten (z.B.
schriftlich, ikonisch, audio-visuell) auf separaten Folien
dargestellt. Zum Vortrag werden die einzelnen Folien sequenziell
nacheinander eingeblendet (weitergeblättert).
|
Zoomable-User-Interface
|
Die
einzelnen Textelemente werden frei in einer grafischen Ebene
platziert. Zusätzlich wird ein Pfad festgelegt, mit dem zur
Präsentationsvorführung die einzelnen Elemente durch Hinein-
und Herauszoomen nacheinander in den Mittelpunkt gestellt werden
(vergleichbar mit einer Kamerafahrt) (Vanacken 2011: 2)4.
|
Handout
|
|
Zusammenfassung
|
Zentrale
Aspekte des Vortrages werden resümierend dargestellt.
|
Ergänzungsvorlage
|
Das
Handout enthält Platzhalter, die dafür vorgesehen sind, vom
Publikum ergänzt zu werden. Dies können beispielsweise
Lückentexte oder freie Flächen für Notizen sein.
|
Speaker
Notes
|
|
Redemanuskript
|
In
wohlgeformten Sätzen ist der ganze Inhalt des Vortrages
ausformuliert und kann zum Vortrag verlesen zu werden.
|
Stichpunktartige
Ausarbeitung
|
Die
stichpunktartige Ausarbeitung enthält - wie das Redemanuskript -
alle Inhalte des Vortrages. Der Unterschied zu diesem besteht
darin, dass nur elliptische Formulierungen niedergeschrieben
werden. Diese können nicht direkt verlesen werden, weshalb der
Vortragende auf deren Basis die Redesegmente spontan produzieren
muss.
|
Stichwortsammlung
|
Gegenüber
der stichpunktartigen Ausarbeitung sind die Darstellungen
deutlich reduzierter. Anstelle von Ellipsen werden meist nur
einzelne Wörter oder Phrasen genutzt. Es werden nicht alle
Inhalte des Vortrages abgebildet.
|
Annotierte
Folienausschnitte
|
Mit
PowerPoint erstellte Folien oder davon ausgewählte Ausschnitte
werden mit zusätzlichen Anmerkungen versehen.
|
3.3 Vorgehensweise
Die
vergleichende Analyse der Paratexte geschieht in vier aufeinander
aufbauenden Schritten:
(1)
Zerlegung der Texte in vergleichbare Segmente
(2)
Feststellung textübergreifender Kohäsionsbeziehungen
(3)
Klassifizierung der Kohäsionsbeziehungen
(4)
Auswertung.
Es werden jeweils zwei Paratexte eines
Vortrages miteinander vergleichend analysiert. Die Dokumentation und
Auswertung erfolgt softwaregestützt.
3.3.1
Zerlegung der Texte in vergleichbare Segmente
Um
die Inhaltsdarstellungen der einzelnen Paratexte vergleichen zu
können, muss die granulare Ebene festgelegt werden, auf welcher die
Texte segmentiert werden und worauf sich vergleichende Aussagen
beziehen können. Forschungsarbeiten, die sich schwerpunktmäßig mit
PowerPoint beschäftigen, nutzen zur Segmentierung der
PowerPoint-Texte vorrangig die Folie als konsistente Einheit. Lobin
et al. (2010: 360f) und Pötzsch (2007: 91ff) haben - darauf
basierend - bereits Typologisierungsansätze für die
grafisch-textuelle Gestaltung von Präsentationsfolien vorgestellt,
welche einen folienzentrierten Vergleich ermöglichen. Da es aber in
den beiden anderen, hier betrachteten Paratextarten keine
vergleichbaren Struktureinheiten gibt und außerdem auf einer
einzelnen Folie nicht zweifelsfrei ein in sich geschlossener
konsistenter Inhaltsabschnitt dargestellt sein muss, wird die
Segmentierung noch eine Ebene feingranularer durchgeführt. Die
Paratexte werden deshalb im ersten Analyseschritt in ihre einzelnen
konstituierenden Strukturelemente zerlegt. Diese Einheiten zur
Textstrukturierung können als semantische Container zum Speichern
von Informationen angesehen werden. Dieses Konzept ist in nahezu
allen modernen Textproduktionssystemen verbreitet, auch wenn nicht
jede Software jedes Strukturelement nativ zur Textgestaltung
anbietet. Die Analyse erfolgt deshalb auch nicht auf rein technischer
Ebene: Das Ziel ist nicht zu eruieren, mit welchem
softwarespezifischen Strukturelement ursprünglich der Inhalt
gespeichert wurde, sondern es wird analysiert, welches
Strukturelement semantisch dargestellt ist. Beispielsweise kann unter
Verwendung mehrerer einzelner Textstücke, denen jeweils eine
aufsteigende Zahl vorangestellt ist, eine Sammlung von Textelementen
technisch realisiert sein, wobei semantisch aber nur ein einziges
Strukturelement wahrgenommen wird: eine geordnete Liste.
Die
Grundlage für diesen Analyseschritt ist in der kognitiven
Psychologie - insbesondere in der Gestaltpsychologie - begründet, in
deren Rahmen Aussagen darüber getroffen werden, wie Strukturen und
Ordnungsprinzipien vom Menschen visuell wahrgenommen werden. Nachdem
ein Bild an das Gehirn geleitet wurde, werden die auf dem Bild
dargestellten Objekte nach bestimmten Kriterien gruppiert und
interpretiert. Zur Beschreibung dieser Zusammenfassungseffekte wurden
verschiedene Gestaltgesetze definiert (Dahm 2006: 59ff). Diese werden
bei der Analyse der Paratexte angewendet, um die Zugehörigkeit der
visuell dargestellten Objekte zu den jeweiligen Strukturelementen
festzustellen. Von besonderer Bedeutung sind hier die drei
Gestaltgesetze Ähnlichkeit,
Nähe
und Kontinuität.
Zur
Segmentierung der Texte werden die folgenden Strukturelemente
unterschieden, die so auch in verschiedenen Textproduktionssystemen
existieren:
- Textstück
- Fließtext
- Definition
- Liste geordnet
- Liste ungeordnet
- Liste Definitionen
- Überschrift
- Tabelle
- Einzelbild
- Bildcollage
- Grafik / Schema / Diagramm
Pötzsch
(2007: 91), Lobin et al. (2010: 361) und Özsarigöl (2011: 73)
schließen in ihren Betrachtungen sogenannte Rahmungsfolien explizit
aus. Damit sind Folien gemeint, die vorrangig ordnende und
vortragsstrukturierende Funktionen übernehmen und „nicht direkt in
Zusammenhang mit dem thematischen Inhalt der Präsentation stehen“
(Özsarigöl 2011: 73). Zu diesen werden hauptsächlich Titel-,
Schluss- und Gliederungsfolien gezählt. Mit der gleichen Begründung
werden - analog dazu - in der vorliegenden Untersuchung alle
Textelemente ausgeschlossen, die vergleichbare Funktionen
verwirklichen - z.B. das Textstück „Vielen Dank für Ihre
Aufmerksamkeit“ auf einer Schlussfolie. Zusätzlich bleiben alle
Elemente unbeachtet, welche laut Schnettler (2007: 149) als
Kontextualisierungsmittel einzuordnen sind. Dazu gehören
wiederholend auf jeder Folie oder Seite erscheinende Elemente, wie
Autorenname, Vortragstitel, Seitennummer oder Datum.
3.3.2
Feststellung textübergreifender Kohäsionsbeziehungen
Nachdem
die Paratexte in vergleichbare Textelemente zerlegt wurden, müssen
diese miteinander in Relation gesetzt werden. Bei Untersuchungen von
Sprachbezügen zwischen Präsentationsfolien und mündlicher Rede
wird hauptsächlich die Videoperformanzanalyse eingesetzt (z.B.
Rowley-Jolivet 2012, Lobin et. al 2010, Özsarigöl 2011, Schnettler
2007), bei der der Vortragende zusammen mit den projizierten Folien
gefilmt und gleichzeitig der Ton mitgeschnitten wird (Schnettler
2007: 140f). Dabei stellt die „zeitliche Synchronizität von Folie
und Rede […] die einfachste Form der Kohäsionsbildung zwischen
Projektions- und Redesegmenten“ (Lobin et. al 2010: 364) dar.
Aufgrund des hier vorliegenden Untersuchungsgegenstandes ist dies
allerdings nicht möglich, da die Nutzung der Paratexte, abgesehen
von PowerPoint-Folien, nicht per Video aufgezeichnet werden kann. Es
bedürfte einer alternativen Methode der Rezeptionsforschung wie das
Eye-Tracking, um die Rezeption der Speaker Notes und Handouts
zu erfassen und somit die jeweiligen Textelemente synchronisieren zu
können. Es ist aber schwer einzuschätzen, inwieweit der Einsatz von
Eye-Tracking-Technologien hier eine natürliche Rezeption erfassen
könnte. Schumacher (2012: 112) beleuchtet in diesem Zusammenhang die
ökologische Validität von Blickaufzeichnungsstudien und erklärt,
wie die außergewöhnlichen Reize und zusätzlichen Belastungen beim
Einsatz von Eye-Tracking-Technologien (unter anderem durch eine
Gewöhnungsphase) minimiert werden können. Da es sich bei den
Seminarvorträgen um Prüfungsleistungen handelte, stellen diese für
die Studierenden per se eine nichtalltägliche Situation dar.
Aufgrund des technischen Aufwandes und der von den Studierenden eher
nicht zu erwartenden Kooperation, wurde diese Methodik nicht weiter
in Betracht gezogen und auf eine textanalytische Betrachtungsweise
zurückgegriffen. Um festzustellen, ob Strukturelemente
paratextübergreifend thematisch in Beziehung stehen, werden diese
nach dem Auftreten verschiedener Kohäsionsmittel geprüft.
Das
wichtigste kohäsionsbildende Kriterium ist die Rekurrenz.
Lobin (2007: 78f) unterscheidet drei Arten von wiederkehrenden
Sprachmustern. Die lexikalische Rekurrenz kann als die
Wiederaufnahme von Wortmaterial in einem anderen Paratext angesehen
werden. Dazu zählt auch „morphosyntaktisch abgewandeltes oder
verwandtes Wortmaterial“ (Lobin et al. 2010: 369). Davon zu
unterscheiden ist die syntaktische Rekurrenz, welche die
Wiederaufnahme von Satzkonstruktionen bezeichnet. So kann eine
Übereinstimmung von Satzstrukturen unterschiedlicher Textelemente
ein Indiz für eine vorliegende Kohäsionsbeziehung sein. Die dritte
Form wird als textstrukturelle Rekurrenz bezeichnet. „Bei
der textstrukturellen Rekurrenz geht es um wiederkehrende Text- und
Dokumentstrukturen“ (Lobin 2007: 78). Dies kann beispielsweise die
Position von Strukturelementen innerhalb des jeweiligen Paratextes
sein. Eine gemeinsame Platzierung innerhalb der beiden Textstrukturen
kann eine Kohäsionsbeziehung andeuten (z.B. die identische
Reihenfolge von Stichpunkten in einer gegebenen Liste).
Ein
weiteres Kohäsionsmittel ist die Substitution,
mit der ersetzende Inhaltsdarstellungen bezeichnet werden. Dazu
gehören Synonyme, Metaphern, Hyperonyme oder Hyponyme. Auch
modalitätsverändernde Substitutionen sind möglich, wenn
beispielsweise äquivalente Informationen in einem Paratext mit
ikonischen Darstellungen realisiert und in dem vergleichenden
Paratext mit einer schriftlichen Ausführung dargestellt werden.
Mit
Deixis
oder Textverknüpfung
wird das kohäsionsbildende Ereignis beschrieben, wenn innerhalb
eines Paratextes auf einen anderen Paratext verwiesen wird. Ein
solcher Verweis kann in den Speaker Notes ein Hinweis wie „siehe
Diagramm im Handout“ sein.
3.3.3
Klassifizierung der Kohäsionsbeziehungen
Wenn
eine thematische Beziehung zwischen zwei (oder mehreren)
Strukturelementen als paratextübergreifend identifiziert wurde, wird
diese dokumentiert und anschließend klassifiziert. Dafür wurden
folgende Kategorien entwickelt:
a)
Kopieren & Einfügen
Diese
Kategorie bezeichnet eine Kohäsionsbeziehung, welche durch bloße
Übernahme eines Textelements aus einem Paratext mit dem technischen
Vorgang des Kopierens und Einfügens ohne jegliches weitere
menschliche Eingreifen hergestellt werden kann. Dies heißt, dass die
Inhaltsdarstellung identisch ist, ein Textstück also lexikalisch und
syntaktisch gleich in beiden Paratexten erscheint. Jedoch können
sich einige Merkmale der Textdarstellung, wie Schriftgröße oder
Farbe unterscheiden, wenn dies durch übergeordnete Einflüsse - z.B.
unterschiedlich definierte Formatvorlagen für gleiche
Strukturelemente, - geschieht. Entscheidend ist, dass die
Merkmalsänderungen nicht direkt beeinflusst sind.
b)
Umformulierung
Unter
Umformulierung werden
paratextübergreifende Beziehungen verstanden, bei denen bewusst
morphosyntaktische Änderungen der Textelemente vorgenommen wurden
oder Teile mit alternativen, verkürzten oder ausführlicheren
Formulierungen dargestellt werden.
c)
Inhaltsüberschneidung
Die
Kategorie Inhaltsüberschneidung
beschreibt Zusammenhänge, in denen die verglichenen Strukturelemente
zwar übereinstimmende Inhalte aufweisen, aber die Menge der
vermittelten Inhalte nicht identisch ist. So können verschiedene
Mengenrelationen zwischen den beiden in Verbindung stehenden
Strukturelementen definiert werden. Beispielsweise können zwei
Listen teilweise unterschiedliche Inhaltspunkte enthalten oder ein
einzelnes Strukturelement kann zusammenfassend für mehrere
Strukturelemente des jeweils anderen Paratextes stehen.
d)
Umgestaltung
Wenn
sich Textelemente gleichen, aber bewusst eine Änderung der
bestehenden Darstellung vorgenommen wurde, erfolgt eine Einordnung in
die Kategorie Umgestaltung.
Dies betrifft vorrangig Formatierungsdetails, die absichtlich in
einem Paratext exklusiv verändert wurden, wie Schriftart, Größe
oder Farbe. Daneben wird die Hinzufügung und Weglassung von
Interpunktionen, Listenanstrichen oder vergleichbaren Zeichen
ebenfalls als Umgestaltungen angesehen und von der Kategorie
Umformulierung ausgenommen.
e)
Strukturänderung
Wenn
eine Kohäsionsbeziehung zwischen zwei Textelementen besteht, die
eingesetzten Strukturelemente jedoch unterschiedlich sind, liegt eine
Strukturänderung
vor. Teilweise sind Strukturänderungen
auch Modalitätsübergänge,
z.B. wenn ein Sachverhalt einmal bildlich dargestellt wird und der
vergleichende Paratext die gleichen Informationen in Textform
enthält.
3.4 Auswertung
Die
Auswertung der vorangegangenen Analyse erfolgt auf zwei Ebenen:
inhaltlich und strukturell. Da die Dokumentation des Analyseprozesses
komplett softwaregestützt abläuft, kann dies genutzt werden, um
maschinell statistische Auswertungen zu erstellen. Diese können
Aufschluss darüber geben, wie Inhalte paratextübergreifend verteilt
sind und wie die redundanten Inhalte im jeweiligen Paratext
dargestellt sind.
Darüber
hinaus können die Gliederungsstrukturen der beiden verglichenen
Paratexte ausgewertet werden. Dazu gibt es auf der einen Seite die
Möglichkeit, mit Hilfe sich kreuzender Kohäsionsbeziehungen
zwischen den Strukturelementen zu berechnen, inwieweit die
zusammengehörigen Strukturelemente in beiden Texten der gleichen
Gliederungsabfolge entsprechen. Dazu wird ein Wert berechnet, der
angibt, wie viele Strukturelemente mindestens in ihrer Position
verschoben werden müssten, um eine hundertprozentige Übereinstimmung
der Reihenfolge aller inhaltsübergreifenden Strukturelemente in den
zwei gegenübergestellten Paratexten zu erreichen. Diese aus der
Reihe fallenden Strukturelemente werden im Folgenden als Ausreißer5
bezeichnet. Im Verhältnis zu allen deklarierten Kohäsionsbeziehungen
zwischen zwei Paratexten kann so, unabhängig vom Textumfang, eine
vergleichbare Aussage darüber getroffen werden, wie ähnlich die
verglichenen Gliederungsstrukturen sind. Dieser Wert bezieht sich
demzufolge nur auf die Strukturelemente, die in paratextübergreifende
Kohäsionsbeziehungen involviert sind; über die paratextexklusiven
Inhalte sagt dies nichts aus.
Auf
der anderen Seite ist eine visuelle Gegenüberstellung der
Gliederungsstrukturen möglich. Die Gliederungsstruktur eines Textes
ist - abstrakt betrachtet - eine Baumstruktur, wobei die
Gliederungstiefe einer Kapitelüberschrift der Ebene innerhalb des
Baumes entspricht. Die softwaregestützte Auswertung erlaubt die
Erstellung einer Baumstruktur, welche alle Strukturelemente eines
Paratextes enthält, die im Schritt „Zerlegung in Strukturelemente“
explizit als Überschrift
deklariert wurden. Somit entstehen bei einem Paratextvergleich zwei
Baumstrukturen, welche - analog zu einem Inhaltsverzeichnis - die
Überschriften des jeweiligen Textes hierarchisch abbilden. Diese
können genutzt werden, um die Gleichheit und Abbildbarkeit der
Kapitelgliederung von zwei Texten zu bestimmen. Es gibt verschiedene
Softwareprodukte, die einen Vergleich von Baumstrukturen erlauben. In
der vorliegenden Untersuchung wurde dazu die Software TreeJuxTaposer6
genutzt. Die Software visualisiert Übereinstimmungen und
Unterschiede zwischen zwei gegenübergestellten
Gliederungsstrukturen.
4 Ergebnisse
4.1 Darstellung
und Redundanz der Inhalte
Als
erstes soll auf die Frage eingegangen werden, wie sich die Inhalte
der Paratexte überschneiden. Bei den gegenübergestellten
Präsentationsfolien und den Handouts zeigt sich ein recht
einheitliches Bild. Bei der Auswertung, welche Strukturelemente in
dem jeweiligen Medium exklusiv vorhanden sind (ohne dass die darin
formulierten Inhalte in dem verglichenen Paratext redundant
wiederkehren) zeigt sich deutlich, dass die in diesem Korpus
vertretenen Präsentationsfolien inhaltlich deutlich umfangreicher
sind als die dazugehörigen Handouts. So sind M=21% (SD=12%) der
Strukturelemente in Präsentationsfolien exklusiv vorhanden, ohne ein
inhaltlich äquivalentes Gegenstück dazu im Handout zu besitzen.
Umgekehrt zeigt sich, dass nur M=5% (SD=6%) der Strukturelemente in
Handouts paratextexklusiven Inhalt vermitteln. Eine genauere
Betrachtung dieser Inhalte zeigt, dass auf den Präsentationsfolien
neben zusätzlichen inhaltlichen Ausführungen in Form von Listen und
Textelementen überproportional viele ikonische Strukturelemente
vertreten sind, die kein Äquivalent im Handout besitzen. Diese
Erkenntnis deckt sich mit der Feststellung von Pötzsch (2007: 86),
der computergestützten Präsentationsfolien eine „Omnipräsenz des
Ikonischen“ bezeugt und Bildern in PowerPoint eine besonders
zentrale Bedeutung beimisst. Die Strukturelemente, die exklusiv in
Handouts auftreten, sind hingegen vielfältiger und können in
unterschiedliche Gruppen gegliedert werden:
- Weiterführende Verweise zum Thema (Internetadressen, Institutionen, Literaturhinweise etc.)
- Andeutungen für Ergänzungsfelder (z.B. „Notizen:“)
- Arbeitsmaterial und Arbeitsanweisungen (z.B. „Lesen Sie folgenden Text:“)
- Erläuterungen zu Grafiken / Schemas / Diagrammen7
- Inhaltliche Ausführungen, wobei überproportional häufig ausformulierte Fließtexte in Form von Definitionen oder Zusammenfassungen beobachtet wurden
- Elemente zur Textstrukturierung und Gliederung
Daraus
kann geschlussfolgert werden, dass die hier untersuchten Handouts
vorrangig als inhaltliche Zusammenfassungen der Präsentationsfolien
angesehen werden können. Zusätzlich können Handouts für das
Auditorium hilfreiche Erweiterungen enthalten, die nicht unbedingt
inhaltsvermittelnder Natur sind (z.B. Ergänzungsfelder und
weiterführende Hinweise). Dies untermauert die Auffassung von Franck
& Stary (2006: 239), wonach das Handout zum Referatsservice
gehört und zur Unterstützung der Präsentation genutzt wird.
Als
nächstes sollen die paratextübergreifend in Beziehung stehenden
Strukturelemente näher beleuchtet werden, denn im Umkehrschluss
bestehen zwischen M=79% der Elemente auf Präsentationsfolien und
M=95% der Elemente auf Handouts untereinander thematische
Überschneidungen. Davon sind M=24% (SD=14%) dieser
paratextübergreifenden Kohäsionsbeziehungen zwischen
Strukturelementen mit der Klassifizierung Copy
& Paste ausgezeichnet
worden. Aus technischer Sicht ist diese Kategorie besonders
interessant, da solche Beziehungen ohne menschliches Eingreifen nach
dem Prinzip des Single-Source-Publishing
maschinell erstellt werden
könnten. Dem stehen allerdings die restlichen rund drei Viertel
der Kohäsionsbeziehungen
gegenüber, bei denen der Autor explizit unterschiedliche
Darstellungen für äquivalente Inhalte gewählt hat.
Wenn
bei der vergleichenden Paratextanalyse Speaker Notes involviert sind,
müssen die Ergebnisse weiter differenziert werden. Im Gegensatz zu
Präsentationsfolien und Handouts sind die Speaker Notes im Korpus in
ihrer Gestaltung sehr heterogen (vom kurzen Stichwortzettel bis hin
zum ausformulierten Redemanuskript), was allgemeine Aussagen
erschwert. Eine Unterscheidung in die einzelnen Untergruppen von
Speaker Notes (siehe Abschnitt 2.2) ist sinnvoll. Aufgrund der
geringen Stückzahl der jeweils vertretenen Paratexte in den
einzelnen Untergruppen sind aber nur tendenzielle Aussagen möglich.
Gemessen an der Zahl der paratextexklusiven Strukturelemente fällt
beim Vergleich der Informationsmenge zwischen Präsentationsfolien
und Speaker Notes Folgendes auf: Redemanuskripte und
stichpunktartige Ausarbeitungen besitzen mehr Inhalte als die
gegenübergestellten Präsentationsfolien, Stichwortsammlungen
dagegen deutlich weniger8.
Sehr auffällig ist auch, dass ikonische Darstellungen in
Präsentationen immer exklusiv erscheinen; im Korpus sind keine
Speaker Notes vertreten, die Bilder oder Grafiken enthalten. Es ist
zusätzlich zu bemerken, dass ikonische Foliendarstellungen verstärkt
inhaltliche Bezüge zu Strukturelementen in den Speaker Notes in Form
von Strukturänderungen
aufweisen, d.h. der Inhalt von diesen Grafiken oder Bildern wird
alternativ schriftlich ausgeführt.
4.2 Reihenfolge
der Inhalte
Auf
der strukturellen Ebene soll zunächst geklärt werden, inwieweit die
Darstellung der Inhalte zwischen den Paratexten in der gleichen
Reihenfolge geschieht und wo es Ausreißer
gibt. Bei den im Korpus analysierten Präsentationsfolien und
Handouts sind nur in M=2% (SD=3%) der dokumentierten
Kohäsionsbeziehungen Ausreißer
involviert. Das heißt, dass M=98% der redundanten Inhalte sowohl in
den Präsentationsfolien als auch in den Handouts in der gleichen
Reihenfolge erscheinen. Bei der Untersuchung, von welcher Art die
aufgespürten Ausreißer
sind, zeigen sich hauptsächlich zwei Gruppen. Dies sind zum einen
Verschiebungen von Strukturelementen mit weniger inhaltlichem
Charakter, wie beispielsweise Bilder oder Zitate, die eher schmückend
und nicht argumentativ eingesetzt sind. Diese Elemente sind nicht an
eine feste Reihenfolge gebunden und erfüllen somit ihre dekorative
Funktion an jeder Stelle unabhängig von ihrer Position im
Gesamttext. Zum anderen sind Ausreißer
verstärkt zu beobachten,
wenn sich im Handout Inhaltszusammenfassungen anstelle von einzelnen
ausführlicheren Foliendarstellungen befinden. Dieser Fall tritt ein,
wenn mehrere Folienelemente inhaltlich im Handout zu einem
Strukturelement zusammengefasst werden, diese Folienelemente aber
nicht direkt hintereinander folgen und zwischenstehende
Folienelemente zusätzlich in andere Kohäsionsbeziehungen involviert
sind. Dies hat zur Folge, dass die zwischenstehenden Folienelemente
nun in Bezug zu Strukturelementen vor oder nach dem zusammenfassenden
Handoutelement stehen und somit einen Gliederungswiderspruch bilden.
Noch
weniger Gliederungswidersprüche gibt es im Korpus beim Vergleich von
Präsentationsfolien und Speaker Notes, wobei weniger als ein Prozent
der Kohäsionsbeziehungen Ausreißer
enthalten und somit fast alle redundanten Inhalte in der gleichen
Reihenfolge erscheinen. Zwischen den wenigen Ausnahmen sind aufgrund
der geringen Anzahl keine weiteren Gemeinsamkeiten oder Unterschiede
feststellbar.
4.3 Hierarchische
Textgliederung
Nach
der Inhaltsreihenfolge soll im nächsten Punkt die explizite
hierarchische Gliederungsstruktur der Paratexte betrachtet werden.
Nahezu alle computergestützten Präsentationen enthalten auf der
zweiten Folie eine Gliederungsansicht, welche den Ablauf des
Vortrages zeigt. Diese Gliederungsfolie ist aber in den meisten
Präsentationen nicht gleichzeitig wie ein auf Präsentationsfolien
übertragenes herkömmliches Inhaltsverzeichnis anzusehen. Dies
begründet sich dadurch, dass die folgenden Folien mit ihren
Überschriften nicht unbedingt zur Vortragsgliederung kongruent sind.
Dies liegt hauptsächlich in der Beschaffenheit von
Präsentationsfolien und in den Abläufen gebräuchlicher
Präsentationsprogramme begründet. Da „die Gestaltung der Folien
bestimmten Verfestigungen und Konventionen unterliegt, die zum Teil
durch das Programm determiniert“ (Pötzsch 2007: 91) sind, hat fast
jede Folie einen immer gleich aufgeteilten Überschriften- und
Inhaltsbereich, der als zusammenhängende und in sich geschlossene
Themeneinheit erscheint. Da sich aufgrund der vorherrschenden
Beschränktheit der Gestaltungsfläche aber nicht jeder Gedankengang
auf genau einer Folie darstellen lässt, ist der Autor gezwungen,
komplexe Gedanken entweder sequenziell aufzuteilen oder die Inhalte
feiner zu strukturieren, um das Platzproblem mit Nutzung mehrerer
Folien zu umgehen (Lobin 2012: 63f). So konnte beobachtet werden,
dass viele Foliensätze auf mehreren aufeinander folgenden Folien die
gleiche Überschrift tragen, teilweise auch mit Nummern ergänzt, um
den Fortlauf anzudeuten (z.B. „Methoden 1/2" und „Methoden
2/2“). In manchen Foliensätzen wird dieses Problem gelöst, indem
eine zusätzliche Gliederungsebene eingeführt wird und so auf den
Folien neben der Hauptüberschrift noch eine Unterüberschrift
erscheint. Mitunter wird auf eine zusätzliche Gliederungsebene
verzichtet und die Unterüberschrift als Hauptüberschrift genutzt,
womit der Zusammenhang vom aktuell behandelten übergeordneten
Gedanken losgelöst wird. Solche Phänomene wurden bei einem Großteil
der Präsentationen im Korpus beobachtet, was in vielen Fällen dazu
führte, dass die Überschriften nicht direkt zu der Darstellung in
der Gliederungsfolie passten. Wenn die Folienüberschriften
zusätzlich auf Gliederungsnummern verzichten, wird die eindeutige
Einordnung der Inhalte weiter erschwert. Aufgrund dieser Probleme ist
nicht immer hundertprozentig erkennbar, auf welcher Gliederungsebene
die jeweiligen Folieninhalte in der Gesamtgliederung angesiedelt
sind.
Ein
anderes Bild zeigt sich bei den Handouts im Korpus. Sie sind so
gestaltet, dass sich alle Inhalte aufgrund von klar definierten
Überschriften und der Anordnung im Layout in eindeutige
hierarchische Strukturen einordnen lassen. Im parallelen Vergleich
mit den Präsentationsfolien können sogar einige Folien, bei denen
vorher eine hierarchische Einordnung allein im Foliensatz nicht
möglich war, implizit über paratextübergreifende
Kohäsionsbeziehungen besser in die Gesamtgliederung eingeordnet
werden. Wie bereits dargelegt wurde, besitzen etwa ein Fünftel der
Strukturelemente von Folien kein inhaltliches Äquivalent in den
Handouts. Dies spiegelt sich auch in den Gliederungen wider: M=29%
(SD=22%) der Überschriften auf Folien sind paratextexklusiv,
wohingegen nur M=3% (SD=7%) der Überschriften in Handouts allein
stehen. Das Fehlen einiger Überschriften im jeweils anderen Paratext
kann weitere Auswirkungen nach sich ziehen, wenn bei der
Durchnummerierung identische Überschriften trotzdem unterschiedliche
Gliederungsnummern tragen.
Aufgrund
der unterschiedlichen Ausprägungen der Speaker Notes lässt sich zu
diesem Punkt keine sinnvolle Aussage treffen, da im Korpus –
angefangen von einer nicht vorhandenen hierarchischen Gliederung
(Stichwortsammlungen sequenzieller Natur) bis hin zu sehr
detaillierten Gliederungsausprägungen – alle Zwischenstufen
beobachtet werden konnten.
5 Fazit
Die
vorliegende Untersuchung zeigt, dass die analysierten
Präsentationsfolien und Handouts sehr eindeutige Textkriterien
aufweisen. Speaker Notes hingegen sind sehr heterogen, was klare
Aussagen verhindert. Da Handouts und Speaker Notes bisher vorrangig
nur in Ratgeberliteratur und weniger in wissenschaftlichen
Publikationen betrachtet wurden, ist ein Abgleich der Ergebnisse nur
schwer möglich. Im Hinblick auf die Präsentationsfolien konnten
hingegen einige Thesen aus vorangegangenen empirischen und
theoretischen Studien bestätigt werden (z.B. die
Strukturdeterminiertheit und Bildlastigkeit von Präsentationsfolien).
Es
konnte zweifelsfrei festgestellt werden, dass die analysierten
schriftlichen Paratexte von Seminarvorträgen erhebliche Redundanzen
im Inhalt aufweisen. Ein maschineller Automatismus würde diese
unterschiedlichen Textausprägungen aber nur begrenzt herstellen
können, da lediglich rund ein Viertel aller inhaltlichen
Überschneidungen zwischen Folien und Handouts mit technischem
Kopieren realisiert werden können. Für die anderen
paratextübergreifenden Inhaltsbeziehungen wurden von den Autoren
explizit abweichende Darstellungen gewählt, um diese dem jeweiligen
Kommunikationskontext anzupassen. Zusätzlich existieren in den
jeweiligen Paratexten unterschiedlich viele zusätzliche Inhalte.
Darüber hinaus konnte nachgewiesen werden, dass sich die
Gliederungsstrukturen der Paratexte in der Abfolge der Inhalte bis
auf wenige Ausnahmen nicht widersprechen. Die Verdeutlichung der
hierarchischen Tiefengliederung der Texte ist in den Paratexten zwar
unterschiedlich stark ausgeprägt, aber abgesehen von formal
widersprüchlichen Faktoren (abweichende Gliederungsnummern), sind
die Gliederungsstrukturen paratextübergreifend inhaltlich konsistent
zueinander. Daraus kann abgeleitet werden, dass die Inhalte aller
Paratexte eines Vortrages in eine übergeordnete
paratextübergreifende Gesamtgliederung eingebettet werden könnten,
was als Ansatz für eine gemeinsame technische Verwaltung gesehen
werden kann.
Einschränkend muss nachdrücklich
darauf hingewiesen werden, dass diese Erkenntnisse auf dem
beschriebenen Korpus basieren. Die Auswahl ist weder in der Stückzahl
noch in der Auswahl an Hochschulseminaren repräsentativ. Obwohl bei
den hier betrachteten Vorträgen keine (für den
Untersuchungsschwerpunkt relevanten) gravierenden fachspezifischen
Abweichungen festgestellt werden konnten, ist es sehr realistisch,
dass andere Ausprägungen dieser Paratexte existieren, die nicht
vollkommen in das hier aufgezeigte Schema passen.
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____________
1 Die
im gleichen Werk geführte Diskussion, dass der PowerPoint-Paratext
unter Umständen auch als Zentraltext aufgefasst werden kann, wenn
Folie und mündlicher Text identisch sind, wird hier nicht weiter
verfolgt.
2 Abhängig
vom jeweiligen Fachgebiet und der hochschulspezifisch
vorherrschenden Vortragskultur können abweichende
Epitextausprägungen vorhanden sein. Repräsentative Studien dazu
sind aktuell nicht vorhanden.
3 Es
ist darauf hinzuweisen, dass PowerPoint hier nicht als Produktname
der Firma Microsoft benutzt wird, sondern analog zu anderen
Publikationen (z.B. Schnettler et al. 2007: 10) als Oberbegriff für
alle Programme, die für die Erstellung von Präsentationsfolien
eingesetzt werden können. Mitunter wird als Gattungsbegriff auch
Powerpoint mit einem kleinen zweiten p genutzt (also Powerpoint),
um den sich mit Schreibweise vom Namen des Microsoft-Produkts
PowerPoint abzugrenzen.
4 Der
vielleicht bekannteste Vertreter dieser Programme ist aktuell die
Online-Anwendung Prezi (http://prezi.com/).
5 In
Anlehnung an die statistische Bedeutung des Begriffs: „Bezeichnung
in der Statistik für einen Beobachtungswert, der scheinbar nicht zu
den übrigen Beobachtungswerten in der Stichprobe (Urliste) passt“
(Kamps 2013).
6 http://www.cs.ubc.ca/~tmm/papers/tj/;
24.12.2013.
7 Hier liegt die Vermutung nahe, dass zu ikonischen Darstellungen
zusätzliche erklärende und interpretierende Hinweise hinzugefügt
werden, um die Darstellungen im Handout selbsterklärend erscheinen
zu lassen. Dahingegen wird auf der Präsentationsfolie nur die
ikonische Darstellung genutzt, weil die erklärenden und
interpretierenden Ausführungen mit der mündlichen Rede des
Vortragenden geliefert werden. Da es keine Videoaufzeichnung der
Vorträge gab, ist dieser Zusammenhang aber nicht direkt
nachweisbar.
8 Ein
Folienvergleich mit Speaker Notes aus der Untergruppe der
annotierten Folienausschnitte entfällt, da ein Großteil der
Kohäsionsbeziehungen nur wenig aussagekräftige Selbstreferenzen
darstellen würde.