Wissenschaftlicher Sammelband, herausgegeben von Thomas Tinnefeld - unter Mitarbeit von Christoph Bürgel, Ines-Andrea Busch-Lauer, Frank Kostrzewa, Michael Langner, Heinz-Helmut Lüger, Dirk Siepmann. Saarbrücken: htw saar 2014. ISBN 978-3-942949-05-7.

Zur Didaktisierung kultureller Unterschiede in der Wirtschaftskommunikation - eine kontrastive Analyse  französischer und deutscher Hotelwebseiten


Nadine Rentel (Zwickau)



Abstract (Englisch)
In the context of the globalization of markets, companies must adapt their advertising strategies in order to react to the requirements of an internationalized reality, and to overcome cultural boundaries, fulfilling in this way their role as intercultural mediators. Students who want to work in the domain of intercultural business have to be prepared for intercultural differences on the level of communication. The present article aims at presenting a methodological model for working out differences between French and German hotel websites and explaining their existence, taking into consideration the historic background of the two cultures. Besides relevant methodological reflections, the most important results of the empirical analysis will be presented.
Key words: Hypertexts, communication on the Internet, intercultural communication, hotel websites


Abstract (Deutsch)
In Studiengängen, deren Ziel darin besteht, die Studierenden zu einem kulturell angemessenen sprachlichen Handeln zu befähigen, kann durch den Einsatz geeigneter Textsorten die interkulturelle Dimension von Kommunikationsprozessen in besonderer Weise thematisiert werden. In diesem Beitrag wird ein didaktisches Modell vorgestellt, mit dessen Hilfe deutsche und französische Webseiten aus der Tourismusbranche (Hotels) analysiert und bestehende Divergenzen vor dem Hintergrund ihrer historischen Herausbildung erklärt werden. Neben didaktischen Überlegungen werden ausgewählte Ergebnisse der empirischen Untersuchung dargestellt.
Stichwörter: Hypertextkommunikation, Internetkommunikation, Interkulturelle Kommunikation, Hotelwebseiten


1 Einleitung


Interkulturelle Kompetenz ist im Rahmen der zunehmenden Internationalisierung der Hochschulen zu einer Schlüsselkompetenz für Studierende unterschiedlicher Fachrichtungen geworden, da diese im Rahmen auslandsorientierter Studiengänge, international anerkannter Doppelabschlüsse oder durch den mit Hilfe von Stipendienprogrammen geförderten Aufenthalt an ausländischen Hochschulen mit fremdkulturellen Erfahrungen konfrontiert werden. Um die Entstehung und Verfestigung negativer Stereotype im Kontakt mit der fremden Kultur zu vermeiden, müssen die Studierenden in speziell zu diesem Zweck konzipierten Methodentrainings für kulturbedingte Unterschiede im Kommunikationsverhalten sowie für die Notwendigkeit sensibilisiert werden, eigenkulturelle Wertesysteme zu relativieren. In besonderem Maße trifft dies auf Studierende in wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen zu, da interkulturelle Konflikte im ge-schäftlichen Kontext weitreichende Folgen haben können, sowie auf Studierende der Sprach- und Kulturwissenschaften, die zu Mittlern bzw. Mediatoren zwischen den Kulturen ausgebildet werden. Das Bewusstsein für kulturelle Unterschiede zwischen Sprach- und Kulturräumen nimmt im Kontext der Globalisierung der Handelsbeziehun- gen einen ständig wachsenden Stellenwert ein. Eine Nichtbeachtung kulturbedingter Kommunikationsgewohnheiten des Gegenübers kann in der interkulturellen Kommunikation zu Missverständnissen bzw. zum Abbruch der Kommunikation führen (Lüsebrink 2008: 32). Im Kontext der unternehmensexternen Kommunikation steht neben dem Fortbestehen der Geschäftsbeziehung das Image des Unternehmens auf dem Spiel1. Aus diesem Grunde sollte, wie bereits erwähnt, die Vermittlung einer interkulturellen Kompetenz in einem modernen universitären (Fremdsprachen-)Unterricht zu einem möglichst frühen Zeitpunkt auf dem Lehrplan stehen. An der Westsächsischen Hochschule Zwickau2, an der das didaktische Konzept sowie das Lehrmaterial konzipiert und im Rahmen von Seminaren zum Wirtschaftsfranzösischen eingesetzt worden ist, besteht das Ziel der fremd- bzw. fachsprachlichen Ausbildung der Studierenden im Studiengang Languages and Business Administration mit dem Schwerpunkt Französischer Kulturraum darin, diese zu einem erfolgreichen - d.h. kulturell angemessenen - sprachlichen (und nicht-sprachlichen) Handeln im Kontext der interkulturellen, geschäftlichen Kommunikation zwischen Deutschen und Franzosen zu befähigen.

Um interkulturelles Lernen zu ermöglichen, wird in interkulturellen Trainingsseminaren häufig mit der Methode der Critical Incidents - kritischer Interaktionssituationen - gearbeitet. Neben dem Einsatz dieses äußerst effizienten Instruments, das insbesondere die handlungsorientierte Ebene anspricht, sollte nicht unberücksichtigt bleiben, dass Kultur an Sprache gebunden ist und sich Kulturelles auf der sprachlichen und textuellen Ebene manifestiert. Bei der Arbeit mit sprachlichem Material wird daher das Ziel verfolgt, kulturspezifische Textsortenkonventionen herauszuarbeiten und bestehende Divergenzen anhand der zugrunde liegenden Normen- und Wertesysteme zu erklären.

Die Wahl der Produktkategorie Reisen und der Textsorte Webseite ergibt sich aus der Annahme, dass die Tourismusbranche die kulturelle Dimension in besonderer Weise berührt. Im Gegensatz zu als culture-free bezeichneten Produkten wie Flugzeugen oder Elektronikerzeugnissen stehen culture-bound products wie Automobile, Nahrungsmittel oder Tourismusdienstleistungen in enger Wechselbeziehung mit kulturbedingten Präferenzen; in nicht seltenen Fällen spiegeln sie einen nationalen oder auch regionalen Lebensstil wider (Meffert & Bolz 1998: 113; Fuchs & Unger 2007: 631). Basierend auf einem Korpus von jeweils 20 französischen und deutschen Hotelwebseiten der Partnerstädte Lyon und Leipzig, sollten die Studierenden in einem ersten Schritt kulturspezifische Strukturierungsmuster und Inhaltskategorien, weiterhin die Versprachlichung zentraler Inhaltsbereiche herausarbeiten, die das Ziel haben, die Rezipienten von der Inanspruchnahme des Serviceangebots zu überzeugen.

In dem vorliegenden Beitrag wird ein auf der Niveaustufe B1 / B2 des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens (GeR) erprobtes Unterrichtsmodell vorgestellt, in dessen Kontext kulturspezifische Gestaltungsmuster der Startseiten von Hotels der mittleren Preiskategorie in den Partnerstädten Lyon und Leipzig miteinander verglichen werden. Größere, international operierende Hotelgruppen wurden aus der Analyse ausgeschlossen, da die Internetauftritte in vielen Fällen nur in englischer Sprache vorlagen. Die für die beiden Kulturräume jeweils 20 untersuchten Webseiten unterlagen nicht der Konventionalisierung hinsichtlich Form, Inhalt und Umfang von Buchungsportalen, sondern wurden von den Betreibern der Beherbergungsbetriebe individuell erstellt.

Zu Beginn des Beitrags werden die zu erreichenden Lernziele definiert, und es wird über die semiotische Komplexität von Hypertexten reflektiert, da die Berücksichtigung des Zusammenspiels sprachlicher und nicht-sprachlicher Inhalte grundlegend für eine adäquate Textanalyse ist (Rentel 2005). Die detaillierte Darstellung der Arbeitsergebnisse erlaubt einen unmittelbaren Einsatz des Materials im eigenen Fremdsprachenunterricht.

2 Die Lernziele

Übergeordnetes Lernziel der Seminare an der Westsächsischen Hochschule Zwickau ist es, die Interkulturelle Kompetenz der Studierenden, die auf dem Arbeitsmarkt, aber auch bereits im Studium (z.B. im Rahmen von Auslandspraktika und –semestern) als Schlüsselqualifikation gefordert wird (Bolten 2007), zu erweitern. Interkulturelle Kompetenz
[…] lässt sich als das Vermögen definieren, mit fremden Kulturen und ihren Angehörigen in adäquater, ihren Wertesystemen und Kommunikationsstilen angemessener Weise zu handeln, mit ihnen zu kommunizieren und sie zu verstehen. (Lüsebrink 2008: 9)
Aus dieser Definition von Interkultureller Kompetenz ergibt sich eine Binnendifferenzierung in die drei Dimensionen der Verhaltens-, der Kommunikations- und der Verstehenskompetenz (Lüsebrink 2008: 9). Im universitären Fremd- bzw. Fachsprachenunterricht liegt der Fokus auf den beiden letztgenannten Ebenen, wobei anhand geeigneter Übungsformen - z.B. durch die Arbeit mit Critical Incidents - auch die Dimension der Verhaltenskompetenz berücksichtigt werden sollte.

Im Kontext der Verstehenskompetenz wird besonderer Wert darauf gelegt, bei den Studierenden ein Bewusstsein für die Tatsache zu wecken, dass sich im Laufe der Jahrhunderte in Sprach- und Kulturräumen unterschiedliche Diskursnormen und Vertextungskonventionen herausgebildet haben. Die Kursteilnehmer sollen dafür sensibilisiert werden, dass die Diskursinhalte, die sprachliche und formale Gestaltung von Texten sowie deren Struktur an die Rezeptionsgewohnheiten der jeweiligen Zielkultur angepasst werden müssen, damit die Kommunikation im interkulturellen Kontext erfolgreich ist. Daher sollte am Beispiel von Hotelwebseiten gemeinsam mit den Studierenden erarbeitet werden, dass es bei der Konzeption von Hypertextkommunikaten im Kontext der Interkulturellen Kommunikation von entscheidender Bedeutung sein kann, sprachliche und bildliche Aussagen adaptiv umzusetzen, d.h. kulturraumspezifische Besonderheiten zu berücksichtigen. Wie bereits weiter oben dargelegt, kann ein Fehlschlagen der Kommunikation gerade im Bereich der externen Unternehmenskommunikation erhebliche wirtschaftliche Folgen haben und im Extremfall zu einem langfristigen Imageschaden eines Unternehmens führen.

Die Tragweite dieser Überlegung bzw. die Relevanz der Fragestellung wird den Studierenden zum Einstieg in etwas überzeichneter Form anhand einer fiktiven Werbekampagne für Erfrischungsgetränke deutlich gemacht.


Abb. 1: Fiktive Werbekampagne für Erfrischungsgetränke
(http://www.funzug.com/index.php/humor/know-your-customer-well-humor.html)
Die Studierenden sollten das aus drei visuellen Elementen bestehende Werbekommunikat beschreiben und die ihrer Meinung nach zentrale Werbebotschaft zusammenfassen. Hierzu wird zunächst angenommen, dass das Werbekommunikat in einer westeuropäischen Hauptstadt rezipiert wird. In der Regel verstehen die Teilnehmer die Bildfolge dahingehend, dass ein erschöpfter Mann auf einer Sanddüne in der Wüste liegt, das beworbene Erfrischungsgetränk konsumiert und anschließend wieder in körperlicher Bestform ist. Anschließend soll die Frage beantwortet werden, ob sich die zentrale Aussage ändert, wenn das Kommunikat in einer Stadt des Nahen Ostens platziert wird. Auf diese Weise wird den Studierenden bewusst, dass die Rezeptionsgewohnheiten einer Kulturgemeinschaft bei der Textproduktion beachtet werden müssen, denn in arabischsprachigen Ländern kehrt sich die Leserichtung im Vergleich zu den uns vertrauten europäischen Sprachen um, so dass die Werbebotschaft in das Gegenteil verkehrt wird.

In der interkulturellen Perspektive im Kontext der Analyse von Marketingkommunikation wird also davon ausgegangen, dass jede Form von Kommunikation kulturgebunden ist. Konkret geht es um die Frage, ob es möglich ist, ‚globale’ bzw. standardisierte Werbung zu betreiben, d.h. ein identisches Konzept in unterschiedlichen Kulturen zu verwenden, oder ob die Gestaltung kulturspezifischen Besonderheiten folgt. In diesem Rahmen wurden den Studierenden drei zentrale Marketingkonzepte vorgestellt. Während bei der Lokalisierungsstrategie durch eine häufig kostenintensive Adaptation von Inhalt und Form des Kommunikats eine gezielte Ansprache der Kunden gewährleistet ist, besteht der Grundsatz der Globalisierungsstrategie darin, in unterschiedlichen Kulturräumen eine einheitliche Werbebotschaft einzusetzen. Dadurch können Kostendegressionseffekte erzielt werden, jedoch besteht das nicht unerhebliche Risiko, dass der kommunikative Erfolg gemindert wird. Einen Kompromiss zwischen den beiden dargestellten Strategien stellt schließlich der Ansatz der Glokalisierung dar. Zentrale Elemente der Botschaft - z.B. die Kernaussage oder bildliche Elemente - werden an die jeweilige Zielkultur angepasst, wobei gleichzeitig ein gemeinsamer Rahmen beibehalten wird (zu den dargestellten Marketingkonzepten, Kotler & Bliemel 2001).

Neben der Herausbildung einer interkulturellen Kompetenz sollen die Studierenden wissenschaftliches Methodenwissen erwerben, was im konkreten Fall die Fähigkeit betrifft, deutsche und französische Hypertextkommunikate systematisch miteinander zu vergleichen und für den jeweiligen Kulturraum charakteristische Kommunikationstrategien herauszuarbeiten. Weiterhin sollen die Kursteilnehmer mit Fragen der empirischen Linguistik - z.B. Erstellung und Auswertung von Korpora, Aspekte der Repräsentativität - sowie mit den Grundlagen der Kritischen Diskursanalyse und der Kontrastiven Linguistik vertraut gemacht werden.

3 Didaktisches Modell


Anhand einer Beispielanalyse, in deren Rahmen die Studierenden in Form eines Brainstormings Unterschiede zwischen einer ausgewählten deutschen und französischen Hotelwebseite identifizieren und benennen sollten, wurde in der Lehrveranstaltung gemeinsam ein Analyseraster entwickelt, anhand dessen die deutschen und französischen Hypertexte systematisch analysiert und verglichen werden können. Im Vorfeld wurden, je nach Kenntnisstand der Teilnehmer, die Funktionen sowie die zentrale Terminologie hinsichtlich der relevanten Bestandteile eines Hypertextkommunikats geklärt. Als besondere Herausforderung bei der Analyse ergab sich die Komplexität bzw. Plurifunktionalität von Hypertextkommunikaten. Die Kursteilnehmer entwickelten die folgenden Fragestellungen: In welchen Teiltexten lassen sich die nationalen Kommunikationskulturen und Vertextungskonventionen identifizieren? Diese interlingualen Divergenzen können verbale und visuelle Bestandteile der Webseite (z.B. nationale Symbole und visuelle Kontexte, in die die Hotelbeschreibung eingebettet ist), Sprache-Bild-Bezüge, kulturraumbedingte Kommunikationsstile (z.B. Adressatenorientierung), oder Kommunikationsinhalte betreffen. Sollten Unterschiede zu identifizieren sein, so muss weiterhin untersucht werden, ob diese immer und ausschließlich für den deutschen bzw. französischen Kulturraum gelten oder ob es sich lediglich um Tendenzen handelt. In einem weiteren Schritt sollten die Studierenden versuchen, die von ihnen identifizierten Divergenzen vor dem Hintergrund deutscher und französischer Kulturstandards zu interpretieren, die vorher anhand der gängigen Modelle aus der Interkulturalitätsforschung erarbeitet werden. In diesem Kontext wird auf die Gefahr der Stereotypisierung hingewiesen, indem die eingeschränkte Repräsentativität der Ergebnisse kritisch reflektiert wird. Schließlich besitzt die Frage nach der praktischen Umsetzbarkeit der Ergebnisse der Studie Relevanz.

Das erarbeitete didaktische Modell lässt sich schematisch wie folgt darstellen:

1
Absichern, dass die Studierenden mit den Bestandteilen von Hypertextkommunikaten und der dazugehörigen Terminologie vertraut sind
2
Rezeption der deutschen und französischen Hotelwebseite
3
Klärung unbekannter Wörter und Strukturen in der Fremdsprache Französisch
4
Identifizierung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden in den beiden Sprachen: Erarbeitung in Kleingruppen
5
Sammlung der Ergebnisse im Plenum: Systematisierung der Ergebnisse und Erarbeitung eines Analyserasters, das eine systematische, vergleichende Analyse von Webseiten erlaubt:
  • Auf welchen Ebenen/ in welchen Teiltexten der Webseite manifestieren sich kulturspezifische Gestaltungsmerkmale?
  • Welche Kommunikationsinhalte, kulturraumbedingten Kommunikationsstile oder visuell-verbalen Gestaltungsmerkmale sind charakteristisch für den französischen bzw. den deutschen Kulturraum?
  • Lassen sich die identifizierten Unterschiede ausschließlich einem Kulturraum zuweisen?
  • Für welche Bereiche haben die Ergebnisse der Studie Relevanz?
  • Entwicklung von Erklärungsmodellen für die identifizierten Unterschiede (Kulturstandards)
Tab. 1: Didaktisches Modell

Das entwickelte Modell wird in der Folge auf sämtliche Beispielanalysen im Seminar angewendet.

4 Die semiotische Komplexität von Hypertexten


Für Hypertexte ist die Kombination mehrerer semiotischer Zeichencodes relevant - z.B. gesprochene und geschriebene Sprache, Mimik, Gestik, Stimmen und Musik -, wobei sich die verwendeten Zeichensysteme in einer engen formalen und inhaltlichen Interaktion befinden (Bucher 2007). Für eine adäquate Analyse muss die Dichotomie zwischen Sprache und Bild aufgehoben werden. Hypertexte - und somit auch die untersuchten Startseiten von Tourismusbetrieben - werden als multimediale bzw. multimodale Texte bezeichnet. Multimediale Texte sind Texte, in denen
verbale und nonverbale Zeichen sich gegenseitig ergänzen und wechselseitig determinieren können […] und in denen jedes Zeichensystem spezifisch an der Konstitution von Textbedeutung beteiligt ist und der verbale und der nonverbale Textteil erst durch den Gesamttext verständlich werden. (Spillner 1982: 84)
In dem gemeinsam mit den Studierenden entwickelten Analyseraster für den Textvergleich nimmt daher das Zusammenspiel zwischen verbalen und non-verbalen Elementen einen zentralen Stellenwert ein: Kulturspezifisches manifestiert sich auch - und insbesondere - in der Wahl von Bildelementen.

5 Beispielanalysen

Im Folgenden werden für das untersuchte Korpus kulturspezifische Unterschiede in der Inhaltsstruktur und der sprachlichen Gestaltung häufiger Inhaltskategorien auf den deutschen und französischen Hotelwebseiten herausgearbeitet. Die vorgestellten Ergebnisse beruhen dabei auf den Seminardiskussionen.


5.1 Der Inhalt der Webseiten

Die Analyse der lexikalisch-semantischen Struktur der Startseiten ist im Rahmen einer kulturkontrastiven Untersuchung von Relevanz, weil der Gebrauch lexikalischer Einheiten die Bedeutung widerspiegeln kann, die eine Kultur bestimmten Werten zuweist. Mit der Methode der Inhaltsanalyse wurde die Häufigkeit von Schlüsselwörtern ermittelt, die zu einer Kategorie gehören. Untersucht wurden die jeweils häufigsten Inhaltskategorien, die sich aus den Knoten der Startseite ergaben.


5.1.1 Die Familienorientiertheit französischer Webseiten

Die Analyse zeigt, dass französische Hotelwebseiten besonders familienfreundlich kommunizieren, wohingegen der Verweis auf Kinder, besondere Tarife für Familien oder Familienzimmer in den deutschen Belegen sehr selten bzw. überhaupt nicht auftritt. Die folgenden Belege illustrieren den Stellenwert, der der Familienfreundlichkeit auf den französischen Webseiten zugewiesen wird:
  1. Si vous voyagez avec des enfants, demandez nos tarifs famille. Parce que nous aimons les enfants!!! (L’Ermitage Hôtel, Lyon)
  2. Nous disposons également de chambres communicantes pour les familles. (Hôtel Elysée, Lyon)
  3. Nous aurons le plaisir à vous accueillir et à vous proposer nos chambres familiales. (Hôtel Bayard Bellecour, Lyon)
  4. Vos enfants sont les bienvenus! Une surprise les attend à leur arrivée! (Hôtel Central Lyon-Perrache, Lyon)
Als Erklärungsansatz für diesen Befund wurde im Seminar die unterschiedliche demographische Situation in Deutschland und Frankreich angeführt, die wiederum historisch begründet ist. Während der Durchschnitt in Frankreich bei 2,02 Kindern pro Frau liegt, beträgt dieser in Deutschland lediglich 1,3 Kinder pro Frau im gebärfähigen Alter (Langerock 2012). Einschlägige sozialwissenschaftliche und kulturvergleichende Studien zum Thema (European Values Survey 2001) konstatieren, dass sich der Stellenwert von Familie und Kindern sowie die Rolle der Frau in der Gesellschaft aus deutscher und französischer Sicht deutlich voneinander unterscheiden (Schultheiss 1998: 248). Der Anteil der arbeitenden Frauen mit Kindern in Frankreich ist aufgrund einer besseren Betreuungsinfrastruktur, die es Frauen ermöglicht, Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren, deutlich höher als in Deutschland. Zudem variiert die gesellschaftliche Akzeptanz, Kinder außerhalb des Elternhauses zu erziehen, zwischen den beiden Ländern: Während dies in Frankreich allgemein anerkannt ist, lastet in Deutschland der Erwartungsdruck auf den Familien bzw. den Frauen, die Kinder zu Hause zu erziehen. Schließlich fördern spezielle Steuerersparnisse für Familien in Frankreich die Mehrkindfamilie. Wenn Frauen in Deutschland hingegen vor die Wahl Kinder oder Karriere gestellt werden, resultiert dies nach Lüsebrink (2011: 76) häufig im Verzicht auf Kinder.


5.1.2 Die Essgewohnheiten: Frühstück im Zimmer

Ein weiterer Unterschied zwischen deutschen und französischen Hotelwebseiten betrifft die Beschreibung der Mahlzeiten, insbesondere das Frühstück. Auf den meisten französischen Startseiten stellen die Betreiber des Hotels heraus, dass das Frühstück auch auf dem Zimmer serviert werden kann, während in den deutschen Vergleichstexten die Zeit, die Zusammensetzung und die Art der ersten Mahlzeit des Tages beworben werden.
  1. Le petit-déjeuner continental vous est servi à partir de 7h […]. Nous vous l`apporterons au lit si vous le souhaitez, jusqu`à 12h pour un réveil en douceur! (Hôtel Dauphin, Lyon)
  2. Un petit-déjeuner vous est servi dans vos chambres. (Hôtel de la Marne, Lyon)
  3. Le petit-déjeuner-buffet avec vue sur le jardin, également servi en chambre. (Hôtel Berlioz, Lyon)
Während die Hauptmahlzeiten (Mittag- und Abendessen) in Frankreich wichtige soziale Funktionen (Pflege von Kontakten mit Kollegen und Freunden; Rahmen geschäftlicher Verhandlungen) innehaben, gilt dies in der Regel nicht für das Frühstück. Das Frühstück hingegen nimmt in der französischen Kultur einen vergleichsweise geringen Stellenwert ein und ist weitaus weniger umfangreich als in Deutschland. Das typische französische Frühstück ist also leicht vorzubereiten und auf dem Zimmer servierbar, wodurch den Gästen ein höherer Grad an Privatheit geboten wird. Deutsche Touristen legen in der Regel mehr Wert auf ein ausgewogenes, vollwertiges und gesundes Frühstück und erwarten diese Informationen (Zusammensetzung, Reichhaltigkeit, Zutaten) vermutlich auf der Webseite eines Hotels. Anders als im französischen Kulturraum wird das Frühstück als vollwertige Mahlzeit betrachtet, deren hohe Qualität für einen erfolgreichen Tagesbeginn unabdingbar ist. Allgemein sehen deutsche Konsumenten die Qualität der Mahlzeiten kritischer, wie aus einer Studie der Deutschen Gesellschaft für Konsumforschung aus dem Jahre 2004 hervorgeht (hierzu auch Gau 2007: 30). Unterschiede in den Essgewohnheiten sind somit in der Interkulturellen Kommunikation von großer Wichtigkeit und müssen in der kommerziellen Kommunikation angemessen berücksichtigt werden.


5.1.3 Traditionen, regionale Küche und kulturelles Erbe Frankreichs

Auf den untersuchten französischen Hotelwebseiten fallen die zahlreichen Verweise auf lokale Traditionen, die regionale Gastronomie sowie auf den Status der Altstadt von Lyon als UNESCO-Weltkulturerbe auf, während sich die Beschreibung Leipzigs als semantisch vage und unpräzise hervorhebt.
  1. A deux pas du Vieux Lyon et du quartier des antiquaires, venez flâner au cœur des rues piétonnes et ainsi découvrir au gré de votre promenade les musées ainsi que les ‚bouchons‘, irrésistible cuisine lyonnaise! (Hôtel Dauphin, Lyon)
  2. Laissez-vous tenter par les nombreux bouchons aux patrons pas si bougons. (Hôtel des Célestins, Lyon)
  3. A pied facilement vous admirerez traboules, murs peints et autres musées. (Hôtel Célestin, Lyon)
  4. Notre slogan: la gentillesse, le savoir-faire et le goût de la région (Hôtel de la Loire, Lyon)
  5. L’hôtel de la Marne, totalement rénové, se situe en plein cœur du centre-ville de Lyon dans une zone classée au patrimoine mondial de l’UNESCO. (Hôtel de la Marne, Lyon)
  6. L’hôtel Elysée est un ancien immeuble lyonnais du 19ème siècle entièrement rénové, plein de charme. Situé au cœur du patrimoine historique de Lyon […]. (Hôtel Elysée, Lyon)
  7. Lyon, cité artistique et culturelle, capitale de la gastronomie. (Hôtel Athéna Part-Dieu, Lyon)
  8. […] plongez dans le Vieux Lyon, quartier classé patrimoine historique par l’UNESCO […]. (Hôtel Bayar Bellecour, Lyon)
Die Informationen, die die Rezipienten über die Stadt Leipzig erhalten, sind im Vergleich zu den spezifischen Angaben zu Lyon relativ vage und allgemein gehalten. Diese sprachliche Vagheit erschwert es, ein lexikalisch-semantisches Feld bzw. einen Themenschwerpunkt zu identifizieren, der das Besondere an der Stadt Leipzig herausstellen könnte. Wenngleich die Stadt über eine bewegte Geschichte sowie über zahlreiche kulturelle Attraktionen verfügt, werden diese auf den untersuchten Hotelwebseiten nicht als Verkaufsargument herangezogen, wie die folgenden Beispiele illustrieren:
  1. Individuelle Betreuung und ursächsischer Charme der Besitzer kennzeichnen unseren Familienbetrieb. (Flair-Hotel Alt Connewitz, Leipzig)
  2. Leipzig hat für seine Besucher eine Menge zu bieten. (Hotel Adler Leipzig)
  3. Die verkehrsgünstige Lage unseres Hotels bietet Ihnen einen idealen Ausgangspunkt für jegliche Unternehmungen in und um Leipzig. Ihren ereignisreichen Tag können Sie […]. (Hotel Berlin Leipzig)
  4. Weitere Highlights der Stadt sind die zahlreichen Sehenswürdigkeiten.
Der starke Akzent der französischen Hotelwebseiten auf dem kulturellen Erbe, welcher sich auf den untersuchten deutschen Seiten nicht nachweisen lässt, kann durch unterschiedliche Auffassungen nationaler Identität in Frankreich und Deutschland erklärt werden. Das Verhältnis der Franzosen zur eigenen Geschichte ist - anders als in Deutschland, wo dieses aufgrund des Zweiten Weltkriegs problematischer ist - als ungebrochen zu charakterisieren. In der Folge haben die Franzosen ein weitgehend positives Selbstbild und zeigen ihren Nationalstolz in Alltagsphänomenen wie z.B. der Beflaggung öffentlicher Gebäude mit der Trikolore. Das nationale Kulturerbe (patrimoine national), das u.a. Gebäude, Kunstwerke, Bücher und die französische Sprache umfasst, spielt eine zentrale Rolle. Die Hervorhebung der kulturellen und gastronomischen Vorzüge Lyons auf den Startseiten der Hotels ist somit eine logische Konsequenz aus dem französischen Konzept nationaler Identität. In Deutschland hingegen ist es unüblich, Nationalstolz öffentlich zu manifestieren (Lüsebrink 2011: 126).


5.2 Die sprachliche Form der Webseiten

In den folgenden Abschnitten werden die Ergebnisse der sprachlich-kontrastiven Analyse der deutschen und französischen Hotelwebseiten diskutiert. Der Fokus liegt dabei auf der Adressatenorientierung, auf der Schaffung textueller Kohäsion sowie auf der Verwendung spezifischer stilistischer Strategien, mit deren Hilfe die Rezipienten der Webseiten von der Inanspruchnahme der Beherbergungsleistung überzeugt werden sollen.


5.2.1 Dialog mit dem Rezipienten

Die französischen Webseiten sind in besonderer Weise auf den Rezipienten hin orientiert. Dieser wird im Vergleich zu den deutschen Webseiten direkt mittels Imperativen, Personalpronomina und Possessiva adressiert und fühlt sich so in besonderer Weise angesprochen:
  1. A deux pas du Vieux Lyon et du quartier des antiquaires, venez flâner au cœur des rues piétonnes et ainsi découvrir au gré de votre promenade les musées ainsi que les bouchons‘, irrésistible cuisine lyonnaise! […] Si vous disposez d’un véhicule, réservez notre parking privé […]. Un accès wifi gratuit vous est également proposé. Succombez au charme du Dauphin, vous pouvez réserver votre chambre en ligne. Nous vous souhaitons une bonne visite! (Hôtel Dauphin, Lyon)
  2. Réservez votre place de parking et oubliez la voiture. D’un pas enjambez la Saône et plongez dans le Vieux Lyon […] et déambulez le long des rues piétonnes. (Hôtel Bayard Bellecour, Lyon)
Dieser hohe Grad von Adressatenorientiertheit scheint charakteristisch für die französische (Werbe)Kommunikation allgemein zu sein und ist somit nicht als textsortenimminent zu charakterisieren. Vielmehr ist hier von einem kulturspezifischen Kommunikationsstil auszugehen, der sich zumindest in der Marketingkommunikation häufig nachweisen lässt.


5.2.2 Textkohäsion durch anaphorische Bezüge

Die verbalen Texte auf den französischen Webseiten schaffen, anders als die deutschen Äquivalente, durch anaphorische Referenzen in Form von Possessivadjektiven, die auf das jeweilige Hotel Bezug nehmen, Kohäsion:
  1. Notre hôtel est situé […]. Son accueil chaleureux, […]. L’hôtel du Dauphin et ses chambres rénovées […]. (Hôtel Dauphin, Lyon)
  2. L’hôtel de la Loire est idéalement situé dans le centre-ville […]. Ses chambres spacieuses et insonorisées […]. (Hôtel de la Loire, Lyon)
  3. […] l’hôtel Central Lyon-Perrache, entièrement rénové, vous propose ses chambres […]. (Hôtel Central Lyon-Perrache, Lyon)
Die sprachliche Verbindung von Informationselementen im Text mittels Possessivadjektiven lässt sich im Französischen in weiteren Textsorten nachweisen und ist, ebenso wie die im vorherigen Abschnitt beschriebene Adressatenorientierung, nicht als Kriterium für die Hypertextsorte Hotelwebseite anzusehen. Insbesondere in deutsch-französischen Kontraststudien ist dieses Merkmal der Strukturierung französischer Texte bereits beschrieben worden (Spillner 1992: 42ff.).


5.2.3 Gebrauch des Futurs

Der Gebrauch des Futurs vermittelt dem Leser der französischen Hotelwebseiten den Eindruck, als stehe er bereits kurz davor, seinen Urlaub oder seinen Geschäftsaufenthalt in dem Hotel zu verbringen. Im deutschen Korpus findet sich hingegen kein Beleg für die Verwendung des Futurs in dieser Funktion. Da das Deutsche sehr wohl über dieses grammatische Tempus verfügt, handelt es sich um einen Unterschied auf der Ebene der Sprachnorm bzw. derjenigen der Sprachverwendung und nicht derjenigen des Sprachsystems:
  1. Vous apprécierez sa situation au cœur des activités de […]. (Hôtel Athena Part-Dieu, Lyon)
  2. Pour vos déplacements professionnels […] vous disposerez d’une literie de qualité […]. (Hôtel Central Lyon Perrache. Lyon)

5.2.4 Metaphern, Wortspiele und poetischer Sprachgebrauch

Die Verfasser der Texte der französischen Webseiten verwenden einen im Vergleich zum Deutschen elaborierten Stil mit Hypotaxen, Metaphern und Wortspielen. Das Hôtel des Célestins in Lyon beschreibt beispielsweise seine Leistungen in Gedichtform (Beispiel 29). Der im Seminar erarbeitete Erklärungsansatz stellt einen höheren Grad der Sprachbewusstheit in Frankreich ins Zentrum, der einhergeht mit einer höheren Bedeutung nationaler Literatur bzw. einem Kanon, der in der Schule vermittelt wird und als bekannt vorausgesetzt werden kann. Daraus kann eine größere Bedeutung der sprachlichen Form gegenüber der verstärkten Inhaltsorientiertheit in Deutschland resultieren. Der höhere Grad an Sprachbewusstsein in Frankreich sowie der Stellenwert der korrekten Beherrschung des Französischen im Bildungswesen spiegeln sich nicht nur in der öffentlichen Debatte, sondern auch in der Sprachpolitik und Sprachgesetzgebung wider. Zudem wird die Beherrschung des Französischen als Garant für kulturelle Werte angesehen (Lüsebrink 2011: 135f.)
  1. A découvrir as Saône as possible. (L’Ermitage Hôtel, Lyon)
  2. […] un îlot de calme arboré, à l’écart de la circulation, […] et jouissant d’une vue superbe sur le théâtre et la place des Célestins. (Hôtel du Théâtre, Lyon)
  3. Face au théâtre des Célestins
du soir au matin
Vous y dormirez bien
Car pour vous tous, nous sommes aux petits soins. […] (Hôtel des Célestins)
  1. Service en terrasse aux vues imprenables. Buvette ‚Le Tube‘, ouverte le week-end. (L’Ermitage Hôtel, Lyon)
  2. Garage privé payant – nous consulter pour les tarifs. (Hôtel Dauphin, Lyon)
Nicht unerwähnt bleiben soll aber, dass sich neben sprachlich sehr elaborierten Äußerungen elliptische Äußerungen (Beispiele 30 und 31) finden lassen. Dieser Befund macht deutlich, dass es problematisch ist, einem Kulturraum uneingeschränkt einen bestimmten Kommunikationsstil zuzuweisen.

6 Zentrale Ergebnisse der Arbeit im Seminar


Die Analyse von Hotelwebseiten aus Deutschland und Frankreich hat den Studierenden die Erkenntnis vermittelt, dass sich auch im Zeitalter der Globalisierung Kommunikationskonzepte nicht einfach von einer Ausgangs- auf eine Zielkultur übertragen lassen:
Hochentwickelte Transport- und Informationsnetze haben aus der Welt zwar ein global village gemacht, aber dennoch bleiben tiefe Differenzen. Nach wie vor bestimmen auch in der Europäischen Union kulturelle Traditionen und Bindungen, und damit Unterschiede zwischen den Mitgliedsstaaten, das alltägliche Leben und überwiegen gegenüber der ökonomisch-technischen Standardisierung. (Hahn 2000: 23)
Nicht nur wirkt sich die Globalisierung der Warenströme nicht automatisch vereinheitlichend auf die Konzeption von Kommunikationsstrategien aus, sondern die enge Kooperation zwischen den europäischen Mitgliedsstaaten führt im Gegenteil hin zu einer stärkeren Ausprägung nationaler Unterschiede (Relokalisierungstendenzen), denen in der Marketingkommunikation Rechnung getragen werden muss,
[d]enn der europäische Einigungsprozess hat gleichzeitig auch zu einer stärkeren Orientierung hin zu kulturellen, sprachlichen und nationalen Identitäten geführt. (Hahn 2000: 23).
Unterschiede zwischen deutschen und französischen Hotelwebseiten manifestieren sich sowohl auf der Inhaltsebene als auch bezüglich der Versprachlichung zentraler Inhaltskategorien. Hervorzuheben ist die Familienorientiertheit der französischen Seiten, die sich durch einen höheren Stellenwert von Kindern und Familie in der französischen Kultur als in Deutschland sowie daraus resultierenden demographischen Unterschieden zwischen beiden Ländern erklären lässt. Auffällig ist weiterhin die Hervorhebung des kulturellen Erbes und lokaler Werte auf den französischen Seiten, dem eher vage gehaltene Informationen auf den deutschen Pendants gegenüber stehen. Dies wurde in der Arbeit im Seminar durch Unterschiede hinsichtlich der nationalen Identität in Deutschland und Frankreich begründet, welche insbesondere das nationale Selbstbild und den Nationalstolz betrifft.

Hinsichtlich charakteristischer Versprachlichungsstrategien unterscheiden sich die deutschen und die französischen Hotelwebseiten bzw. die näher untersuchten zentralen Inhaltskategorien bezüglich anaphorischer Verweise, die auf den französischen Seiten Kohäsion schaffen, eines hohen Grades an Adressatenorientiertheit der französischen Texte sowie eines im Vergleich zum Deutschen elaborierten, literarischen Stils der französischen Webseiten. Diese sprachlichen Präferenzen lassen sich jedoch in weiteren Textsorten des Französischen beobachten und sind somit nicht als textsortenkonstituierend für die untersuchten Hotelwebseiten zu charakterisieren. Die Tendenz, die französischen Hotels anhand poetischer Sprache oder mittels Wortspielen zu bewerben, lässt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die höhere Sprachbewusstheit der französischen Gesellschaft zurückführen, die im Bildungssystem verankert ist und sich nicht nur in der Sprachgesetzgebung, sondern im öffentlichen Diskurs manifestiert.

In Hinblick auf kulturraumbedingte Kommunikationsstile, insbesondere die Adressatenorientierung betreffend, scheinen die Produzenten der französischen Webseiten insgesamt gesehen häufiger mittels Verbalformen / Imperativen oder Personal- und Possessivprononima die sprachliche Interaktion mit den Rezipienten zu suchen. Dieses Resultat deckt sich mit den Ergebnissen von Hahns Studie (Hahn 2000: 32), der dem deutschen Kommunikationsstil eine instrumentale Natur zuschreibt, wohingegen der französische Stil affektive Elemente hervorhebe und auf diese Weise versuche, die Kommunikation durch eine häufige Adressierung des Rezipienten zu personalisieren. An dieser Stelle sei jedoch darauf hingewiesen, dass generalisierende und pauschalisierende Aussagen mit kritischer Distanz zu bewerten sind. So geht Schroeder u.E. zu weit, wenn er für Deutschland und Frankreich von „völlig gegensätzliche[n] Kommunikationsstile[n]“ spricht (Schroeder 1994: 33). Die Analyse der Webseiten hat vielmehr deutlich gezeigt, dass es problematisch ist, bestimmte Kommunikationsstile in allen Fällen dem „deutschen“ bzw. dem „französischen“ Diskurs zuzuordnen. So treten auf den französischen Webseiten neben literarisch gestalteten Aussagen auch sehr kurze und sprachlich nüchtern gehaltene Verkaufsargumente auf. Allgemeingültige Regeln für die untersuchten Sprach- und Kulturräume lassen sich somit nicht aufstellen. Auf die Gefahr der Stereotypisierung wurden die Studierenden im Verlauf des Seminars mehrfach hingewiesen.

Am Ende des Seminars wurde im Plenum über die Anwendbarkeit der erarbeiteten Ergebnisse reflektiert. So wurde beispielsweise angeregt, dass eine kulturvergleichende Analyse von Hotelwebseiten für Kommunikationsagenturen hilfreich bei der Kommunikationsplanung sein und auf diese Weise einen Beitrag zur Textoptimierung leisten kann (Stöckl 2004). Kulturvergleichende Textanalysen können hierbei als Entscheidungsgrundlage für den geeigneten Kommunikationsstil dienen, um eine optimale Adressierung der Zielgruppe zu gewährleisten. Ebenso erscheint bei der Abwägung gestalterischer Alternativen im Rahmen der Produktion von Hypertexten der Rückgriff auf Forschungsergebnisse zur kontrastiven Hypertextanalyse sinnvoll.

7 Zusammenfassung und Ausblick

Das Lernziel, die Studierenden für kulturelle Unterschiede und divergierende Textsortenkonventionen in der Wirtschaftskommunikation zu sensibilisieren, konnte anhand der systematischen Analyse deutscher und französischer Hotelwebseiten erreicht werden. Zugleich konnten die Grenzen der Vorgehensweise im Seminar kritisch reflektiert werden. Aktuell wird das didaktische Modell in einem interkulturell ausgerichteten Seminar im Studiengang Language and Business Administration an der Westsächsischen Hochschule Zwickau weiter entwickelt. Die besondere Herausforderung in der Lehre besteht darin, ein didaktisches Konzept zu entwickeln, dass es den Studierenden, die Studienanteile in Betriebswirtschaft, Interkultureller Kommunikation und der französischen Wirtschaftsfachsprache zu bewältigen haben, erlaubt, auf möglichst interessante und authentische Art und Weise Kompetenzen für den kommunikativ angemessenen Umgang mit französischen Geschäftspartnern zu erwerben. In sämtlichen Seminaren müssen daher fremd- und fachsprachliche Inhalte mit Methoden der Interkulturalitätsforschung kombiniert werden. Gegenwärtig wird das Modell mit den Studierenden erprobt, die sich für eine Spezialisierung für den französischen Kulturraum entschieden haben; eine Übertragung auf die weiteren angebotenen Sprachen (Chinesisch und Spanisch) ist jedoch in der Planung.
Weiterhin ist vorgesehen, eine kulturvergleichende Untersuchung von Webseiten vorzunehmen, die unterschiedliche Produktkategorien bewerben, um festzustellen, ob es bestimmte Produktgruppen gibt, die besonders stark unter Berücksichtigung kulturspezifischer Besonderheiten beworben werden.

Bibliographie
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Die Frage, ob eine kulturspezifische Adaptation von Marketingkommunikaten notwendig ist, wird von Marketing- und Kommunikationsexperten teilweise kontrovers diskutiert. Auf der einen Seite wird argumentiert, dass die Globalisierung zur Herausbildung einer globalen Kultur führt - mit der Folge, dass kulturelle Divergenzen in einer homogenen Gesamtkultur aufgehen und sich dies auch in der Marketingkommunikation widerspiegelt. Auf der anderen Seite wird die Gefahr der Entstehung von Missverständnissen (bzw. der Ablehnung von Produkten und Dienstleistungen durch die Konsumenten) hervorgehoben, die aus der Nichtbeachtung kulturbedingter Rezeptionsgewohnheiten resultiert (Meffert & Bolz 1998).



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Im Studiengang Languages and Business Administration an der Westsächsischen Hochschule Zwickau werden betriebswirtschaftliche und fremd-/fachsprachliche Inhalte kombiniert, und ein weiterer Schwerpunkt wird auf den Bereich der Interkulturellen Kommunikation in Interaktionssituationen des Alltags und Berufs gelegt. In den Lehrveranstaltungen wird großer Wert darauf gelegt, die Fachsprachendidaktik mit der Vermittlung interkultureller Kompetenzen zu verbinden. Der vorliegende Beitrag fokussiert auf den französischen Sprach- und Kulturraum.