Wissenschaftlicher Sammelband, herausgegeben von Thomas Tinnefeld - unter Mitarbeit von Christoph Bürgel, Ines-Andrea Busch-Lauer, Frank Kostrzewa, Michael Langner, Heinz-Helmut Lüger, Dirk Siepmann. Saarbrücken: htw saar 2014. ISBN 978-3-942949-05-7.

Vom Nutzen der Wissensvermittlung im Bereich der Orthographie am Beispiel des Französischen

Isabelle Mordellet-Roggenbuck (Freiburg i. B.)



Abstract (Deutsch)
In diesem Beitrag geht es darum zu erörtern, inwiefern eine Auseinandersetzung mit dem orthographischen System des Französischen den Lerner dazu bringen kann, über die Sprache zu reflektieren und zu abstrahieren, d.h. sich ein grammatikalisches Bewusstsein anzueignen, das dem Lernprozess dienlich ist. Im ersten Teil wird gezeigt, worin die Komplexität und das Paradox der französischen Orthographie bestehen und inwiefern die Vermittlung von Kenntnissen im Bereich der Orthographie den Lernprozess in der französischen Sprache unterstützen kann. Danach wird das Modell der französischen Sprachwissenschaftlerin Nina Catach erläutert. Dieses Modell erlaubt es, die französische Orthographie linguistisch als ein strukturiertes Ganzes darzustellen, was für die späteren didaktischen Überlegungen von Vorteil ist.
Stichwörter: französische Orthographie, orthographische Kompetenz, Didaktik der Orthographie im Französischunterricht


Abstract (Français)
L’orthographe du français est souvent pour les apprenants, même avancés, un système complexe difficile à comprendre et à maîtriser. Partant de la thèse qu’une connaissance approfondie du système orthographique du français aidera l’apprenant à réfléchir et à assimiler le système grammatical du français, nous proposons de prendre l’orthographe comme objet d’enseignement-apprentissage dès le début du cours de français. Dans l’article suivant, nous montrerons d’abord en quoi l’orthographe française est complexe et pourquoi on peut même parler à son sujet de paradoxe. Dans un deuxième temps, nous présenterons le plurisystème de Nina Catach qui nous paraît adéquat pour expliquer le système complexe de l’orthographe pour finalement dégager des pistes didactiques.
Mots-clé: orthographe du français, compétence orthographique, didactique de l'orthographe
française


1 Einleitung

Die Divergenzen zwischen gesprochener und geschriebener Sprache sind in keiner romanischen Sprache so groß wie im Französischen, wie schon Söll (1985) in seinem Werk „Gesprochenes und geschriebenes Französisch“ gezeigt hat. Diese Diskrepanz zwischen code écrit und code parlé zeigt sich in evidenter Weise in der Orthographie. Es ist nicht zu leugnen, dass das komplexe System der französischen Orthographie viel Muße verlangt, um gelernt zu werden. Obwohl in der französischen Schule traditionell zahlreiche Unterrichtsstunden in die Erlernung der Orthographie investiert werden, verunsichert deren Komplexität bis ins Erwachsenenalter viele Muttersprachler, da sie das System nicht ganz durchschaut haben und sich diesem dementsprechend ausgeliefert fühlen. Die französische Orthographie wirkt schwerfällig und überfrachtet; der Anwender sieht sich mit vielen Ausnahmen konfrontiert, was auch beim kompetenten Muttersprachler regelmäßig für Verunsicherung sorgt. Eine Erklärung, warum die fran-zösische Orthographie so schwierig zu erlernen und anzuwenden ist, liegt z.T. in ihrem Paradox. Dieses Paradox der französischen Orthographie besteht darin, dass das komplexe System eigentlich eine Verständnishilfe für den Anwender (beim Lesen oder Schreiben) sein sollte. Was aber als Hilfe fungieren soll, macht gerade die Schwierigkeit des orthographischen Systems aus. Und doch, wenn man das System erkannt und verstanden hat, erweist es sich als hilfreich, um z. B. beim Lesen Bedeutungsunterschiede zu erkennen. Aus diesem Grunde sollte der Lerner über ein bestimmtes Fachwissen verfügen, um zur gewünschten Orthographiekompetenz zu gelangen.

Nun ist aus didaktischer Sicht die Frage zu stellen, warum es im Bereich der Orthographie einem Fremdsprachenlerner anders ergehen sollte als einem Muttersprachler. Wie sind zudem die Anforderungen bezüglich der orthographischen Kompetenz der Schülerinnen und Schüler zu verstehen, wie sie in den Bildungsplänen mit folgenden oder ähnlichen Formulierungen beschrieben sind:
Die Schülerinnen und Schüler können unter Anwendung der Rechtschreib- und Zeichensetzungsregeln der Zielsprache ausreichend korrekt und verständlich schreiben. (Kultusministerkonferenz 2003)
oder
Die Schülerinnen und Schüler können bei der eigenen Sprachproduktion orthografisch und grammatisch hinreichend korrekt schreiben (Bildungsplan Gymnasium Baden-Württemberg 2004).
Sollte vom Fremdsprachenlerner etwas verlangt werden, was die Muttersprachler selbst nicht bewerkstelligen? Natürlich nicht! Es liegt auf der Hand, dass Fremdsprachenlerner ebenfalls mit der Orthographie des Französischen Schwierigkeiten haben: Jeder Französischlehrer, jede Französischlehrerin, egal in welcher Schulform tätig, weiß über dieses Phänomen zu berichten. Dies ist aber noch lange kein Grund dafür, die Orthographie als deklarierten Lehr- und Lerngegenstand aus dem Französischunterricht zu entfernen. Ganz im Gegenteil: Je nach Lernstufe und Alter sollten spezifische Lehr- und Lernziele im fremdsprachlichen Französischunterricht festgelegt werden.

2 Die Komplexität der französischen Orthographie

2.1 Das Verhältnis zwischen gesprochenem und geschriebenem Französisch
Es ist bekannt, dass kaum ein französisches Grundschulkind in der Lage ist, eine Postkarte fehlerfrei zu schreiben. Folgende Originalschrift illustriert einige Schwierigkeiten, mit denen das Kind beim freien Schreiben konfrontiert ist. Das Material ist leider nicht datiert, vermutlich war das Kind sieben bis neun Jahre alt, als es den Brief geschrieben hat.
Beispiel: Petit Papa Noël
(Mordellet-Roggenbuck 2014)

Das Grundschulkind befindet sich in einer Phase, in der es die Rechtschreibung noch lernt. Einiges ist noch nicht ganz stabil, es ist aber kein Anfänger mehr, da mehrere Grundregeln offensichtlich schon beherrscht werden. Im zitiertenText - einem Brief an den Weihnachtsmann - werden pragmatische, semantische sowie morpho-syntaktische Elemente erkennbar, die angemessen eingesetzt wurden. Das Ziel des Briefes und die dementsprechend verwendeten sprachlichen Mittel beweisen das kommunikative Können des Kindes: Die Anrede, die klare Aussage des Betreffs mit einer festen Formel (Je vous écris ce petit mot) und die thematische Progression mit der Eingrenzung des Anliegens können in diesem Zusammenhang genannt werden. Die Struktur und der Inhalt des Briefes beweisen, dass das Kind die Kriterien der Kohärenz und der Kohäsion einhalten kann.
Es wird jedoch auch deutlich, dass die lautliche Seite der Sprache die Orthographie immer noch sehr beeinflusst. Liest man den Text laut, sind keine phonetischen Fehler hörbar. Der Übergang vom Sinn zur Graphie geht vielerorts immer noch über die Laute. In diesen Zeilen werden die Spannungen und Konflikte sichtbar, die zwischen den beiden codes entstehen. Anhand dieses Beispiels können drei Hauptbereiche benannt werden, deren Zusammenspiel die Komplexität der französischen Orthographie ausmacht.

a) Grammatische Schreibung
Probleme ergeben sich vor allem hinsichtlich der Schreibweise gleich lautender Wörter, der sogenannten Homophonie, die oft auf die grammatische Schreibung (orthographe grammaticale) - Börner bezeichnet sie als eine französische Spezialität (Börner 1977: 73) - zurückzuführen ist:
  • Unterscheidung der Modi: est und ait;
  • Schriftliche Pluralmarkierungen durch grammatische Morpheme, die nicht hörbar sind: mesurent – mesure; cheveux longs et blonds; aux sports d’hiver;
  • Unterschied zwischen participe passé und infinitif: allé – aller  (wobei pour vous demander korrekt geschrieben ist)


b) Regelmäßigkeit und Geltungsbereich einer Regel
  • Realisierung von [ã] als en oder an: *demender,*commender;
  • Realisierung von [vԑr] als ert oder er: vert,*hivert;
  • Realisierung von [l] mit -ll oder nur mit -l: ville,*toillette

c) Lexikalische Schreibung
Andere Beispiele sind für die lexikalische Schreibung (orthographe lexicale) charakteristisch, d.h. für die Erkennung von Differenzierungen, die lexikalische Einheiten betreffen. Im gewählten Beispiel sind mehrere gelungene Orthographien sichtbar:
  • Ce petit mot ce ≠ se, ceux ; mot ≠ maux
  • A peu près prêt

Diese Beispiele zeigen die Komplexität der französischen Orthographie. Sie zeigen vor allem, wie der Schreibnovize gleichsam zur Reflexion und Abstraktion gezwungen wird, wenn er keine Orthographiefehler machen will. Ferner zeigen die Beispiele, dass das, was mündlich klar verständlich ist, in der geschriebenen Sprache nicht in vollkommen identischer Form wiederzugeben ist. Wiederholungen der Pluralmarkierungen, die Markierung des Genus und die Auseinanderhaltung von Homophonen sind Zeichen der Grammatikalisierung der französischen Orthographie, die das französische Kind lernen muss. Hat das Kind ein grammatisches Bewusstsein entwickelt, wird die Orthographie allmählich durchsichtiger und als Hilfe für das Verständnis wahrgenommen und anerkannt. Was das Lesenlernen betrifft, werden die Informationen, die von den geschriebenen Formen getragen werden, erst verständlich, wenn ihre unterstützende Rolle bei der Differenzierung und Auseinanderhaltung wesentlicher Bedeutungsunterschiede und verschiedener grammatischer Kategorien bekannt ist und reflektiert wird. Was Klarheit verschaffen soll, führt bei vielen Lernern und Anwendern aber zuweilen zu Verwirrung.

In diesem Sachverhalt liegt das Paradox der französischen Orthographie: Einerseits hilft sie - wie wir soeben gesehen haben -, wichtige Bedeutungsunterschiede, syntaktische Bezüge und Wortfamilien zu erkennen. Andererseits wirkt sie ausgerechnet dadurch schwerfällig und redundant. Hinzu kommt, dass die französische Orthographie „ein historisch-etymologisches Wissen“ (Zollna 1999: 24) transportiert, was ihr von manchen Autoren die Bezeichnung „historisch überfrachtet“ (Zollna 1999: 24) eingebracht hat. Dies erhöht den Aufwand bei der Erlernung der Orthographie noch weiter.

Im Folgenden wird detaillierter auf die Unterschiede zwischen Graphie und Phonie eingegangen.

2.2 Die verschiedenen Arten der Schreibung
2.2.1 Lexikalische Schreibung (orthographe lexicale oder orthographe d’usage)
Die französische Sprache ist reich an Homophonen. Die Beziehungen zwischen Laut und Graphie sind mehrdimensional. Dem einfachen Laut stehen oft mehrere Grapheme gegenüber und dies sehr oft in einsilbigen Wörtern:
[vεr]  ver, vers, vert, verre, vair
[vɛ̃] vain, vin, vingt, vainc
Aus diesen Beispielen wird ersichtlich, dass die unterschiedlichen Schreibweisen eine Bedeutungsdifferenzierung erleichtern - eine Tatsache, die Blanche-Benveniste als „orthographe désambiguïsante“ (Blanche-Benveniste 1997: 13) bezeichnet. Die Differenzierung kann dabei durch „stumme“ Buchstaben oder durch die Setzung von Akzenten oder Apostrophen bewirkt werden:
On a – on n’a; ta – t’a; je les – je l’ai (Rolffs 1980: 319)
Im Alltag werden mehrdeutige Äußerungen, die aus dem Kontext nicht direkt verständlich sind, durch einfaches Nachfragen sofort eindeutig. Wenn jemand von seiner Lektüre während der Ferien erzählt und sagt: „J’ai lu un roman pendant les vacances, le titre est „un avion sans [zεl]“, ist es nicht abwegig nachzufragen, ob sans ailes oder sans elle gemeint ist1.

Auch durch liaison und élision wird oft die schriftliche Wiedergabe lexikalischer Einheiten erschwert, so auf der Ebene größerer syntaktischer Einheiten wie [dezεspwar]: désespoir oder des espoirs; [katrәsɑ̃zabri]: quatre sans-abris oder quatre cents abris2 (Mordellet-Roggenbuck 2010: 93). Dieser charakteristische Zug der französischen Sprache bewirkt, dass Franzosen Witze und Wortspiele besonders schätzen und praktizieren. Aus diesem Grund hat der Kalauer in Frankreich eine lange Tradition, die man z. B. als Leser des Canard enchaîné - einer satirischen Zeitung - jede Woche trainieren kann. Die lexikalische Orthographie bringt also eine Disambiguierung homophoner Wörter mit sich.

Neben der Homophonie bei Heterographie existieren - wesentlich seltenere - Fälle, bei denen Homophonie und Homographie zusammentreffen. Ein Beispiel ist son (‚der Ton’) und son (‚sein’ als Personalpronomen). Den umgekehrten Fall gibt es auch, aber noch seltener. Es handelt sich um Beispiele wie <les fils>, die zwar gleich geschrieben, aber unterschiedlich gesprochen werden.
Les fils [fil] vs. les fils [fis]
Typisch für das Französische sind Fälle von Homophonie bei unterschiedlicher Schreibung, wie im bereits erwähnten Beispiel vingt und vin.

2.2.2 Grammatische Schreibung
Gemäß Söll (1985: 89) zeigt sich
der Bruch zwischen code phonique und code graphique […] am auffälligsten im Bereich der Kennzeichnung von Numerus, Genus, Person usw. ( Söll 1085: 89)
Im Französischen wird in der Regel die Numerusmarkierung von den Determinanten, d. h. von den Artikeln und Pronomina getragen (Söll 1985: 102):
Normalfall : le (mon, ce) frère, les (mes, ces) frères  [ləfrεr] [lefrεr]
Ausnahmen: le (mon, ce) cheval, les (mes, ces) chevaux  [ləʃəval] [leʃəvo] oder [ləʃval] [levo]
Auch im größeren Kontext gilt die sogenannte präfigale orale Numerusmarkierung. Die graphische Numerusmarkierung erfolgt in der Regel durch -s oder –x:
Beispiele:
le frère heureux, les frères heureux, le beau camion, les beaux camions, le beau bijou, les beaux bijoux
Die Erklärung dafür, dass im Französischen der Artikelgebrauch wohl frequenter als in anderen Sprachen ist, soll im Verstummen der Konsonanten des französischen Wortauslautes im Laufe des Mittelalters liegen. Söll zitiert in diesem Zusammenhang Wandruska, der folgendermaßen den Gebrauch des Artikels im Französischen erläutert:
Als das -s des Plurals der Substantive verstummte, übernahmen die Artikel eine neue, zusätzliche differenzierende Funktion: le vin und les vins, du vin und des vins zu unterscheiden. Aus diesem Bedürfnis erklärt es sich, dass im Französischen die Artikel immer mehr grammatikalisiert, immer mehr schablonisiert wurden. (Söll 1985: 103)
Die Kennzeichnung von Genus und Numerus funktioniert beim Verb in ähnlicher Weise:
Beispiele (vgl. 2.1; Petit Papa Noël):
une poupée qui mesurent – la poupée mesure oder les poupées mesurent  [məzyr] ; je mesure, tu mesures, elle mesure, nous mesurons, vous mesurez, elles mesurent
Diese Beispiele zeigen außerdem, warum der Gebrauch der unbetonten Subjektpronomina zur Personmarkierung im Französischen unverzichtbar ist. Bedenkt man, dass im code parlé die nous-Form immer mehr durch die on-Form ersetzt wird, ergibt sich, dass die orale doppelte Markierung ein einziges Mal vorkommt. Im code graphique ist der Plural stets markiert und dies auch stets redundant.

Auch in den Bereichen Tempus und Modus sind im code phonique oftmals keine Unterschiede hörbar. Man vergleiche: manger, mangé, mangez!

Des Weiteren können auch ganze Einheiten homonym sein. Gak (1976: 284) nennt hierfür das Beispiel dur: als Adjektiv une pierre dure, als Adverb il travaille dur; als Substantiv c’est un dur.

Söll (1985: 90) spricht von Bereichen einer „ausschließlich geschriebenen Grammatik“, wenn die graphische Differenzierung an keiner Stelle des code phonique realisiert wird, wie z. B. sans frère / sans frères; sans enfant / sans enfants.

Die meisten Fälle der Homographie bei unterschiedlicher Aussprache kommen im Bereich der grammatischen Schreibung vor, was einen großen Teil der Komplexität der französischen Orthographie ausmacht:
Le vent est à l’est.
La fille est tranquille.

2.2.3 Geltungsbereich einer Regel
Eine weitere Schwierigkeit der französischen Orthographie ist der Geltungsbereich einer Regel. So können keine zuverlässigen Aussagen darüber gemacht werden, wann [ã] als en und wann als an realisiert wird, wann Homophone anders geschrieben und wann nicht, und warum [so] in der Schreibung als sot, saut, sceau differenziert wird, son (‚mein’, ‚Laut’, ‚Kleie’) hingegen nicht?

Als Fazit diese Kapitels gilt: Das Paradox der französischen Orthographie kann nicht gelöst werden, es kann nur erklärt werden. Es lohnt sich, Lehramtsstudierende jeder Schulstufe im Studium mit diesem Paradox in wissenschaftlicher Weise zu konfrontieren. Nur wenn sie selbst das komplexe System der französischen Orthographie durchschauen und fähig sind, es mit adäquaten sprachwissenschaftlichen Werkzeugen zu erläutern, werden sie als Lehrkräfte imstande sein, didaktisch-methodische Entscheidungen kompetent zu treffen. Die sprachwissenschaftliche Analyse der Orthographie macht eine Reflexion über den Gegenstand der Orthographie in seiner historischen Entwicklung, über die Beziehung zwischen gesprochener und geschriebener Sprache und über die Struktur der französischen Sprache sowie über den Stellenwert der Orthographie im schulischen und sozialen Leben notwendig.

Im folgenden Kapitel wird auf eine theoretische Konzeption der Orthographie aus linguistischer Perspektive eingegangen, die im Hinblick auf eine Didaktisierung für den Französischunterricht von Nutzen sein könnte.

3 Theoretische Konzeption der Orthographie aus linguistischer
Perspektive

3.1 Schriftsysteme
Im Allgemeinen können Schriftsysteme auf der Grundlage ihrer Relation zu verschiedenen sprachlichen Einheiten in verschiedene Grundtypen aufgeteilt werden. Demnach lassen sich logographische von phonographischen Schriftsystemen unterscheiden. Während logographische Schriftsysteme wie z. B. das Chinesische (pleremisch) an der Bedeutungsseite der Sprache orientiert sind, beziehen sich die Alphabetschriften lateinischer Ausprägung auf die Ausdrucksseite und sind daher eher als phonographisch (kenemisch) zu bezeichnen. Erstere, wie z. B. das Chinesische, beziehen sich auf Wörter oder Morpheme, während letztere eine Relation zu Silben, Lauten und Klassen von Lauten herstellen, wobei Schriftsysteme in der Regel nicht in Reinform vorkommen (Strobel-Köhl 1994: 6).

Die französische Orthographie - verstanden als die durch eine Norm festgelegten Schreibweisen - stellt ein tiefes Schriftsystem dar. Dies bedeutet, dass die phonologische und morphologische Ebene stark einbezogen wird3. Zu Beginn der Verschriftung im Mittelalter orientierte man sich noch weitgehend an der Lautung, das lateinische Alphabet stellte aber für einige Laute keine Buchstaben bereit und musste deshalb ergänzt werden. Ab dem 14. Jahrhundert begann man, die schriftliche Sprachform zu fixieren und zu reglementieren, während die Lautung sich veränderte. Mit der Gründung der Académie française begann die Phase der zentralistischen Sprachregelung, die bis heute noch andauert. Söll (1985) hat in seinem schon zitierten Werk gezeigt, wie sehr sich im Französischen das Mündliche und das Schriftliche voneinander unterscheiden. Die Sprachwissenschaft hat zum Verhältnis zwischen den beiden Systemen im Laufe der Zeit unterschiedliche Positionen eingenommen, die oft für den Stellenwert der Orthographie relevant waren und Anstöße zu Reformbestrebungen gaben.

Im Folgenden soll aus Platzmangel auf einen historischen Überblick verzichtet werden. Nina Catach (2001) hat die Geschichte der französische Orthographie jedoch sehr detailliert und fundiert geschildert. Auch finden sich in Elisabeth Rolffs (1981) sehr lesenswerte Kapitel über die sprachwissenschaftlichen Positionen, die im Hinblick auf die Behandlung und den Stellenwert der Orthographie von Bedeutung sind, und die die Priorität, die Abhängigkeit oder die Autonomie der gesprochenen und geschriebenen Sprache behandeln. Im folgenden Kapitel wird das Plurisystem der französischen Orthographie von Nina Catach dargestellt.

3.2 Das Plurisystem der französischen Orthographie: Das Modell von Nina Catach
Nina Catach definiert das Orthographiesystem des Französischen als komplexes System, das Phoneme, Morpheme und Lexeme beinhaltet, die in syntaktischen Kombinationen zusammenwirken. Die Silbe bildet dabei ein Zwischenstadium zwischen den Einheiten der ersten Artikulation (der Morpheme) und den Einheiten der zweiten Artikulation (der Phoneme). Das Orthographiesystem des Französischen besteht aus zwei Ebenen: Die erste Ebene bezieht sich auf die Phoneme, die sie wiedergeben soll. Die zweite Ebene gibt zusätzliche Informationen in größeren Einheiten und mit verschiedenen Werten wieder. So weist die Orthographie historische und etymologische Züge auf und differenziert Homonyme (s.o.). Die Grapheme zeichnen sich daher durch ihre mögliche Polyvalenz aus und können somit in Verbindung zu verschiedenen Subsystemen der Sprache stehen (Strobel-Köhl 1994: 12).

Catach unterscheidet drei Arten von Graphemen: die Phonogramme (phonogrammes), die Morphogramme (morphogrammes) und die Logogramme (logogrammes).
Le rôle du graphème est double: il est signifiant (forme écrite) renvoyant à un signifiant forme orale, (c’est un signifiant de signifiant, un cénème), ce qui est son rôle de base dans une écriture alphabétique. Il peut être en même temps ou séparément un signifiant de signifié, un plérème (Catach 1979: 26).
Die Anzahl der Grapheme ist aufgrund ihrer Mehrdeutigkeit natürlich höher als diejenige der Phoneme. Catach geht von der geschriebenen Form zur gesprochenen Form über. Nach Catach ergibt eine komplette Erfassung des Schriftsystems 133 Grapheme. Die hohe Zahl der Grapheme erklärt sich dadurch, dass in der Schreibung den Phonemen nicht nur die einfachen Buchstaben des lateinischen Alphabets, die oft mit diakritischen Zeichen versehen werden (cédille, accent aigu, accent grave, accent circonflexe), sondern auch Di- und Trigraphen aus Vokal- und oder Konsonantenbuchstaben (z.B. aim, yn, ym) entsprechen. Dank einer Filterung der Grapheme, die z. B. marginale Schreibungen, Fremdgrapheme wie die griechischen Buchstaben sowie Sonderfälle der Eigennamenschreibung ausklammert, lassen sich diese 133 Grapheme auf 70 reduzieren. Dann arbeitet Catach mit einer Reihe von Parametern wie z. B. der Frequenz, der Kohäsion und der Stabilität im Fall zusammengesetzter Grapheme, der Eindeutigkeit und Direktheit des Phonembezugs, und reduziert die Zahl der Grapheme von 70 auf 45 und letztendlich auf 33 (die sogenannten Archigrapheme). 80 % bis 85 % der Grapheme eines Textes beziehen sich auf die Lautebene der Sprache, so dass nach Catach die französische Orthographie im Wesentlichen phonologischer Natur ist (Catach 1986: 27). Das ganze System visualisiert Catach (1986) in Form folgender Tabelle:

Ebenen im gesprochenen Französisch
Bestandteile des geschriebenen Französischs
Hauptelemente im geschriebenen Französisch
Einheiten der ersten Artikulation (Morpheme)


Logogramme

Morphogramme
  • Radikale
  • grammatische Wörter (mots-outils)

  • Endungen
  • Flexion der Verbformen
  • Affixe
Einheiten der zweiten Artikulation (Phoneme)
Phonogramme
  • Vokalisch
  • Halbvokalisch
  • Konsonantisch
Tab. 1: Plurisystem der französischen Orthographie (Catach 1986: 22; Übersetzung I. M.-R.)
Die Phonogramme bezeichnen die Grapheme, die den Phonemen entsprechen. Auf dieser Ebene figuriert ein essentieller Kern, bestehend aus den Archigraphemen. Catach unterscheidet 33 Archigrapheme - dies entspricht ungefähr der Anzahl der Phoneme, die die Basis bilden, auf der sie ihre Regeln aufbaut. Dabei unterscheidet sie verschiedene variantes positionnelles. Diese sind die Formen und Werte, die die Archigrapheme in den verschiedenen Positionen einnehmen können, z. B. g[g] in gare oder [] in géo oder gu in gué. Das wesentliche Kriterium für die Bestimmung der Archigrapheme ist die Auftretenshäufigkeit.
Beispiel:
Das Phonem /o/ wird durch <o>, au, eau, ô, (u) (m) dargestellt. <o> ist mit einer Auftretenshäufigkeit von 75% Archigraphem. Für das Phonem [ε] finden sich zwei Grapheme: <è> und <ai>. Catach gibt die Zahl von 67,9% der Auftretenshäufigkeit für <è> bzw. <e> (Beispiel wie bec), <ai> findet sich nur in 30% der Fälle. Da [e] zu 99% mit <e> und <é> geschrieben wird, ist E Archigraphem.
Morphogramme sind Grapheme von Morphemen, d. h. Prä- und Suffixe sowie Flexionsendungen und erscheinen in der Graphie unabhängig von ihrer lautlichen Realisierung. Dabei werden lexikalische und grammatikalische Morphogramme unterschieden. Grammatikalische Morphogramme im Französischen sind z. B. <s> zur Kennzeichnung des Plurals oder <e> zur Genusmarkierung. Beispiele für lexikalische Morphogramme sind <p> in temps, temporel oder <t> in petit. Ihre Funktion ist die Etablierung einer Bindung zur Wortfamilie oder zur femininen Form.

Die Logogramme sind von der lexikalischen Einheit nicht zu trennen. Sie verleihen dem Wort eine spezifische Physiognomie, Catach (1986: 268) spricht von „image visuelle spécifique“ oder „figure de mot“:
Leur fonction est de donner une image spécifique à certains mots homophones, afin d’aider à la reconnaissance rapide de leur sens: ce sont des homophones-hétérographes. (Catach 1986: 268)
Diese Kategorie betrifft im Allgemeinen einsilbige Wörter. Beispiele sind: eau, haut, ou, où, août, vin oder auch vingt.

Nachdem wir das Plurisystem der französischen Orthographie aus der Sicht der Linguistik betrachtet haben, geht es nun darum, aus didaktischer Perspektive zu erörtern, welches Wissen den Schülerinnen und Schülern vermittelt werden sollte und über welche Fähigkeiten sie verfügen sollten.

4 Überlegungen für eine didaktische Umsetzung

4.1 Französisch als Erstsprache und als Fremdsprache
In der französischsprachigen Fachliteratur zur Vermittlung der französischen Orthographie für französischsprachige Lerner findet sich eine Reihe von Vorschlägen für Übungen oder Aufgaben, die von der Grundidee ausgehen, dass orthographische Fehler auf Seiten der Schülerinnen und Schüler als unausweichlich und sogar notwendig betrachtet werden. Brissaud & Cogis behaupten:
Répétons-le: on ne peut pas apprendre l’orthographe sans faire d’erreurs. Puisque l’erreur est inévitable, apprenons à travailler avec elle. (Brissaud & Cogis 2011: 50)
Im Einleitungskapitel ihres Buchs „Comment enseigner l’orthographe aujourd’hui“ begründen die beiden Autorinnen ihre Vorgehensweise wie folgt:
La finalité reconnue de l’orthographe la situe à présent nettement du côté de la production écrite. Il faut donc tenir les deux bouts : enseigner l’orthographe aujourd’hui, c’est transmettre des connaissances, mais aussi amener les élèves à mobiliser ces connaissances dans leurs écrits (Brissaud & Cogis 2011: 12).
Allerdings darf nicht vergessen werden, dass die zu vermittelnden Kompetenzen - und somit die Lernziele - im schulischen Kontext für Französisch als Erst- oder als Fremdsprache anders zu gestalten sind. Das französische Grundschuldkind verfügt bereits über die gesprochene Form der französischen Sprache, wie im Eingangsbeispiel zu sehen war. In diesem Fall zielt die Orthographievermittlung darauf ab, dem Kind die Korrespondenzen zwischen Phonemen, die es schon kennt, und Graphemen, die es allmählich entdeckt, beizubringen (approche phonologique). Dabei unterscheiden Brissaud & Cogis (2011: 12) in Anlehnung an den offiziellen französischen Lehrplan zwei sprachliche Bereiche – die lexikalische und die grammatikalische Orthographie –, die sie mit zwei Lernzielen verbinden. Das Grundschulkind sollte sich zuerst geschriebene Wörter und geläufige Ausdrücke einprägen und danach die unterschiedlichen Schriftweisen analysieren (Brissaud & Cogis 2011: 15).

Im fremdsprachlichen Anfangsunterricht - ob in der Grundschule oder auf der weiterführenden Schule - ist die Ausgangssituation eine andere. Der Lerner kennt nicht nur bereits das phonologische System seiner Erstsprache, sondern auch deren Schriftsystem (oder ist noch dabei, es zu lernen). Bei der Erlernung der fremdsprachlichen Orthographie werden demzufolge nicht nur reine orthographische Probleme auftreten (z.B. Fehler wie la *povreté), sondern auch Schwierigkeiten, die auf Interferenzen zwischen den beiden Sprachen – also durch die Übertragung von Regeln der Erstsprache auf die Fremdsprache - zurückzuführen sind. Nicht ausgesprochene Laute werden 

z. B. vom deutschen Lerner nicht geschrieben: groupe wird als group, salade wird als salat realisiert. Im letzten Fall kommt noch die Auslautverhärtung hinzu, die in der Graphie <t> resultiert. Typische Fehler betreffen die Morphogramme, die entweder falsch oder gar nicht realisiert werden.
Beispiele:
ça *serai bien, il y *avais, je *croix, *notre voitures
Auch die Orthographie von Lauten, die in der Erstsprache nicht existieren, wie z. B. [ɛ̃], muss ganz neu gelernt werden. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass orthographisches Wissen in der Fremdsprache den Schülerinnen und Schülern nicht nur beim Schreiben, sondern auch beim Leseverstehen und bei der Aussprache hilft. Die drei Fertigkeiten bedingen sich gegenseitig. Aus diesen Gründen können die didaktisch-methodischen Ansätze, wie sie in der französischen Schule praktiziert werden, nicht unmittelbar übernommen werden, auch wenn sie inspirierend wirken können.
Im nächsten Kapitel geht es darum, die spezifischen Kompetenzen einzugrenzen und der Frage nachzugehen, wie das ausgesuchte Wissen über die Orthographie vermittelt werden kann.

4.2 Kompetenzen
Im baden-württembergischen Bildungsplan für Gymnasien für das Fach Französisch (Erste und Zweite Fremdsprache) wird die orthographische Kompetenz im Kompetenzbereich „Kommunikative Fertigkeiten“ und „Beherrschung der sprachlichen Mittel“ erwähnt (s. nachstehende Übersicht). Die Progression sieht zuerst eine korrekte Wiedergabe von eingeübtem Material vor, bevor die eigene Sprachproduktion „hinreichend korrekt“ geschrieben wird:

Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg 2004: Bildungsplan Französisch Gymnasium (1. + 2. Fremdsprache)
Kompetenzbereich: Kommunikative Fertigkeiten (Schreiben)
6. Klasse (S. 130)
Die Schülerinnen und Schüler können
  • eingeübtes Sprachmaterial orthografisch und grammatisch hinreichend korrekt schreiben“
Phonologische Kompetenz (S. 131)
  • häufige Schrift- / Lautentsprechungen in unbekannten Wörtern silbenweise erkennen und somit auch einfache neue Wörter richtig aussprechen“
8. und 10. Klasse (S. 134, S. 138)
Die Schülerinnen und Schüler können
  • bei der eigenen Sprachproduktion orthografisch und grammatisch hinreichend korrekt schreiben“
Phonologische Kompetenz
  • Die Schülerinnen und Schüler haben ihre Aussprache so weit angepasst, dass im Allgemeinen keine Missverständnisse entstehen. Außerdem sind sie in der Lage, von der Schreibung eines Wortes in der Regel auf seine Aussprache zu schließen.“

4.3 Die Rolle des Vorwissens
Zu den didaktisch-methodischen Überlegungen, wie die erste Kompetenzstufe erreicht werden kann, ist die Rolle des Vorwissens der Schülerinnen und Schüler (SuS) einzubeziehen. Die SuS der 6. Klasse verfügen über ein Vorwissen auf dem Gebiet der Orthographie, das als Lernvoraussetzung zu berücksichtigen ist und aktiviert werden sollte, bevor mit der eigentlichen Arbeit mit der französischen Orthographie begonnen wird. Kraus & Stark (2006: 38ff) definieren sechs Dimensionen des Vorwissens, von denen im Folgenden vier übernommen werden sollen: Inhalt, Bewusstheit, Wissenschaftlichkeit und Umfang.
Inhalt:
  • Die SuS verfügen über ein domänenspezifisches deklaratives und prozedurales Wissen bezüglich der orthographischen Regeln in ihrer Erstsprache und eventuell in ihrer ersten Fremdsprache. Dieses Vorwissen ermöglicht ihnen, Hypothesen über weitere Schriftsysteme aufzustellen, die nicht immer richtig sind. Deutsche SuS schreiben z. B. regelmäßig exemple *example oder la politique *politic.

Bewusstheit:
  • Die SuS sind in der Lage, ihr Wissen über die Orthographie in der Erstsprache und, wenn vorhanden, in weiteren Sprachen explizit darzulegen. Hier sollte das Alter der SuS in Betracht gezogen werden. Es stellt sich die Frage, ob jüngere SuS ein bewussteres Wissen über die Orthographie besitzen als ältere. Auch die Frage der ersten Fremdsprache (meistens Englisch) sollte Einzug in die Reflexion finden (s. Inhalt).
Die SuS verfügen über ein implizites Wissen über die orthographischen Regeln, das automatisch und unbewusst aktiviert wird (in der Erstsprache und vielleicht schon in der 1. Fremdsprache) und aus diesem Grund schwerer zu verbalisieren ist.
Wissenschaftlichkeit:
  • Inwiefern ist das Vorwissen der SuS korrekt? Viele SuS wissen, dass im Französischen Vokale mit Akzenten versehen werden, kennen die Regeln aber nicht.
  • Inwiefern entspricht das Vorwissen der SuS Klischeevorstellungen oder gar Fehlkonzepten? Viele SuS kennen die Apostrophe nach dem <j>, verwenden das Zeichen aber falsch: *j’ai veux, j’udorange.
Umfang:
  • Größe der Wissensbasis

Wichtig ist, dass das Vorwissen im Klassenverband verbalisiert und auf seine Korrektheit hin überprüft wird.

4.4 Vorschläge für die Orthographievermittlung im fremdsprachlichen
Französischunterricht
Wie oben erwähnt, liefern die Bildungspläne Hinweise auf die Themen und Lernziele bezüglich der Orthographievermittlung. Bezug nehmend auf die Ausführung in Kap. 3 sei hier die folgende Herangehensweise im Anfangsunterricht vorgeschlagen:

Die Eingrenzung und Hierarchisierung der Teilkompetenzen (im Anfangsunterricht: Hören, Sprechen, Lesen, Schreiben) macht eine allmähliche Heranführung an die Orthographie - ausgehend von den Phonemen (API) hin zu den Phonogrammen - erforderlich. Der Umweg über die API-Zeichen ist insofern erfolgsversprechend, als die SuS so über die phonologische Repräsentation als Ausgangsbasis für die Verschriftlichung verfügen (Mordellet-Roggenbuck 2010). Die Herausbildung einer thematischen Präferenz unter Berücksichtigung der Schulart, des sprachlichen Niveaus und des Vorwissens der SuS liegt bei der Lehrkraft, die die relevanten Morphogramme und Logogramme auswählt. Ein Vergleich der Korrespondenzen zwischen Phonemen und Graphemen in den im Klassenverband vorhandenen Sprachen erlaubt es, das Vorwissen zu aktivieren und zu überprüfen (s. o. Bewusstheit und Wissenschaftlichkeit). Danach kann mit bekannten Verfahren gearbeitet werden wie z. B.:
  • Abschreiben von der Tafel, aus dem Lehrbuch (mechanische Imitation)
  • Versuche der eigenen schriftlichen Produktion nach bekannten Mustern (intelligente Imitation)
  • Analyse des Geschriebenen (individuelle und kollektive Analyse): Was ist richtig, was ist falsch?
  • Entwicklung eines Bewusstseins über die Orthographieregeln (Verbalisierung der Regeln, eventuell Verschriftlichung in der Erstsprache)
  • Identifizierung von Schwierigkeiten
  • Lernen, das Wichtigste vom Anekdotischen zu unterscheiden
  • Suchen von Lösungen in der Lerngruppe
Eine reflexive Herangehensweise wie die vorgeschlagene erhöht die Chance, dass am Ende der anberaumten Lernphase „die Schülerinnen und Schüler […] eingeübtes Sprachmaterial orthografisch und grammatisch hinreichend korrekt schreiben“ können und über eine ausgebaute „phonologische Kompetenz“ verfügen (Baden-Württemberg: Bildungsplan Französisch Gymnasium: 130f).

Bibliographie
Blanche-Benveniste, Claire (1997). Approches de la langue parlée en français. Paris: Ophrys.
Börner, Wolfgang (1977). Die französische Orthographie. Tübingen: Niemeyer.
Brissaud, Catherine & Danièle Cogis (2011). Comment enseigner l’orthographe aujourd’hui ? Paris: Hatier.
Catach, Nina (1979). Le graphème. In: Pratiques 25 (1979), 21-32.
Catach, Nina (1986). L'orthographe française. Traité théorique et pratique. Paris: Nathan.
Catach, Nina (2001). Histoire de l'orthographe française. Paris: Champion.
Gak, Vladimir Grigor (1976). L’orthographe française: essai de description théorique et pratique. Paris: SELAF.
Krause, Ulrike-Marie & Robin Stark (2006). „Vorwissen aktivieren“. In: Mandl, Heinz & Helmut Felix Friedrich (Hrsg.) (2006): Handbuch Lernstrategien. Göttingen: Hogrefe, 38-49.
Kultusministerkonferenz (2004). Beschlüsse der Kultusministerkonferenz. Bildungsstandards für die erste Fremdsprache (Englisch/Französisch) für den mittleren Schulabschluss. Darmstadt: Kluwer.
(http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2003/2003_12_04-BS-erste-Fremdsprache.pdf; 02.02.2014).
Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg (Hrsg.) (2004). Bildungsplan Gymnasium. Stuttgart.
(http://www.bildung-staerkt-menschen.de/service/downloads/ Bildungsplaene/ Gymnasium/ Gymnasium_Bildungsplan_Gesamt.pdf; 2.02.2014).
Mordellet-Roggenbuck, Isabelle (²2010). Phonétique du français. Théorie et applications didactiques. Landau: Verlag Empirische Pädagogik.
Rolffs, Elisabeth (1981). Die Orthographie als Gegenstand der modernen Sprachwissenschaft. Mit besonderer Berücksichtigung der französischen Sprache. Münster: Univ., Diss. 1980.
Söll, Ludwig (³1985). Gesprochenes und Geschriebenes Französisch. Berlin: Schmidt.
Strobel-Köhl, Michaela (1994). Die Diskussion um die „ideale“ Orthographie. Das Beispiel der Kreolsprachen auf französischer Basis in der Karibik und des Französischen im 16. und 20. Jahrhundert. Tübingen: Narr.
Zollna, Isabel (1999). Gesprochenes und geschriebenes Französisch. Studienbrief Sprachwissenschaft Französisch. Fernstudium Fremdsprachen in Grund- und Hauptschulen.
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1 Es handelt sich um „Un avion sans elle“ von Michel Bussi (2012).

2 Eine Hütte oder ein Unterschlupf für Obdachlose.


3 Oder, wie Strobel-Köhl es ausdrückt:

         Ein flaches Schriftsystem ist an der lautlichen Oberfläche orientiert, ein Schriftsystem gilt als umso tiefer, je stärker es die phonologische und morphologische Ebene einbezieht (Strobel-Köhl 1994: 7).
   Nach Strobel-Köhl (1994: 7) handelt es sich um folgende Erscheinungen, die in einzelnen Schriftsystemen wie dem Französischen mehr oder weniger stark vertreten sind:
  • Spatien, Groß- und Kleinschreibung, Interpunktion;
  • Streben nach einheitlicher Schreibung grammatischer und lexikalischer Paradigmen unabhängig von der jeweiligen lautlichen Realisierung;
  • Homonymendifferenzierung.