Wissenschaftlicher Sammelband, herausgegeben von Thomas Tinnefeld - unter Mitarbeit von Christoph Bürgel, Ines-Andrea Busch-Lauer, Frank Kostrzewa, Michael Langner, Heinz-Helmut Lüger, Dirk Siepmann. Saarbrücken: htw saar 2014. ISBN 978-3-942949-05-7.
Recht- oder Schlechtschreibung? -Die Orthografie im Kontext des fachfremdsprachlichen Deutschunterrichts an italienischen Hochschulen

Katrin Ziegler (Macerata, Italien)



Abstract (English)
Nowadays, the most important prerequisite for Italian university graduates who study German as a foreign language and will enter the economic sector and the sector of tourism, is their ability to write German texts in conformity with the linguistic norm. Nevertheless, in Italy, orthography only plays a marginal role in German lessons, which has a negative effect on the acquisition of writing skills. Based on a corpus of texts written by Italian native speakers, a detailed error analysis will be presented. Special emphasis will be placed on the question of whether there are striking accumulations of errors in certain domains, and, if so, whether these errors relate to lapses in performance or competence. In addition, the article examines potential strategies which can be used in the practical teaching of German so as to initiate an error therapy for learners.
Keywords: Orthography, learning to write processes, German as a foreign language, error
analysis


Abstract (Deutsch)
Das normkonforme Schreiben in der Fremdsprache Deutsch ist für italienische Hochschulabsolventen mittlerweile oft eine wichtige Voraussetzung, um einen beruflichen Einstieg in den Tourismus- und Wirtschaftssektor ihres Landes zu finden. Trotzdem kommt der Orthografie nur eine marginale Rolle im italienischen DaF-Unterricht zu, was häufig zu entsprechend negativen Konsequenzen im (fach)fremdsprachlichen Schrifterwerb führt. Auf der Grundlage eines Textkorpus schriftlicher Arbeiten italienischer Muttersprachler wird im Beitrag eine genaue Fehlerdiagnostik vorgestellt, die aus den Beobachtungen von Schreiblernprozessen bei fortgeschrittenen Lernern an der Universität resultiert. Dabei wird besonders der Frage nachgegangen, ob es eventuell zu auffälligen Häufungen in einer bestimmten Fehlerkategorie kommt, auf welche Ursachen dies zurückzuführen ist, und ob konkrete Handlungsanleitungen existieren, mit deren Hilfe in der Unterrichtspraxis eine Fehlertherapie bei den Lernern eingeleitet werden könnte.
Stichwörter: Orthografieschwäche, Schreiblernprozesse, DaF, Fehlerdiagnostik, Handlungs-anleitungen


1 Einleitung

In dem vorliegenden Beitrag beschäftigen wir uns mit dem fachfremdsprachlichen Schrifterwerb im Rahmen des universitären Deutschunterrichts (DaF) in Italien. Dabei wird auf der Grundlage eines Textkorpus schriftlicher Arbeiten von italienischen Muttersprachlern zunächst eine exakte Fehlerdiagnostik vorgestellt, die aus den Beobachtungen von Schreiblernprozessen bei fortgeschrittenen Hochschulstudenten resultiert. Die Laut-Buchstaben-Relationen aus dem Italienischen sind bei erwachsenen Lernern bereits fest verankert und übertragen sich zusammen mit Interferenzen auf allen Ebe-nen des Schreibprozesses auf die Fremdsprache Deutsch, was die Fehlereinordnung oftmals komplex und vielschichtig werden lässt (Hans-Bianchi 2008: 26). Insbesondere wird der Frage nachgegangen, ob es gegebenenfalls in einer bestimmten Fehlerkate- gorie zu auffälligen Häufungen kommt und auf welche Ursachen – im Performanz- oder im Kompetenzbereich – dies zurückzuführen ist. In Ergänzung zu einer Untersuchung dieser Thematiken soll im Beitrag außerdem skizziert werden, an welchen Punkten in der Unterrichtspraxis angesetzt werden könnte, um mit konkreten Handlungsanleitungen eine Fehlertherapie bei den Lernern einzuleiten.

2 Rahmenbedingungen des fachsprachlichen Deutschunterrichts

2.1 Institutionelle Rahmenbedingungen an der Università degli studi di Mace-rata
Im Rahmen des Bachelor- und Masterstudiengangs Mediazione linguistica (Sprach-mittlung) an der Università degli studi di Macerata (Italien) mit derzeit etwa 800 immatrikulierten Studierenden liegt im zweiten Studienjahr im Fach Deutsche Sprache und Sprachwissenschaft der Unterrichtsschwerpunkt auf der Tourismussprache und der Übersetzung touristischer Textsorten vom Italienischen ins Deutsche. Das Aufbauseminar besteht aus zwei Modulen zu je 30 Unterrichtsstunden und fokussiert in der ersten Unterrichtsphase die Analyse formaler, stilistischer und lexikalischer Besonderheiten der wichtigsten touristischen Textsorten, wie Prospekte, Flyer, Kataloge und Reiseführer. Im Folgemodul wird eine Einführung in das funktionale Übersetzen ausgewählter touristischer Texte vom Italienischen ins Deutsche gegeben.

2.2 Die Rolle der Orthografie für den (Fach)Fremdsprachenunterricht
Obwohl dem schriftsprachlichen Handeln in unserer komplexen Wissenswelt eine überaus große Bedeutung zukommt, wird das normkonforme Schreiben unter dem Aspekt des DaF-Erwerbs relativ stiefmütterlich behandelt. Darauf machten auch Gallmann & Sitta aufmerksam, als sie vor rund 20 Jahren feststellten, dass „Fragen der deutschen Rechtschreibung nicht den ersten Rang in der Problemliste des Fachs Deutsch als Fremdsprache halten“ (Gallmann & Sitta 1992: 72).1

An dieser Situation hat sich, zumindest im italienischen DaF-Unterricht, bis heute wenig geändert. Dies verwundert nicht, wenn man bedenkt, dass im kommunikativen Fremdsprachenunterricht der Fokus in erster Linie auf die Vermittlung der Funktion von Sprache – dem Mitteilungswert – gerichtet ist. Dabei werden jedoch die Formen von Sprache häufig zu marginalen Randerscheinungen, der formal korrekte Sprachgebrauch wird ins Abseits gedrängt. Eine nicht selten falsch verstandene Fehlertoleranz vonseiten der Lehrenden trägt ebenfalls dazu bei, dass bei Lernern oftmals eine gewisse Orientierungslosigkeit in Bezug auf die richtige Schreibung herrscht. Doch die gute Beherrschung der deutschen Sprache ist nicht nur im mündlichen, sondern auch im schriftlichen Sprachgebrauch mittlerweile häufig die Voraussetzung für eine erfolgreiche Bewerbung um begehrte Stellen im italienischen Tourismus- und Wirtschaftssektor. Auch für die Fremdsprache gilt, dass man ihre Orthografie soweit beherrschen sollte, dass man nicht auffällig wird, oder, um es mit den Worten von Horst Sitta zu sagen: „Rechtschreibung ist nicht so wichtig, aber man muss sie können (Sitta 2007: 56).“ Gerade im fachfremdsprachlichen Deutschunterricht ist es also von besonderer Bedeutung, das Augenmerk auch auf einen korrekten Orthografieerwerb zu richten.2

2.3 Dominant phonographisch vs. dominant logografisch: Spezifika der italienischen und der deutschen Orthografie
Alphabetschriften folgen bestimmten Prinzipien, die eine willkürliche Schreibung von vornherein verhindern. Eines dieser Prinzipien, gewissermaßen das Kernprinzip, ist, dass die Laute der gesprochenen Sprache und die Buchstaben der geschriebenen Sprache systematisch aufeinander beziehbar sein müssen (Sitta 2007: 46ff). Das italienische Schriftsystem folgt dem sogenannten Lautprinzip: „Schreibe, wie du sprichst“, relativ konsequent und wird deshalb als „phonologisch flach“ definiert, weil der Lautbezug, auch als Phonographie bezeichnet, vorherrschend ist (Eisenberg 1995: 625). Die vergleichsweise ausgewogene Korrelation zwischen den vorhandenen (25) Phonemen und (33) Graphemen ist ein weiteres Indiz dafür, dass die italienische Orthografie wesentlich regelmäßiger ist als die deutsche. Des Weiteren gehört das Italienische - sprachtypologisch betrachtet - zu den sogenannten silbenzählenden Sprachen, was bedeutet, dass die Betonungsintervalle zwischen den einzelnen Silben verschieden lang sind und bezüglich des Sprachrhythmus deshalb sowohl Trochäus- als auch Jambusformen anzutreffen sind3. Auf ihrer Strukturebene enden die Silben im Italienischen meist mit einem einfachen Reim, der nur einen Vokal und keinen Konsonanten aufweist. Diese Silben werden auch als ‚offen’ bezeichnet.

Im Deutschen dagegen spielt das Prinzip der sogenannten Morphemkonstanz – „Schreibe Gleiches möglichst gleich“, eine ungleich wichtigere Rolle als im Italienischen. Die deutsche Sprache tendiert dazu, die graphische Einheitlichkeit eines Morphems zu bewahren, auch wenn es unterschiedliche lautliche Realisierungen - Allomorphe - gibt. Der Bedeutungsbezug, auch Logografie, ist im deutschen Schriftsystem im Vergleich zum Italienischen dominant, weshalb man auch vom Deutschen aus typologischer Sicht als „phonologisch tief“ spricht (Eisenberg 1995: 620). Auch hier ist das Verhältnis der unregelmäßigen Korrelation zwischen (40) Phonemen und (26) Graphemen ein Zeichen dafür, dass die deutsche Orthographie dem Lautprinzip sehr viel unbeständiger folgt, als dies im Italienischen geschieht4. Sprachtypologisch gehört das Deutsche zu den akzentzählenden Sprachen, d.  h. dass die Betonungsintervalle zwischen den einzelnen Silben gleich lang sind (Bußmann 2002: 63). Für die Struktur deutscher Wörter gilt, dass ihre Silben überwiegend ‚geschlossen’ sind, also mit Konsonanten am jeweiligen Endrand, und der Sprachrhythmus sich vorwiegend aus der Abfolge einer betonten und einer oder mehreren unbetonter Silben ergibt.

3 Empirische Fehleranalyse

3.1 Ausgangsbeobachtung: „Ein unglaubliches Schriftbild, von Rechtschrei-bung oder Interpunktion ganz zu schweigen“5
Es lässt sich beobachten, dass es vielen Studierenden im Deutschen offenbar immer mehr Schwierigkeiten bereitet, den (manuell ausgeführten) Schreibvorgang einer visuellen und autoperzeptiven Kontrolle zu unterziehen. Im Regelfall werden mittlerweile Schriftbilder präsentiert, die sich nur mit Mühe entziffern lassen. Im Zusammenhang damit steht eine augenfällige Zunahme von Orthografiefehlern – vor allem in einer bestimmten Fehlerkategorie – in den deutschen Textproduktionen Studierender im vorletzten Studienjahr vor dem Bachelorabschluss.

Die Rede ist hier von Verwechslungen, Vertauschungen und Auslassungen auf Buchstaben- und Silbenebene, insbesondere im Konsonantenbereich, die etwa aus dem Wort Bedeutung das Gebilde *Betung entstehen lassen, geschützt zu *geschϋnst transformieren oder gar gleich in mehreren Fällen aus einem Teilnehmer einen *Geilnehmer machen6. Diese Fehler steigern sich teilweise derart, dass es zu sogenannten Wortruinen kommt, wie bei dem Pronomen ‚ihm‘, welches einfach zu ‚m‘ verkürzt wird. In der Literatur werden diese Fehler oftmals als Verschreiber, sogenannte slips of the pen, bezeichnet7, deren Ursache eben hauptsächlich in der bereits erwähnten mangelnden Kontrolle des Schreibvorgangs vonseiten der Lerner gesehen wird8. Falls dem tatsächlich so wäre, hätte man es hier mit einem Performanzproblem zu tun, dem man möglicherweise mit einer entsprechenden Schreibschulung (im Sinne der Ausbildung bzw. Wiedererlangung einer manuellen Fertigkeit) und Übungen zur Erhöhung der (Schreib-)Konzentration begegnen könnte. Die Vorkommenshäufigkeit dieser Fehlerart lässt jedoch eher darauf schließen, dass es sich nicht um sporadische Verschreiber handelt, also letztlich um Flüchtigkeitsfehler, sondern um eine lückenhafte Rechtschreibung, die vom realen Kompetenzniveau der Lerner abhängig ist.

3.2 Fehlerkorpus: Fragestellung und Methode
Aus den in Abschnitt 5.1 geschilderten Ausgangsbeobachtungen ergeben sich folgende Fragestellungen, denen empirisch nachgegangen werden soll:
  • Welche Rechtschreibfehler werden von den Lernern am häufigsten gemacht und wo liegen die Ursachen?
  • Wie viele Fehler fallen quantitativ in die Kategorie Verwechslungen, Vertauschungen und Auslassungen auf Buchstaben- und Silbenebene, insbesondere im Konsonantenbereich und wo liegen die Ursachen hierfür? Sind diese Fehler performanz- oder kompetenzabhängig?

In Ergänzung zu einer Analyse dieser Fragen soll in dem vorliegenden Beitrag außerdem skizziert werden, wo in der Unterrichtspraxis angesetzt werden könnte, um mit konkreten Handlungsanleitungen eine Fehlertherapie bei den Lernern einzuleiten.

Basis der Untersuchung ist ein von der Autorin erstelltes Fehlerkorpus aus dem Studienjahr 2012 / 2013, welches sich aus 82 frei verfassten schriftlichen Arbeiten (Seminarprüfungen, Übungsaufgaben) zusammensetzt. Es handelt sich um Textanalysen und Übersetzungen, die die Studierenden im Laufe eines Studienjahres eingereicht haben9. Die Lernergruppe bestand aus 25 Teilnehmern und Teilnehmerinnen und war bezüglich ihres Lernniveaus (A2 / B1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (GER)), ihres Alters (19 bis 22 Jahre) sowie ihrer Muttersprache homogen.

3.3 Fehlerkorpus
Im Folgenden soll zunächst auf die grundlegenden Daten des Korpus eingegangen werden:
  • 25 Studierende, Niveau A2 / B1 (GER), L1 Italienisch
  • 82 schriftliche Arbeiten (Seminarprüfungen, Übungsaufgaben)
  • Korpus: ~ 61.500 Wörter
  • Referenzgröße: Fehler pro 10.000 Wörter


Fehleranzahl
pro Kategorie insgesamt
im Korpus auf
~ 1300 Fehlerstellen
~Fehleranzahl
pro Arbeit
Fehler auf der Satzebene
Interpunktion:
~ 228
~ 3 Fehler
pro Arbeit
  • Es gibt nämlich… → Nämlich, es gibt …,
  • Aus diesem Grund schreibt der Verfasser → Aus diesem Grund, der Verfasser schreibt…
  • Es gibt viele Aktivitäten, die man… → Es gibt viele Aktivitäten die man…


Fehler auf der Wortebene
Interferenzen aus dem Englischen:
~ 132
~ 2 Fehler pro Arbeit
  • Programm → Program
  • Schiff → Shiff
  • Autor → Author
  • Reproduktion → Reproduction
  • Und → and


Groß- und Kleinschreibung:
~ 54
~ jede 2. Arbeit
1 Fehler
  • Lokalität → lokalität
  • am meisten → am Meisten
  • das Beste → das beste


Getrennt- und Zusammenschreibung:
~ 42
~ jede 2. Arbeit 1 Fehler
  • Großbritannien → Groß Britannien
  • Touristenhotels → Touristen Hotels
  • Ratgeberliteratur → Ratgeber Litera
    ture


Fehler bei den Phonem-Graphem-Beziehungen innerhalb des Wortstamms
Umlautbezeichnung fehlt oder falsch
hinzugefügt:
~180
~ 2 - 3 Fehler pro Arbeit
  1. überhaupt → uberhaupt
  2. notwendig → nötwendig
  3. Möglichkeit → Moglichkeit
  4. schon → schön


Falsche Auslautverhärtungen:
~ 73
~ 1 Fehler
pro Arbeit
  1. Ort → Ord
  2. Unterschied → Unterschiet
  3. ob → op
  4. befand → befant
  5. Ratgeber → Radgeber


Fehler bei <f>, <w>, <v>, <ph>:
~ 47
~ jede 2. Arbeit
1 Fehler
  1. verspätet → ferspatet
  2. Wohnort → Vohnort
  3. vital → wital
  4. Emphase → Emfase
  5. Metapher → Metaver
  6. Fremdenverkehr → Fremdferkehr


Fehler bei <sch> und <sp>:
~34
~ jede 3. Arbeit
1 Fehler
  1. Schmuck → Smuck
  2. spielt → schpielt
  3. schon → shon
  4. Kutsche → Kutche


Vokalzeichen fehlt, hinzugefügt, vertauscht:
~ 67
~ 1 Fehler
pro Arbeit
  1. auch → ach
  2. im → m
  3. Sehnsucht → Sehenssucht
  4. Spaziergang → Spazieregang
  5. geführt → geföhrt
  6. Denkmäler → Dänkmeler
  7. wohlfühlen → wohlfilen


Falsche Diphthonge:
~ 17
~ jede 5. Arbeit
1 Fehler
  1. europäisch → europeisch
  2. Gebäude → Geboide
  3. Meile → Maile


Länge des Vokals/ Dehnung
1. Längenmarkierung bei <i:> fehlt oder falsch:
~ 29
~ jede 3. Arbeit
1 Fehler
  1. Bedienung → Bedinung
  2. spielt → spilt
  3. konstruiert → konstruirt
  4. Liste → Lieste


2. Längenmarkierung bei <h> fehlt oder falsch:
~ 50
~ jede 2. Arbeit
1 Fehler
  1. Jahre → Jare
  2. wohlfühlen → wolfühlen
  3. Küste → Kühste
  4. nämlich → nähmlich


3. Konsonantenverdopplung falsch:
~ 33
~ jede 3. Arbeit
1 Fehler
  1. betont → betonnt
  2. rhetorisch → rettorisch


Kürze des Vokals/ Schärfung
Konsonantenverdopplung fehlt:
~ 42
~ jede 2. Arbeit
1 Fehler
  1. Flagge → Flage
  2. kennen → kenen
  3. paddeln → padeln


Konsonantenzeichen fehlt, hinzugefügt, vertauscht:
~ 168
~ 2 Fehler
pro Arbeit
  1. Abendessen → Abenessen
  2. Sehnsucht → Sehsucht
  3. erfüllt → erfüllgt
  4. stehen → stehnen
  5. Teilnehmer → Geilnehmer
  6. Empfang → Entfang
  7. Ausbildung → Ausfildung
  8. Zutaten → Zutagen
  9. Jahrhundert → Jharhundert


Kumulative Fehler auf Silbenebene:
~ 97
~ 1 Fehler pro Arbeit
  1. Bedeutung → Betung
  2. geschützt → geschünst
  3. Substantivstil → Substil
  4. Vergnügungen → Vergnügungenen
  5. Fremdenverkehr → Fremdeferker


Fehler GESAMT: ~ 15 Fehler pro Arbeit (~ 600 Wörter)
Tab. 1: Fehlerkorpus

3.4 Fehlerevaluation
3.4.1 Die häufigsten Rechtschreibfehler und ihre Ursachen
Was zunächst die Fehleranzahl auf Satzebene betrifft, ist die Fehlerhäufung im Bereich der Interpunktion nicht verwunderlich: Die Interpunktionsregeln im Deutschen sind stark grammatikalisiert und basieren deshalb mehr auf syntaktischen als auf prosodisch-intonatorischen Grundlagen. Dies wird vor allem bei der Kommasetzung offensichtlich. Ein spezielles Problem stellt u.  a. die interpunktorische Abtrennung adverbialer Bestimmungen dar, die im Italienischen üblich, aber im Deutschen nicht vorgesehen ist, wie sich aus dem Beispiel *aus diesem Grund, der Verfasser schreibt ergibt.

Auf der Wortebene hingegen fallen vor allem die Interferenzen aus dem Englischen ins Auge. Englisch wird häufig als erste Sprache gelernt und beeinflusst den Lernprozess im Deutschen nicht unwesentlich. Da sich viele Wörter im Englischen und Deutschen vom Schriftbild her ähnlich sind, kann es leicht vorkommen, dass Lerner den deutschen Autor zu einem *Author werden lassen oder anstelle der Konjunktion und ein *and schreiben.

Im Vergleich dazu haben die Fehler, die im Bereich der Groß- und Kleinschreibung sowie bei der Getrennt- und Zusammenschreibung auftreten, eine relativ geringe Bedeutung. Bei der Groß- und Kleinschreibung stellt die Substantivgroßschreibung, die eine Besonderheit der deutschen Orthografie darstellt und welche es im Italienischen nicht gibt, für Lerner die vergleichsweise größten Schwierigkeiten dar. Hier herrscht also ein bestimmtes grammatisches Prinzip, welches der Lerner kennen muss10. Auch in der Getrennt- und Zusammenschreibung gelten bestimmte grammatische Prinzipien, die bekannt sein sollten, will man ein Wort richtig schreiben. Die orthografische Grundregel besagt, dass man im Deutschen Wortgruppen getrennt schreibt und Zusammensetzungen zusammenschreibt. Dies ist sicherlich eine sehr klare Regel - nur wann handelt es sich um eine Zusammensetzung und wann um eine Wortgruppe? Erst eine grammatische Analyse kann dem Lerner darüber Aufschluss geben, aber dazu ist es notwendig, mit der Grammatik vertraut zu sein, um die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Anderenfalls wird aus einer Ratgeberliteratur leicht eine *Ratgeber literature, wobei sich in diesem Fall zusätzlich eine Interferenz aus dem Englischen eingeschlichen hat.
Auch die sogenannte Auslautverhärtung auf der Ebene von Graphem und Phonem ist ein gutes Beispiel dafür, dass die Lerner bestimmte spezifische morpho-phonetische Kenntnisse des Deutschen haben sollten. So müssen sie die kontextabhängige Neutralisation der phonologischen Opposition zwischen stimmhaften und stimmlosen Verschluss- und Reibelauten kennen, wenn ein Wort wie Unterschied nicht zum *Unterschiet geraten soll.

Auf der Phonem-Graphem-Ebene fällt die hohe Fehlerzahl im Bereich der Umlautbezeichnungen auf. Die Ursachen, warum z.  B. *Moglichkeit anstatt Möglichkeit geschrieben wird, liegen dabei auf der Hand: Das Phoneminventar des (Standard-) Italienischen besitzt keine gerundeten Vorderzungenvokale. Deshalb bereitet es den Lernern zum Beispiel Probleme, auf der lautlichen Ebene zwischen einem <o> und einem <ö> zu unterscheiden, und es kommt deshalb hier sehr häufig zu Aussprache- und Schreibungsfehlern.11

Vergleichsweise unterrepräsentiert hingegen sind diejenigen Fehler, die die labiodentalen Frikative <f> und <v> betreffen. Hier liegen die Ursachen für eine falsche Schreibung in der fehlerhaften Zuordnung von Phonem-Graphem-Korrespondenzen: Während im Deutschen der stimmlose labiodentale Frikativ /f/ wie in Vogel oder Affe oder Photo mit drei verschiedenen Graphemen bzw. einer Graphemkombination wiedergegeben werden kann, gibt es im Italienischen nur die Grapheme <f> für die stimmlose Variante des labiodentalen Frikativs wie im Wort finestra und <v>für die stimmhafte Variante wie in vino. Das Graphem <w> findet man im Italienischen nur in Entlehnungen aus anderen Sprachen, vorzugsweise dem Englischen, wobei auch die Aussprache einem Halbvokal entspricht. Vor der italienischen Phonem-Graphem-Korrespondenz sind also Schreibweisen wie *Vohnort oder *Ferkehr nachvollziehbar, da die Lerner hier von falschen Analogien zwischen ihrer Muttersprache und dem Deutschen ausgehen.

Auch Probleme bei <sch> und <sp>, die allerdings im Gesamtfehlerbild kaum ins Gewicht fallen, gehören zum Bereich der Phonem-Graphem-Korrespondenzen und falscher Analogiebildung zum Italienischen. So gibt der Trigraph <sch> einerseits einen Zischlaut /ʃ/ wieder wie in dem Wort Schmuck, wird aber andererseits im Anlaut bei <p> und <t> nicht realisiert, das heißt, dass zum Beispiel spielen nur mit einem <s> geschrieben wird. Auch die Kombination von Trigraph und Konsonant im Inlaut wie in dem Wort Kutsche, die einem stimmlosen postalveolaren Affrikaten entspricht, ist für italienische Lerner nicht unproblematisch. Zwar gibt es auch im Italienischen diesen Laut, aber er wird mit dem einfachen Graphem <c> wiedergegeben, wie zum Beispiel in cena oder acido.

Fehlende, vertauschte oder falsch hinzugefügte Vokalzeichen hingegen lassen sich fast immer damit erklären, dass es, wie schon bei den Umlauten erwähnt, im (Standard-)Italienischen keine gerundeten Vorderzungenvokale gibt. Entweder wird dann lautlich beispielsweise zwischen einem <u> und einem <ϋ> nicht unterschieden, oder aber es wird ein in der Nähe gebildeter Vokal ersatzweise realisiert, wie aus dem Fehler *wohlfilen hervorgeht. Auch die Hinzufügung von sogenannten Sprossvokalen, wie im Beispiel *Spazier(e)gang, sind häufig zu finden: Sie dienen dazu, die Konsonantenhäufungen an den Silbenrändern aufzulösen und Hilfen, vor allem bei der Aussprache, zu schaffen.

Die falsche Schreibung der Diphthonge fällt kaum ins Gewicht und beruht auf mangelnden morpholexikalischen und morphophonetischen Kenntnissen des Deutschen. Im Italienischen werden die Zwielaute getrennt voneinander ausgesprochen, zum Beispiel Europa. Vor dem Hintergrund einer falschen Analogiebildung ist es dann leicht nachvollziehbar, warum ein italophoner Lerner zum Beispiel das Wort Meile wie *Maile notiert, denn dies wäre die (korrekte) italienische Schreibweise.

Die orthografische Kennzeichnung, die sich bei der sogenannten Schärfung und Dehnung der Vokale im Deutschen ergibt, ist abhängig von der Silbenstruktur und deren Akzentuierung: Orthografisch markiert sind in der Regel die ungespannten Kurzvokale in offener Silbe, also in einer Silbenstruktur mit festem Anschluss (z. B. Flagge), und die gespannten Langvokale in geschlossener Silbe, also in der Silbenstruktur mit losem Anschluss (z. B. Spiel). Im Italienischen gibt es die Opposition zwischen gespannten und ungespannten Vokalen nicht. Deshalb sind Probleme im Bereich der deutschen Vokalquantitäten verständlich. Wenn man das Fehlerkorpus vergleichend zugrunde legt, fallen sie trotzdem nicht wesentlich ins Gewicht.12

3.4.2 Fehler in der Kategorie Verwechslungen, Vertauschungen und Auslassungen auf Buchstaben- und Silbenebene im Konsonantenbereich und ihre Ursachen
Es wird nun noch einmal gesondert auf die Auslassungs-, Vertauschungs- und Verwechslungsfehler im Konsonantenbereich eingegangen, deren besondere Häufung in den studentischen Textproduktionen augenfällig ist und auch so von den Daten des Fehlerkorpus bestätigt wird (~265 Fehler in dieser Kategorie auf ~1300 Fehlerstellen insgesamt im Korpus). Diese Fehlerart (auch Metathese genannt) ist eigentlich typisch für Anfänger, die Phoneme oft nicht korrekt identifizieren. Deshalb überrascht das Auftreten dieser Fehler auf dem Lernniveau A2 / B1 umso mehr13. Wie bereits angesprochen, spielt hierbei sicherlich eine große Rolle, dass die Lerner mit italienischer Muttersprache, also einer Sprache ohne komplexe konsonantische Silbenendränder, die lautlichen Eigenschaften dieser Silbenteile im Deutschen nicht immer in ihrer Vollständigkeit wahrnehmen. Für Italophone führen die Konsonantenhäufungen auf der grafischen Ebene außerdem zu reichlich ungewohnten Wortbildern, für die ein gewisses orthografisches Bewusstsein im Sinne einer Kompetenz erst erworben werden muss. Aus diesem Grund ist es nachvollziehbar, dass aus dem Fremdenverkehr ein *Fremdeferker wird oder Verwirrung herrscht in Anbetracht der Endsilben im Wort *Vergnügungenen. Allerdings sollte davon auszugehen sein, dass fortgeschrittene Lerner bestimmte Entwicklungsphasen des auf prozeduralem Wissen basierenden Rechtschreiberwerbs (Hinney 2004: 52)14 auch in der Fremdsprache bereits mit Erfolg absolviert haben. Darüber hinaus sollten sie als kompetente Lerner in der Lage sein, ihren eigenen Lernprozess zu beobachten und ihr Vorgehen bei auftretenden Schwierigkeiten zu korrigieren. Stattdessen aber scheint eine Stagnation in der Kompetenzentfaltung eingetreten zu sein, die sich nicht nur in der lückenhaften Beherrschung orthografischer Regeln manifestiert. Auch phonetisch-graphemische Gesetzmäßigkeiten werden nicht erkannt und Phonemidentifizierungen, die Worterkennungsprozesse auslösen, finden nur mit großer Anstrengung statt.15

Dieser Umstand ist umso gravierender, als dass in der Phase des Wissenserwerbs im Unterricht, also bei der Einführung von Wortschatzelementen, mit denen aktiv im Lese-, Hör- und Schreibverständnis gearbeitet wird, auch auf rechtschreibliche Problemlösungen eingegangen wird. Allerdings ist es natürlich erforderlich, dass die Studierenden sich in der Phase der Wissensoptimierung selbstständig mit dem Erlernten auseinandersetzen und es durch regelmäßiges Üben automatisieren - ganz im Sinne der bekannten Formel „skill and will“ (Hinney  & Menzel 1998: 264).16

3.4.3 Korrekturanleitung fϋr (fachsprachliche) Rechtschreibfehler
Nachfolgend wird eine bereits erprobte Korrekturanleitung für Orthografiefehler beschrieben, die von den Studierenden seit dem Sommersemester 2013 mit nachweislichem Erfolg angewendet wird. Mit entsprechenden Handlungsanleitungen sollen die Studierenden dazu ermutigt werden, ihre Texte selbstständig zu strukturieren und zu überprüfen. Dies schließt sowohl mehrmaliges Kontrolllesen als auch den richtigen Umgang mit lexikalischen Hilfsmitteln ein. Das Korrektursystem ist so konzipiert, dass es von den Lernern eigenständig benutzt werden kann:
  1. Erstellen Sie ein Fehlerglossar, in dem Sie die einzelnen Fehler entsprechenden Fehlerarten zuordnen.
  2. Bestimmen Sie die Wörter, in denen Fehler auftreten, nach ihren Wortarten.
  3. Interpunktionsfehler werden nur in zusammenhängenden Sätzen berichtigt.
  4. Legen Sie sich (selbstständig) einen orthografischen Regelteil an.
  5. Nehmen sie für die Berichtigung ein Wörterbuch und eine Grammatik zu Hilfe.
  6. Berichtigen Sie die Fehler folgendermaßen: Substantiv, Verb, Adjektiv, Präposition oder andere Wortarten.
Substantiv

Beispiel: Fehler in der Auslautverhärtung  *Unterschiet

Notieren Sie die Substantive zusammen mit dem Artikel der Singular- und Pluralform.
Bilden Sie evtl. eine entsprechende Verbform.
Finden Sie ein Synonym.
Bilden Sie einen Beispielsatz.
Verb

Beispiel: Fehler bei <sch, st, sp>; Umlautfehler  *smucken

Notieren Sie die Verben in der Infinitivform.
Fügen Sie das Paradigma hinzu.
Beachten Sie trennbare Verben, reflexive Verben und evtl. dazugehörige Präpositionen.
Finden Sie ein Synonym.
Bilden Sie einen Beispielsatz.
Adjektiv

Beispiel: Fehler in der Groß- und Kleinschreibung  *am Besten

Notieren Sie die Adjektive zusammen mit der Steigerungsform.
Bilden Sie einen Beispielsatz.
Präposition oder andere Wortarten

Beispiel: Interferenzfehler aus dem Englischen →*and

Notieren Sie die Präpositionen oder andere Wortarten (Zahlwörter, Pronomen usw.)
in zusammenhängenden Sätzen.
Tab. 2: Korrekturanleitung

4 Schlussfolgerungen

Nun stellt sich angesichts dieser doch als recht problematisch einzustufenden Situation der deutschen Orthografie im italienischen Hochschulunterricht natürlich die Frage danach, was konkret unternommen werden kann, um eine Verbesserung der Situation zu erreichen17. Es versteht sich von selbst, dass in erster Linie der Orthografieunterricht von seinem Schattendasein befreit werden sollte, aber dies ist eine aufgrund von engen Lehrplänen und Zeitmangel (noch) unrealistische Forderung. So bleibt nur, die sogenannte heuristische Kompetenz der Lerner zu fördern (May 1990), das heißt Selbstkontrolle und metasprachliches Handeln.
Mit welchen Strategien und Problemlösungen Schriftlernende ihre „Schrift-Sprach-erfahrungen“ (Eisenberg / Feilke 2001: 6) strukturieren, ordnen und kontrollieren, ist deswegen ein wichtiger Aspekt der Kompetenzentfaltung (Hinney 2004:52).
Konkrete Handlungsanleitungen, die vor allem das selbstständige Arbeiten der Studierenden unterstützen, sind somit unerlässlich für den Rechtschreiberwerb im universitären DaF-Unterricht.


Bibliographie

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Nied Curcio, Martina (2006). Was könnte ein progressives, auf der Frequenz basierendes und kontrastives Lernwörterbuch für die Textproduktion leisten? Unveröffentlichter Vortrag auf der 6. DAAD-Lektorenjahrestagung in Catania (Italien).
Röber, Christa (2007). Schrift lehrt sprechen. Die Heranführung der Deutschlerner an die Artikulation deutscher Wörter und Sätze durch die systematische Nutzung des orthografischen Markierungssystems im Deutschen. In: daf-Werkstatt, Rivista semestrale del laboratorio di didattica del tedesco. Università di Siena - Arezzo, 9-10, 62-76.
Sitta, Horst (2007). Die deutsche Rechtschreibung. Notizen zu ihrer Systematik, Geschichte und Didaktik. In: daf-Werkstatt, Rivista semestrale del laboratorio di didattica del tedesco. Università di Siena - Arezzo, 9-10, 46-59.
Tophinke, Doris (2002). Die lautlich-segmentale Analyse des Gesprochenen und ihre Forcierung im Schrifterwerb. In: Röber-Siekmeyer, Christa & Doris Tophinke (Hrsg.) (2002). Schrifterwerbskonzepte. Baltmannsweiler: Schneider, 26-35.
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1  Vgl. hierzu auch Földes (2000: 2), der von einer „eklatanten Unterbewertung“ der Orthografie im DaF-Unterricht spricht, die „einerseits an einem Mangel an Motivation von Seiten der Lernenden, andererseits an unzureichender Methodisierung“ liegen könnte.
2  Es gibt nur sehr wenige Untersuchungen zu Fehlerauffälligkeiten bei italophonen DaF-Lernern (vgl. hierzu auch Hans-Bianchi (2007), Katelhön (2007), Nied Curcio (2006)), aus denen aber u. a. hervorgeht, dass Rechtschreibfehler die zahlenmäßig häufigste Fehlerquelle in der Textsorte Freies Schreiben im 3. Studienjahr (also ein Jahr vor dem Universitätsabschluss) darstellen.

3 Vgl. hierzu auch Bußmann (2002) und Eisenberg (2006).

4 Ein einfaches Beispiel verdeutlicht diese Zusammenhänge: Im Deutschen ist es möglich, den lang gesprochenen Vokal /e/ sowohl durch das Graphem <e> als auch durch die Graphemkombinationen <ee> oder <eh> wiederzugeben - man denke an Stele, Seele, Kehle. Andererseits wird z. B. der Plural des Wortes Hände mit einem <ä> geschrieben, um den Zusammenhang mit Hand zu verdeutlichen, obwohl man dieses Wort auch als Hende notieren könnte, wie das Reimwort Spende zeigt (Beispiele nach Sitta 2007: 49).

5 Dieser plakative Titel eines Artikels von Sarah Brommer (2007), der in der Zeitschrift für germanistische Linguistik erschienen ist, bezieht sich zwar nicht auf DaF-Lerner, pointiert die Lage zum Schrifterwerb im fremdsprachlichen Deutschunterricht an italienischen Hochschulen aber trotzdem sehr gut. Geht man einmal von der Annahme aus, dass nicht nur das orthografisch, sondern auch das grafomotorisch korrekte Schreiben eine Kulturtechnik darstellt und „das geschriebene Wort in seiner festgelegten Form Bestandteil eines Kulturguts ist, das es zu bewahren gilt“ (Hinney & Menzel 1998: 261), dann mag man sich manchmal fragen, ob angesichts der „anarchischen“ Schriftbilder vieler – keineswegs nur studentischer – Arbeiten die Bewahrung dieses Kulturguts nicht in akuter Gefahr schwebt.

6 Alle Beispiele sind dem Fehlerkorpus entnommen.

7 Vgl. hierzu auch Ellis (1982: 128): „[…] involuntary slips of the pen which result in the unintentional misplacement, omission or substitution of letters.” Katelhön (2007: 98ff) hingegen vermutet Parallelen zu den Störungen im Erwerbsverlauf der Schriftsprache, wie sie bei Legasthenikern zu beobachten sind.

8 Vgl. hierzu auch Hans-Bianchi (2007: 88).

9 Diktate haben keinen Eingang in das Fehlerkorpus gefunden, weil sie in den curricularen Vorgaben für den Unterricht nicht vorgesehen sind. Außerdem sollte eine authentische Schreibdimension reflektiert, d. h. eine künstliche Dichte von Fehlerfallen vermieden werden. Zudem gilt, was Hinney & Menzel in diesem Zusammenhang sehr präzise formuliert haben:

[…] muss bei der Einschätzung der Rechtschreibfähigkeit eines Schreibenden jedoch immer sein aktiver Schreibwortschatz berücksichtigt werden. Die Rechtschreibleistungen können somit nie von der ganzen Sprach- bzw. Schreibkompetenz losgelöst gesehen werden. Diese kann man aber aus Diktaten und Tests niemals ermitteln, weswegen Diktatleistungen auch unzureichende Indikatoren für die Rechtschreibleistung darstellen (Hinney & Menzel 1998: 262f).

10 Hierbei ist am Rande anzumerken, dass Ausdrücke wie zum Beispiel am meisten auch deutsche Muttersprachler in Bezug auf die richtige Schreibung vor Probleme stellen.

11 Christa Röber bemerkt in diesem Zusammenhang Folgendes:

     […] Deutschlerner anderer Muttersprachen können das Deutsche – hier: deutsche Wörter – nur durch den Kategoriefilter, den sie für ihre Muttersprache erworben haben, wahrnehmen (vgl. Tophinke 2002). Dieser Filter verhindert die Wahrnehmung von phonetischen und phonologischen Strukturen anderer Sprachen, die es in der eigenen Muttersprache nicht gibt (Röber 2007: 62).

12 Vgl. hierzu auch Hans-Bianchi (2008: 28-31).

13 Überraschend ist das Auftreten dieser Fehler hier auch deshalb, weil der Schreibkontext nicht der des Diktats ist, bei dem die Lerner sich also keiner Hilfsmittel wie Wörterbücher, Grammatiken, Glossare u. a. bedienen dürfen. Die Studierenden können während der Klausuren einsprachige Wörterbücher und zu Hause jedes beliebige Nachschlagwerk benutzen. Trotzdem scheint davon kein Gebrauch gemacht zu werden, und es wird sich völlig auf die ersten intuitiven Einfälle verlassen, ohne eine nochmalige Kontrolle vorzunehmen.

14 Vgl. hierzu auch Hinney:

     […] Rechtschreiben ist eine sprachliche Handlung, die als kognitive Fertigkeit auf prozeduralem Wissen beruht […]. In Anlehnung an das Modell zum kognitiven Fertigkeitserwerb (Anderson 1982) sind – grob gesehen – zwei Phasen zu unterscheiden: die eigentliche Phase des Wissenserwerbs und die Phase der Wissensoptimierung. In der Phase des Wissenserwerbs, der für einen konstruktiven Lernverlauf grundlegenden Phase, werden Handlungspläne für ganz bestimmte rechtschreibliche Problemlösungen durch Schlussprozesse erworben. In der Phase der Wissensoptimierung werden die Handlungspläne dann durch Übung automatisiert, damit das Gedächtnis beim Schreiben entlastet wird (automatisiertes Schreiben, Können) (Hinney (2004: 51-53).

15 Worterkennungsprozesse rufen das grafische Wortschema gleichsam global aus dem mentalen Lexikon ab (Automatismus), wobei

    den versierten Rechtschreiber nicht die bloße Verfügbarkeit über die Schreibung möglichst vieler Wörter auszeichnet, auch nicht die Beherrschung aller Rechtschreibregeln, sondern ein Verständnis der Prinzipien der Schreibung, so dass er Schriftstrukturen versteht und Transferleistungen erbringen kann […], auch bei der Schreibung nie zuvor geschriebener Wörter (Hinney & Menzel 1998: 263).

16 Hier aber liegt das Problem tatsächlich im Lernverhalten der Studierenden, die in der Fremd-sprache wenig bis gar nicht lesen, Vokabeln unsystematisch lernen und kaum Eigeninitiative in Bezug auf die individuelle Vertiefung und Erweiterung von Lerninhalten zeigen.


17 An dieser Stelle scheint auch noch einmal eine Einstufung der Gesamtfehlerzahl pro Arbeit im Korpus angebracht. Nach Meinung der Autorin ist ein Ergebnis von ~15 Fehlern auf ~600 Wörter vor allem mit Blick auf die Fehlerarten im ungenügenden Bewertungsbereich bei DaF-Lernern mit Hochschulhintergrund anzusiedeln. Dies steht im Widerspruch zu einigen Stellungnahmen von Vortragsteilnehmern, die die Meinung vertraten, dass das präsentierte Ergebnis durchaus positiv im Vergleich zu anderen Erhebungen sei. Als Beispiel wurde die Fehlerquote bei deutschsprachigen Abiturienten genannt, die in ihren schriftlichen Text-produktionen im Regelfall bis zu 50 Fehler auf ~250 Wörter hatten, was als relativ normal angesehen wurde. Tatsächlich kann man aber angesichts der offensichtlich desolaten Rechtschreibleistungen deutscher Schüler wohl nicht mehr von „normalen Verhältnissen“ sprechen. Laut dem Wochenmagazin „Der Spiegel“ (Nr. 25 / 17.6.2013: 96-104, Nr. 48 / 25.11.2013: 134-136) handelt es sich inzwischen um eine Rechtschreibkatastrophe, die nicht mehr nur bei den Kindern und Jugendlichen Halt macht, sondern mittlerweile auch die sie unterrichtenden Lehrer erreicht hat:

     Dass sich die Rechtschreibleistung von Schülern in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch ver-schlechtert hat, belegen inzwischen mehrere Studien. Viele Experten machen das lautgetreue Schreiben [die Rede ist hier von der sogenannten Anlauttabelle nach Jürgen Reichen, Anmerk. der Autorin] in den ersten Schuljahren dafür verantwortlich […]. Die ersten Jahrgänge fröhlicher Recht-schreibanarchisten sind inzwischen erwachsen geworden – und einige von ihnen Lehrer. Es deutet vieles darauf hin, dass etliche von ihnen gar nicht mehr die Voraussetzungen dafür mitbringen, Kin-dern das richtige Schreiben beizubringen (Der Spiegel, Nr. 48 / 25.11.2013: 135).