Katrin Ziegler (Macerata, Italien)
Abstract
(English)
Nowadays, the most
important prerequisite for Italian university graduates who study
German as a foreign language and will enter the economic sector and
the sector of tourism, is their ability to write German texts in
conformity with the linguistic norm. Nevertheless, in Italy,
orthography only plays a marginal role in German lessons, which has a
negative effect on the acquisition of writing skills. Based on a
corpus of texts written by Italian native speakers, a detailed error
analysis will be presented. Special emphasis will be placed on the
question of whether there are striking accumulations of errors in
certain domains, and, if so, whether these errors relate to lapses in
performance or competence. In addition, the article examines
potential strategies which can be used in the practical teaching of
German so as to initiate an error therapy for learners.
Keywords:
Orthography, learning to write processes, German as a foreign
language, error
analysis
analysis
Abstract
(Deutsch)
Das normkonforme
Schreiben in der Fremdsprache Deutsch ist für italienische
Hochschulabsolventen mittlerweile oft eine wichtige Voraussetzung, um
einen beruflichen Einstieg in den Tourismus- und Wirtschaftssektor
ihres Landes zu finden. Trotzdem kommt der Orthografie nur eine
marginale Rolle im italienischen DaF-Unterricht zu, was häufig zu
entsprechend negativen Konsequenzen im (fach)fremdsprachlichen
Schrifterwerb führt. Auf der Grundlage eines Textkorpus
schriftlicher Arbeiten italienischer Muttersprachler wird im Beitrag
eine genaue Fehlerdiagnostik vorgestellt, die aus den Beobachtungen
von Schreiblernprozessen bei fortgeschrittenen Lernern an der
Universität resultiert. Dabei wird besonders der Frage nachgegangen,
ob es eventuell zu auffälligen Häufungen in einer bestimmten
Fehlerkategorie kommt, auf welche Ursachen dies zurückzuführen ist,
und ob konkrete Handlungsanleitungen existieren, mit deren Hilfe in
der Unterrichtspraxis eine Fehlertherapie bei den Lernern eingeleitet
werden könnte.
Stichwörter: Orthografieschwäche,
Schreiblernprozesse, DaF, Fehlerdiagnostik, Handlungs-anleitungen
1 Einleitung
In dem vorliegenden Beitrag
beschäftigen wir uns mit dem fachfremdsprachlichen Schrifterwerb im
Rahmen des universitären Deutschunterrichts (DaF) in Italien. Dabei
wird auf der Grundlage eines Textkorpus schriftlicher Arbeiten von
italienischen Muttersprachlern zunächst eine exakte
Fehlerdiagnostik vorgestellt, die aus den Beobachtungen von
Schreiblernprozessen bei fortgeschrittenen Hochschulstudenten
resultiert. Die Laut-Buchstaben-Relationen aus dem Italienischen sind
bei erwachsenen Lernern bereits fest verankert und übertragen sich
zusammen mit Interferenzen auf allen Ebe-nen des Schreibprozesses auf
die Fremdsprache Deutsch, was die Fehlereinordnung oftmals komplex
und vielschichtig werden lässt (Hans-Bianchi 2008: 26). Insbesondere
wird der Frage nachgegangen, ob es gegebenenfalls in einer bestimmten
Fehlerkate- gorie zu auffälligen Häufungen kommt und auf welche
Ursachen – im Performanz- oder im Kompetenzbereich – dies
zurückzuführen ist. In Ergänzung zu einer Untersuchung dieser Thematiken
soll im Beitrag außerdem skizziert werden, an welchen Punkten in der
Unterrichtspraxis angesetzt werden könnte, um mit konkreten
Handlungsanleitungen eine Fehlertherapie bei den Lernern einzuleiten.
2 Rahmenbedingungen des fachsprachlichen Deutschunterrichts
2.1 Institutionelle
Rahmenbedingungen an der Università degli studi di Mace-rata
Im
Rahmen des Bachelor- und Masterstudiengangs Mediazione linguistica
(Sprach-mittlung) an der Università degli studi di Macerata
(Italien) mit derzeit etwa 800 immatrikulierten Studierenden liegt im
zweiten Studienjahr im Fach Deutsche Sprache und
Sprachwissenschaft der Unterrichtsschwerpunkt auf der
Tourismussprache und der Übersetzung touristischer Textsorten vom
Italienischen ins Deutsche. Das Aufbauseminar besteht aus zwei
Modulen zu je 30 Unterrichtsstunden und fokussiert in der ersten
Unterrichtsphase die Analyse formaler, stilistischer und
lexikalischer Besonderheiten der wichtigsten touristischen
Textsorten, wie Prospekte, Flyer, Kataloge und
Reiseführer. Im Folgemodul wird eine Einführung in das
funktionale Übersetzen ausgewählter touristischer Texte vom
Italienischen ins Deutsche gegeben.
2.2 Die
Rolle der Orthografie für den (Fach)Fremdsprachenunterricht
Obwohl
dem schriftsprachlichen Handeln in unserer komplexen Wissenswelt eine
überaus große Bedeutung zukommt, wird das normkonforme Schreiben
unter dem Aspekt des DaF-Erwerbs relativ stiefmütterlich behandelt.
Darauf machten auch Gallmann & Sitta aufmerksam, als sie vor rund
20 Jahren feststellten, dass „Fragen der deutschen Rechtschreibung
nicht den ersten Rang in der Problemliste des Fachs Deutsch als
Fremdsprache halten“ (Gallmann & Sitta 1992: 72).1
An dieser Situation hat sich,
zumindest im italienischen DaF-Unterricht, bis heute wenig geändert.
Dies verwundert nicht, wenn man bedenkt, dass im kommunikativen
Fremdsprachenunterricht der Fokus in erster Linie auf die Vermittlung
der Funktion von Sprache – dem Mitteilungswert – gerichtet ist.
Dabei werden jedoch die Formen von Sprache häufig zu marginalen
Randerscheinungen, der formal korrekte Sprachgebrauch wird ins
Abseits gedrängt. Eine nicht selten falsch verstandene
Fehlertoleranz vonseiten der Lehrenden trägt ebenfalls dazu bei,
dass bei Lernern oftmals eine gewisse Orientierungslosigkeit in Bezug
auf die richtige Schreibung herrscht. Doch die gute Beherrschung der
deutschen Sprache ist nicht nur im mündlichen, sondern auch im
schriftlichen Sprachgebrauch mittlerweile häufig die Voraussetzung
für eine erfolgreiche Bewerbung um begehrte Stellen im italienischen
Tourismus- und Wirtschaftssektor. Auch für die Fremdsprache gilt,
dass man ihre Orthografie soweit beherrschen sollte, dass man nicht
auffällig wird, oder, um es mit den Worten von Horst Sitta zu sagen:
„Rechtschreibung ist nicht so wichtig, aber man muss sie können
(Sitta 2007: 56).“ Gerade im fachfremdsprachlichen
Deutschunterricht ist es also von besonderer Bedeutung, das Augenmerk
auch auf einen korrekten Orthografieerwerb zu richten.2
2.3 Dominant
phonographisch vs. dominant logografisch: Spezifika der italienischen
und der deutschen Orthografie
Alphabetschriften
folgen bestimmten Prinzipien, die eine willkürliche Schreibung von
vornherein verhindern. Eines dieser Prinzipien, gewissermaßen das
Kernprinzip, ist, dass die Laute der gesprochenen Sprache und die
Buchstaben der geschriebenen Sprache systematisch aufeinander
beziehbar sein müssen (Sitta 2007: 46ff). Das italienische
Schriftsystem folgt dem sogenannten Lautprinzip: „Schreibe, wie du
sprichst“, relativ konsequent und wird deshalb als „phonologisch
flach“ definiert, weil der Lautbezug, auch als Phonographie
bezeichnet, vorherrschend ist (Eisenberg 1995: 625). Die
vergleichsweise ausgewogene Korrelation zwischen den vorhandenen (25)
Phonemen und (33) Graphemen ist ein weiteres Indiz dafür, dass die
italienische Orthografie wesentlich regelmäßiger ist als die
deutsche. Des Weiteren gehört das Italienische - sprachtypologisch
betrachtet - zu den sogenannten silbenzählenden Sprachen, was
bedeutet, dass die Betonungsintervalle zwischen den einzelnen Silben
verschieden lang sind und bezüglich des Sprachrhythmus deshalb
sowohl Trochäus- als auch Jambusformen anzutreffen sind3.
Auf ihrer Strukturebene enden die Silben im Italienischen meist mit
einem einfachen Reim, der nur einen Vokal und keinen Konsonanten
aufweist. Diese Silben werden auch als ‚offen’ bezeichnet.
Im Deutschen dagegen spielt das
Prinzip der sogenannten Morphemkonstanz – „Schreibe Gleiches
möglichst gleich“, eine ungleich wichtigere Rolle als im
Italienischen. Die deutsche Sprache tendiert dazu, die graphische
Einheitlichkeit eines Morphems zu bewahren, auch wenn es
unterschiedliche lautliche Realisierungen - Allomorphe - gibt. Der
Bedeutungsbezug, auch Logografie, ist im deutschen
Schriftsystem im Vergleich zum Italienischen dominant, weshalb man
auch vom Deutschen aus typologischer Sicht als „phonologisch tief“
spricht (Eisenberg 1995: 620). Auch hier ist das Verhältnis der
unregelmäßigen Korrelation zwischen (40) Phonemen und (26)
Graphemen ein Zeichen dafür, dass die deutsche Orthographie dem
Lautprinzip sehr viel unbeständiger folgt, als dies im Italienischen
geschieht4.
Sprachtypologisch gehört das Deutsche zu den akzentzählenden
Sprachen, d. h. dass die Betonungsintervalle zwischen den
einzelnen Silben gleich lang sind (Bußmann 2002: 63). Für die
Struktur deutscher Wörter gilt, dass ihre Silben überwiegend
‚geschlossen’ sind, also mit Konsonanten am jeweiligen Endrand,
und der Sprachrhythmus sich vorwiegend aus der Abfolge einer betonten
und einer oder mehreren unbetonter Silben ergibt.
3 Empirische Fehleranalyse
3.1 Ausgangsbeobachtung:
„Ein unglaubliches Schriftbild, von Rechtschrei-bung oder
Interpunktion ganz zu schweigen“5
Es
lässt sich beobachten, dass es vielen Studierenden im Deutschen
offenbar immer mehr Schwierigkeiten bereitet, den (manuell
ausgeführten) Schreibvorgang einer visuellen und autoperzeptiven
Kontrolle zu unterziehen. Im Regelfall werden mittlerweile
Schriftbilder präsentiert, die sich nur mit Mühe entziffern lassen.
Im Zusammenhang damit steht eine augenfällige Zunahme von
Orthografiefehlern – vor allem in einer bestimmten Fehlerkategorie
– in den deutschen Textproduktionen Studierender im vorletzten
Studienjahr vor dem Bachelorabschluss.
Die
Rede ist hier von Verwechslungen, Vertauschungen und Auslassungen auf
Buchstaben- und Silbenebene, insbesondere im Konsonantenbereich, die
etwa aus dem Wort Bedeutung das Gebilde *Betung entstehen
lassen, geschützt zu *geschϋnst transformieren oder
gar gleich in mehreren Fällen aus einem Teilnehmer einen
*Geilnehmer machen6.
Diese Fehler steigern sich teilweise derart, dass es zu sogenannten
Wortruinen kommt, wie bei dem Pronomen ‚ihm‘, welches einfach zu
‚m‘ verkürzt wird. In der Literatur werden diese Fehler oftmals
als Verschreiber, sogenannte slips of the pen, bezeichnet7,
deren Ursache eben hauptsächlich in der bereits erwähnten
mangelnden Kontrolle des Schreibvorgangs vonseiten der Lerner gesehen
wird8.
Falls dem tatsächlich so wäre, hätte man es hier mit einem
Performanzproblem zu tun, dem man möglicherweise mit einer
entsprechenden Schreibschulung (im Sinne der Ausbildung bzw.
Wiedererlangung einer manuellen Fertigkeit) und Übungen zur Erhöhung
der (Schreib-)Konzentration begegnen könnte. Die
Vorkommenshäufigkeit dieser Fehlerart lässt jedoch eher darauf
schließen, dass es sich nicht um sporadische Verschreiber handelt,
also letztlich um Flüchtigkeitsfehler, sondern um eine lückenhafte
Rechtschreibung, die vom realen Kompetenzniveau der Lerner abhängig
ist.
3.2 Fehlerkorpus:
Fragestellung und Methode
Aus
den in Abschnitt 5.1 geschilderten Ausgangsbeobachtungen ergeben sich
folgende Fragestellungen, denen empirisch nachgegangen werden soll:
- Welche Rechtschreibfehler werden von den Lernern am häufigsten gemacht und wo liegen die Ursachen?
- Wie viele Fehler fallen quantitativ in die Kategorie Verwechslungen, Vertauschungen und Auslassungen auf Buchstaben- und Silbenebene, insbesondere im Konsonantenbereich und wo liegen die Ursachen hierfür? Sind diese Fehler performanz- oder kompetenzabhängig?
In
Ergänzung zu einer Analyse dieser Fragen soll in dem vorliegenden
Beitrag außerdem skizziert werden, wo in der Unterrichtspraxis
angesetzt werden könnte, um mit konkreten Handlungsanleitungen eine
Fehlertherapie bei den Lernern einzuleiten.
Basis
der Untersuchung ist ein von der Autorin erstelltes Fehlerkorpus aus
dem Studienjahr 2012 / 2013, welches sich aus 82 frei verfassten
schriftlichen Arbeiten (Seminarprüfungen, Übungsaufgaben)
zusammensetzt. Es handelt sich um Textanalysen und Übersetzungen,
die die Studierenden im Laufe eines Studienjahres eingereicht haben9.
Die Lernergruppe bestand aus 25 Teilnehmern und Teilnehmerinnen und
war bezüglich ihres Lernniveaus (A2 / B1 des Gemeinsamen
Europäischen Referenzrahmens (GER)), ihres Alters (19 bis 22 Jahre)
sowie ihrer Muttersprache homogen.
3.3 Fehlerkorpus
Im
Folgenden soll zunächst auf die grundlegenden Daten des Korpus
eingegangen werden:
- 25 Studierende, Niveau A2 / B1 (GER), L1 Italienisch
- 82 schriftliche Arbeiten (Seminarprüfungen, Übungsaufgaben)
- Korpus: ~ 61.500 Wörter
- Referenzgröße: Fehler pro 10.000 Wörter
|
Fehleranzahl
pro Kategorie insgesamt im Korpus auf ~ 1300 Fehlerstellen |
~Fehleranzahl
pro Arbeit |
Fehler
auf der Satzebene
|
||
Interpunktion:
|
~ 228
|
~ 3 Fehler
pro Arbeit |
|
|
|
Fehler
auf der Wortebene
|
||
Interferenzen
aus dem Englischen:
|
~ 132
|
~ 2 Fehler
pro Arbeit
|
|
|
|
Groß- und
Kleinschreibung:
|
~ 54
|
~ jede 2.
Arbeit
1 Fehler |
|
|
|
Getrennt-
und Zusammenschreibung:
|
~ 42
|
~ jede 2.
Arbeit 1 Fehler
|
|
|
|
Fehler
bei den Phonem-Graphem-Beziehungen innerhalb des Wortstamms
|
||
Umlautbezeichnung
fehlt oder falsch
hinzugefügt: |
~180
|
~ 2 - 3
Fehler pro Arbeit
|
|
|
|
Falsche
Auslautverhärtungen:
|
~ 73
|
~ 1 Fehler
pro Arbeit |
|
|
|
Fehler bei
<f>, <w>, <v>, <ph>:
|
~ 47
|
~ jede 2.
Arbeit
1 Fehler |
|
|
|
Fehler bei
<sch> und <sp>:
|
~34
|
~
jede 3. Arbeit
1 Fehler |
|
|
|
Vokalzeichen
fehlt, hinzugefügt, vertauscht:
|
~ 67
|
~ 1 Fehler
pro Arbeit |
|
|
|
Falsche
Diphthonge:
|
~ 17
|
~ jede 5.
Arbeit
1 Fehler |
|
|
|
Länge
des Vokals/ Dehnung
|
||
1.
Längenmarkierung
bei <i:> fehlt oder falsch:
|
~ 29
|
~ jede 3.
Arbeit
1 Fehler |
|
|
|
2.
Längenmarkierung
bei <h> fehlt oder falsch:
|
~ 50
|
~ jede 2.
Arbeit
1 Fehler |
|
|
|
3.
Konsonantenverdopplung falsch:
|
~ 33
|
~ jede 3.
Arbeit
1 Fehler |
|
|
|
Kürze
des Vokals/ Schärfung
|
||
Konsonantenverdopplung
fehlt:
|
~ 42
|
~ jede 2.
Arbeit
1 Fehler |
|
|
|
Konsonantenzeichen
fehlt, hinzugefügt, vertauscht:
|
~ 168
|
~ 2 Fehler
pro Arbeit |
|
|
|
Kumulative
Fehler auf Silbenebene:
|
~ 97
|
~ 1 Fehler
pro Arbeit
|
|
|
|
Fehler
GESAMT: ~ 15 Fehler pro Arbeit (~ 600 Wörter)
|
Tab.
1: Fehlerkorpus
3.4
Fehlerevaluation
3.4.1 Die
häufigsten Rechtschreibfehler und ihre Ursachen
Was
zunächst die Fehleranzahl auf Satzebene betrifft, ist die
Fehlerhäufung im Bereich der Interpunktion nicht
verwunderlich: Die Interpunktionsregeln im Deutschen sind stark
grammatikalisiert und basieren deshalb mehr auf syntaktischen als auf
prosodisch-intonatorischen Grundlagen. Dies wird vor allem bei der
Kommasetzung offensichtlich. Ein spezielles Problem stellt u.
a. die interpunktorische Abtrennung adverbialer Bestimmungen dar, die
im Italienischen üblich, aber im Deutschen nicht vorgesehen ist, wie
sich aus dem Beispiel *aus diesem Grund, der Verfasser schreibt
ergibt.
Auf
der Wortebene hingegen fallen vor allem die Interferenzen
aus dem Englischen ins Auge. Englisch wird häufig als erste Sprache
gelernt und beeinflusst den Lernprozess im Deutschen nicht
unwesentlich. Da sich viele Wörter im Englischen und Deutschen vom
Schriftbild her ähnlich sind, kann es leicht vorkommen, dass Lerner
den deutschen Autor zu einem *Author werden lassen oder
anstelle der Konjunktion und ein *and schreiben.
Im
Vergleich dazu haben die Fehler, die im Bereich der Groß- und
Kleinschreibung sowie bei der Getrennt- und Zusammenschreibung
auftreten, eine relativ geringe Bedeutung. Bei der Groß- und
Kleinschreibung stellt die Substantivgroßschreibung, die eine
Besonderheit der deutschen Orthografie darstellt und welche es im
Italienischen nicht gibt, für Lerner die vergleichsweise größten
Schwierigkeiten dar. Hier herrscht also ein bestimmtes grammatisches
Prinzip, welches der Lerner kennen muss10.
Auch in der Getrennt- und Zusammenschreibung gelten bestimmte
grammatische Prinzipien, die bekannt sein sollten, will man ein Wort
richtig schreiben. Die orthografische Grundregel besagt, dass man im
Deutschen Wortgruppen getrennt schreibt und Zusammensetzungen
zusammenschreibt. Dies ist sicherlich eine sehr klare Regel - nur
wann handelt es sich um eine Zusammensetzung und wann um eine
Wortgruppe? Erst eine grammatische Analyse kann dem Lerner darüber
Aufschluss geben, aber dazu ist es notwendig, mit der Grammatik
vertraut zu sein, um die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen.
Anderenfalls wird aus einer Ratgeberliteratur leicht eine
*Ratgeber literature, wobei sich in diesem Fall zusätzlich
eine Interferenz aus dem Englischen eingeschlichen hat.
Auch
die sogenannte Auslautverhärtung auf der Ebene von Graphem
und Phonem ist ein gutes Beispiel dafür, dass die Lerner
bestimmte spezifische morpho-phonetische Kenntnisse des Deutschen
haben sollten. So müssen sie die kontextabhängige Neutralisation
der phonologischen Opposition zwischen stimmhaften und stimmlosen
Verschluss- und Reibelauten kennen, wenn ein Wort wie Unterschied
nicht zum *Unterschiet geraten soll.
Auf der Phonem-Graphem-Ebene fällt
die hohe Fehlerzahl im Bereich der Umlautbezeichnungen auf.
Die Ursachen, warum z. B. *Moglichkeit anstatt
Möglichkeit geschrieben wird, liegen dabei auf der Hand: Das
Phoneminventar des (Standard-) Italienischen besitzt keine gerundeten
Vorderzungenvokale. Deshalb bereitet es den Lernern zum Beispiel
Probleme, auf der lautlichen Ebene zwischen einem <o>
und einem <ö> zu unterscheiden, und es kommt deshalb
hier sehr häufig zu Aussprache- und Schreibungsfehlern.11
Vergleichsweise
unterrepräsentiert hingegen sind diejenigen Fehler, die die
labiodentalen Frikative <f> und <v>
betreffen. Hier liegen die Ursachen für eine falsche Schreibung in
der fehlerhaften Zuordnung von Phonem-Graphem-Korrespondenzen:
Während im Deutschen der stimmlose labiodentale Frikativ /f/
wie in Vogel oder Affe oder Photo mit drei
verschiedenen Graphemen bzw. einer Graphemkombination wiedergegeben
werden kann, gibt es im Italienischen nur die Grapheme <f>
für die stimmlose Variante des labiodentalen Frikativs wie im
Wort finestra und <v>für die stimmhafte Variante
wie in vino. Das Graphem <w> findet man im
Italienischen nur in Entlehnungen aus anderen Sprachen, vorzugsweise
dem Englischen, wobei auch die Aussprache einem Halbvokal entspricht.
Vor der italienischen Phonem-Graphem-Korrespondenz sind also
Schreibweisen wie *Vohnort oder *Ferkehr nachvollziehbar,
da die Lerner hier von falschen Analogien zwischen ihrer
Muttersprache und dem Deutschen ausgehen.
Auch
Probleme bei <sch> und <sp>, die allerdings
im Gesamtfehlerbild kaum ins Gewicht fallen, gehören zum Bereich der
Phonem-Graphem-Korrespondenzen und falscher Analogiebildung zum
Italienischen. So gibt der Trigraph <sch> einerseits
einen Zischlaut /ʃ/ wieder wie in dem Wort Schmuck, wird aber
andererseits im Anlaut bei <p> und <t>
nicht realisiert, das heißt, dass zum Beispiel spielen nur
mit einem <s> geschrieben wird. Auch die Kombination von
Trigraph und Konsonant im Inlaut wie in dem Wort Kutsche, die
einem stimmlosen postalveolaren Affrikaten entspricht, ist für
italienische Lerner nicht unproblematisch. Zwar gibt es auch im
Italienischen diesen Laut, aber er wird mit dem einfachen Graphem <c>
wiedergegeben, wie zum Beispiel in cena oder acido.
Fehlende,
vertauschte oder falsch hinzugefügte Vokalzeichen hingegen
lassen sich fast immer damit erklären, dass es, wie schon bei den
Umlauten erwähnt, im (Standard-)Italienischen keine gerundeten
Vorderzungenvokale gibt. Entweder wird dann lautlich beispielsweise
zwischen einem <u> und einem <ϋ> nicht
unterschieden, oder aber es wird ein in der Nähe gebildeter Vokal
ersatzweise realisiert, wie aus dem Fehler *wohlfilen
hervorgeht. Auch die Hinzufügung von sogenannten Sprossvokalen,
wie im Beispiel *Spazier(e)gang, sind häufig zu finden: Sie
dienen dazu, die Konsonantenhäufungen an den Silbenrändern
aufzulösen und Hilfen, vor allem bei der Aussprache, zu schaffen.
Die falsche Schreibung der Diphthonge
fällt kaum ins Gewicht und beruht auf mangelnden
morpholexikalischen und morphophonetischen Kenntnissen des Deutschen.
Im Italienischen werden die Zwielaute getrennt voneinander
ausgesprochen, zum Beispiel Europa. Vor dem Hintergrund einer
falschen Analogiebildung ist es dann leicht nachvollziehbar, warum
ein italophoner Lerner zum Beispiel das Wort Meile wie *Maile
notiert, denn dies wäre die (korrekte) italienische Schreibweise.
Die
orthografische Kennzeichnung, die sich bei der sogenannten Schärfung
und Dehnung der Vokale im Deutschen ergibt, ist abhängig von der
Silbenstruktur und deren Akzentuierung: Orthografisch markiert sind
in der Regel die ungespannten Kurzvokale in offener Silbe, also in
einer Silbenstruktur mit festem Anschluss (z. B. Flagge), und
die gespannten Langvokale in geschlossener Silbe, also in der
Silbenstruktur mit losem Anschluss (z. B. Spiel). Im
Italienischen gibt es die Opposition zwischen gespannten und
ungespannten Vokalen nicht. Deshalb sind Probleme im Bereich der
deutschen Vokalquantitäten verständlich. Wenn man das Fehlerkorpus
vergleichend zugrunde legt, fallen sie trotzdem nicht wesentlich ins
Gewicht.12
3.4.2 Fehler
in der Kategorie Verwechslungen, Vertauschungen und Auslassungen auf
Buchstaben- und Silbenebene im Konsonantenbereich und ihre Ursachen
Es
wird nun noch einmal gesondert auf die Auslassungs-, Vertauschungs-
und Verwechslungsfehler im Konsonantenbereich eingegangen, deren
besondere Häufung in den studentischen Textproduktionen augenfällig
ist und auch so von den Daten des Fehlerkorpus bestätigt wird (~265
Fehler in dieser Kategorie auf ~1300 Fehlerstellen insgesamt im
Korpus). Diese Fehlerart (auch Metathese genannt) ist
eigentlich typisch für Anfänger, die Phoneme oft nicht korrekt
identifizieren. Deshalb überrascht das Auftreten dieser Fehler auf
dem Lernniveau A2 / B1 umso mehr13.
Wie bereits angesprochen, spielt hierbei sicherlich eine große
Rolle, dass die Lerner mit italienischer Muttersprache, also einer
Sprache ohne komplexe konsonantische Silbenendränder, die lautlichen
Eigenschaften dieser Silbenteile im Deutschen nicht immer in ihrer
Vollständigkeit wahrnehmen. Für Italophone führen die
Konsonantenhäufungen auf der grafischen Ebene außerdem zu reichlich
ungewohnten Wortbildern, für die ein gewisses orthografisches
Bewusstsein im Sinne einer Kompetenz erst erworben werden muss. Aus
diesem Grund ist es nachvollziehbar, dass aus dem Fremdenverkehr
ein *Fremdeferker wird oder Verwirrung herrscht in Anbetracht
der Endsilben im Wort *Vergnügungenen. Allerdings sollte
davon auszugehen sein, dass fortgeschrittene Lerner bestimmte
Entwicklungsphasen des auf prozeduralem Wissen basierenden
Rechtschreiberwerbs (Hinney 2004: 52)14
auch in der Fremdsprache bereits mit Erfolg absolviert haben. Darüber
hinaus sollten sie als kompetente Lerner in der Lage sein, ihren
eigenen Lernprozess zu beobachten und ihr Vorgehen bei auftretenden
Schwierigkeiten zu korrigieren. Stattdessen aber scheint eine
Stagnation in der Kompetenzentfaltung eingetreten zu sein, die sich
nicht nur in der lückenhaften Beherrschung orthografischer Regeln
manifestiert. Auch phonetisch-graphemische Gesetzmäßigkeiten werden
nicht erkannt und Phonemidentifizierungen, die Worterkennungsprozesse
auslösen, finden nur mit großer Anstrengung statt.15
Dieser
Umstand ist umso gravierender, als dass in der Phase des
Wissenserwerbs im Unterricht, also bei der Einführung von
Wortschatzelementen, mit denen aktiv im Lese-, Hör- und
Schreibverständnis gearbeitet wird, auch auf rechtschreibliche
Problemlösungen eingegangen wird. Allerdings ist es natürlich
erforderlich, dass die Studierenden sich in der Phase der
Wissensoptimierung selbstständig mit dem Erlernten auseinandersetzen
und es durch regelmäßiges Üben automatisieren - ganz im Sinne der
bekannten Formel „skill and will“ (Hinney & Menzel
1998: 264).16
3.4.3 Korrekturanleitung
fϋr (fachsprachliche) Rechtschreibfehler
Nachfolgend
wird eine bereits erprobte Korrekturanleitung für Orthografiefehler
beschrieben, die von den Studierenden seit dem Sommersemester 2013
mit nachweislichem Erfolg angewendet wird. Mit entsprechenden
Handlungsanleitungen sollen die Studierenden dazu ermutigt werden,
ihre Texte selbstständig zu strukturieren und zu überprüfen. Dies
schließt sowohl mehrmaliges Kontrolllesen als auch den richtigen
Umgang mit lexikalischen Hilfsmitteln ein. Das Korrektursystem ist so
konzipiert, dass es von den Lernern eigenständig benutzt werden
kann:
- Erstellen Sie ein Fehlerglossar, in dem Sie die einzelnen Fehler entsprechenden Fehlerarten zuordnen.
- Bestimmen Sie die Wörter, in denen Fehler auftreten, nach ihren Wortarten.
- Interpunktionsfehler werden nur in zusammenhängenden Sätzen berichtigt.
- Legen Sie sich (selbstständig) einen orthografischen Regelteil an.
- Nehmen sie für die Berichtigung ein Wörterbuch und eine Grammatik zu Hilfe.
- Berichtigen Sie die Fehler folgendermaßen: Substantiv, Verb, Adjektiv, Präposition oder andere Wortarten.
Substantiv
|
|
Beispiel:
Fehler in der Auslautverhärtung *Unterschiet
|
|
Notieren
Sie die Substantive zusammen mit dem Artikel der Singular- und
Pluralform.
|
|
Bilden
Sie evtl. eine entsprechende Verbform.
|
|
Finden
Sie ein Synonym.
|
|
Bilden
Sie einen Beispielsatz.
|
|
Verb
|
|
Beispiel:
Fehler bei <sch, st, sp>; Umlautfehler *smucken
|
|
Notieren
Sie die Verben in der Infinitivform.
|
|
Fügen
Sie das Paradigma hinzu.
Beachten
Sie trennbare Verben, reflexive Verben und evtl. dazugehörige
Präpositionen.
|
|
Finden
Sie ein Synonym.
|
|
Bilden
Sie einen Beispielsatz.
|
|
Adjektiv
|
|
Beispiel:
Fehler in der Groß- und Kleinschreibung *am Besten
|
|
Notieren
Sie die Adjektive zusammen mit der Steigerungsform.
|
|
Bilden
Sie einen Beispielsatz.
|
|
Präposition
oder andere Wortarten
|
|
Beispiel:
Interferenzfehler aus dem Englischen →*and
|
|
Notieren
Sie die Präpositionen oder andere Wortarten (Zahlwörter,
Pronomen usw.)
in zusammenhängenden Sätzen. |
Tab.
2: Korrekturanleitung
4 Schlussfolgerungen
Nun
stellt sich angesichts dieser doch als recht problematisch
einzustufenden Situation der deutschen Orthografie im italienischen
Hochschulunterricht natürlich die Frage danach, was konkret
unternommen werden kann, um eine Verbesserung der Situation zu
erreichen17.
Es versteht sich von selbst, dass in erster Linie der
Orthografieunterricht von seinem Schattendasein befreit werden
sollte, aber dies ist eine aufgrund von engen Lehrplänen und
Zeitmangel (noch) unrealistische Forderung. So bleibt nur, die
sogenannte heuristische Kompetenz der Lerner zu fördern (May
1990), das heißt Selbstkontrolle und metasprachliches
Handeln.
Mit welchen
Strategien und Problemlösungen Schriftlernende ihre
„Schrift-Sprach-erfahrungen“ (Eisenberg / Feilke 2001: 6)
strukturieren, ordnen und kontrollieren, ist deswegen ein wichtiger
Aspekt der Kompetenzentfaltung (Hinney 2004:52).
Konkrete
Handlungsanleitungen, die vor allem das selbstständige Arbeiten der
Studierenden unterstützen, sind somit unerlässlich für den
Rechtschreiberwerb im universitären DaF-Unterricht.
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____________
1 Vgl.
hierzu auch Földes (2000: 2), der von einer „eklatanten
Unterbewertung“ der Orthografie im DaF-Unterricht spricht, die
„einerseits an einem Mangel an Motivation von Seiten der
Lernenden, andererseits an unzureichender Methodisierung“ liegen
könnte.
2 Es gibt nur sehr
wenige Untersuchungen zu Fehlerauffälligkeiten bei italophonen
DaF-Lernern (vgl. hierzu auch Hans-Bianchi (2007), Katelhön (2007),
Nied Curcio (2006)), aus denen aber u. a. hervorgeht, dass
Rechtschreibfehler die zahlenmäßig häufigste Fehlerquelle in der
Textsorte Freies Schreiben im 3. Studienjahr (also ein Jahr vor dem
Universitätsabschluss) darstellen.
4 Ein einfaches Beispiel verdeutlicht diese Zusammenhänge: Im
Deutschen ist es möglich, den lang gesprochenen Vokal /e/ sowohl
durch das Graphem <e> als auch durch die Graphemkombinationen
<ee> oder <eh> wiederzugeben - man denke an Stele,
Seele, Kehle. Andererseits wird z. B. der Plural des Wortes Hände
mit einem <ä> geschrieben, um den Zusammenhang mit Hand zu
verdeutlichen, obwohl man dieses Wort auch als Hende notieren
könnte, wie das Reimwort Spende zeigt (Beispiele nach Sitta 2007:
49).
5 Dieser
plakative Titel eines Artikels von Sarah Brommer (2007), der in der
Zeitschrift für germanistische Linguistik erschienen ist,
bezieht sich zwar nicht auf DaF-Lerner, pointiert die Lage zum
Schrifterwerb im fremdsprachlichen Deutschunterricht an
italienischen Hochschulen aber trotzdem sehr gut. Geht man einmal
von der Annahme aus, dass nicht nur das orthografisch, sondern auch
das grafomotorisch korrekte Schreiben eine Kulturtechnik darstellt
und „das geschriebene Wort in seiner festgelegten Form Bestandteil
eines Kulturguts ist, das es zu bewahren gilt“ (Hinney &
Menzel 1998: 261), dann mag man sich manchmal fragen, ob angesichts
der „anarchischen“ Schriftbilder vieler – keineswegs nur
studentischer – Arbeiten die Bewahrung dieses Kulturguts nicht in
akuter Gefahr schwebt.
7 Vgl. hierzu auch Ellis (1982: 128): „[…] involuntary slips of
the pen which result in the unintentional misplacement, omission or
substitution of letters.” Katelhön (2007: 98ff) hingegen vermutet
Parallelen zu den Störungen im Erwerbsverlauf der Schriftsprache,
wie sie bei Legasthenikern zu beobachten sind.
9 Diktate haben keinen Eingang in das Fehlerkorpus gefunden, weil sie
in den curricularen Vorgaben für den Unterricht nicht vorgesehen
sind. Außerdem sollte eine authentische Schreibdimension
reflektiert, d. h. eine künstliche Dichte von Fehlerfallen
vermieden werden. Zudem gilt, was Hinney & Menzel in diesem
Zusammenhang sehr präzise formuliert haben:
[…] muss bei der Einschätzung
der Rechtschreibfähigkeit eines Schreibenden jedoch immer sein
aktiver Schreibwortschatz berücksichtigt werden. Die
Rechtschreibleistungen können somit nie von der ganzen Sprach- bzw.
Schreibkompetenz losgelöst gesehen werden. Diese kann man aber aus
Diktaten und Tests niemals ermitteln, weswegen Diktatleistungen auch
unzureichende Indikatoren für die Rechtschreibleistung darstellen
(Hinney & Menzel 1998: 262f).
10 Hierbei
ist am Rande anzumerken, dass Ausdrücke wie zum Beispiel am
meisten auch deutsche Muttersprachler in Bezug auf die richtige
Schreibung vor Probleme stellen.
11 Christa
Röber bemerkt in diesem Zusammenhang Folgendes:
[…]
Deutschlerner anderer Muttersprachen können das Deutsche – hier:
deutsche Wörter – nur durch den Kategoriefilter, den sie für
ihre Muttersprache erworben haben, wahrnehmen (vgl. Tophinke 2002).
Dieser Filter verhindert die Wahrnehmung von phonetischen und
phonologischen Strukturen anderer Sprachen, die es in der eigenen
Muttersprache nicht gibt (Röber 2007: 62).
13 Überraschend ist das Auftreten dieser Fehler hier auch deshalb,
weil der Schreibkontext nicht der des Diktats ist, bei dem die
Lerner sich also keiner Hilfsmittel wie Wörterbücher, Grammatiken,
Glossare u. a. bedienen dürfen. Die Studierenden können während
der Klausuren einsprachige Wörterbücher und zu Hause jedes
beliebige Nachschlagwerk benutzen. Trotzdem scheint davon kein
Gebrauch gemacht zu werden, und es wird sich völlig auf die ersten
intuitiven Einfälle verlassen, ohne eine nochmalige Kontrolle
vorzunehmen.
14 Vgl. hierzu auch Hinney:
[…]
Rechtschreiben ist eine sprachliche Handlung, die als kognitive
Fertigkeit auf prozeduralem Wissen beruht […]. In Anlehnung an das
Modell zum kognitiven Fertigkeitserwerb (Anderson 1982) sind –
grob gesehen – zwei Phasen zu unterscheiden: die eigentliche Phase
des Wissenserwerbs und die Phase der Wissensoptimierung. In der
Phase des Wissenserwerbs, der für einen konstruktiven Lernverlauf
grundlegenden Phase, werden Handlungspläne für ganz bestimmte
rechtschreibliche Problemlösungen durch Schlussprozesse erworben.
In der Phase der Wissensoptimierung werden die Handlungspläne dann
durch Übung automatisiert, damit das Gedächtnis beim Schreiben
entlastet wird (automatisiertes Schreiben, Können) (Hinney (2004:
51-53).
15 Worterkennungsprozesse rufen das grafische Wortschema gleichsam
global aus dem mentalen Lexikon ab (Automatismus), wobei
den
versierten Rechtschreiber nicht die bloße Verfügbarkeit über die
Schreibung möglichst vieler Wörter auszeichnet, auch nicht die
Beherrschung aller Rechtschreibregeln, sondern ein Verständnis der
Prinzipien der Schreibung, so dass er Schriftstrukturen versteht und
Transferleistungen erbringen kann […], auch bei der Schreibung nie
zuvor geschriebener Wörter (Hinney & Menzel 1998: 263).
16 Hier aber liegt das Problem tatsächlich im Lernverhalten der
Studierenden, die in der Fremd-sprache wenig bis gar nicht lesen,
Vokabeln unsystematisch lernen und kaum Eigeninitiative in Bezug auf
die individuelle Vertiefung und Erweiterung von Lerninhalten zeigen.
17 An dieser Stelle scheint auch noch einmal eine Einstufung der
Gesamtfehlerzahl pro Arbeit im Korpus angebracht. Nach Meinung der
Autorin ist ein Ergebnis von ~15 Fehlern auf ~600 Wörter vor allem
mit Blick auf die Fehlerarten im ungenügenden Bewertungsbereich bei
DaF-Lernern mit Hochschulhintergrund anzusiedeln. Dies steht im
Widerspruch zu einigen Stellungnahmen von Vortragsteilnehmern, die
die Meinung vertraten, dass das präsentierte Ergebnis durchaus
positiv im Vergleich zu anderen Erhebungen sei. Als Beispiel wurde
die Fehlerquote bei deutschsprachigen Abiturienten genannt, die in
ihren schriftlichen Text-produktionen im Regelfall bis zu 50 Fehler
auf ~250 Wörter hatten, was als relativ normal angesehen wurde.
Tatsächlich kann man aber angesichts der offensichtlich desolaten
Rechtschreibleistungen deutscher Schüler wohl nicht mehr von
„normalen Verhältnissen“ sprechen. Laut dem Wochenmagazin „Der
Spiegel“ (Nr. 25 / 17.6.2013: 96-104, Nr. 48 / 25.11.2013:
134-136) handelt es sich inzwischen um eine Rechtschreibkatastrophe,
die nicht mehr nur bei den Kindern und Jugendlichen Halt macht,
sondern mittlerweile auch die sie unterrichtenden Lehrer erreicht
hat:
Dass
sich die Rechtschreibleistung von Schülern in den vergangenen
Jahrzehnten dramatisch ver-schlechtert hat, belegen inzwischen
mehrere Studien. Viele Experten machen das lautgetreue Schreiben
[die Rede ist hier von der sogenannten Anlauttabelle nach Jürgen
Reichen, Anmerk. der Autorin] in den ersten Schuljahren dafür
verantwortlich […]. Die ersten Jahrgänge fröhlicher
Recht-schreibanarchisten sind inzwischen erwachsen geworden – und
einige von ihnen Lehrer. Es deutet vieles darauf hin, dass etliche
von ihnen gar nicht mehr die Voraussetzungen dafür mitbringen,
Kin-dern das richtige Schreiben beizubringen (Der Spiegel, Nr. 48 /
25.11.2013: 135).