Die Vermittlung
interkultureller Kompetenz im Unterricht Deutsch
als Fremdsprache
durch die Rezeption von Fernsehserien
Ana Stipančević (Novi Sad, Serbien)
Abstract
(English)
Audio-visual media
today form an important part of the learning process in teaching a
foreign language. Not only do they help the learner develop the four
skills, but they also give an insight into the culture of the country
of the target language. While films only present an extract from
reality, television series show an average person in everyday life so
that students can learn about the principles of education in the
culture of the target language, about norms in the relationship
between men and women, values in working life or even ritual
communication forms like saying “hello” or “goodbye”. Since
some of the television series are broadcast five times a week
throughout the whole year, one can also get familiar with the customs
of the respective culture. Besides, the youth is represented in these
series as well, so that students can not only learn the everyday
language, but also gain access to other language varieties, for
example, youth language. In the present paper, the advantages of the
implementation of television series in the teaching of German as a
foreign language will be specified and the potential methodological
outcome of working with television series in the teaching of a
foreign language will be presented. Subsequently, an account of the
experiences and results of the implementation of television series in
teaching German as a foreign language to Serbian university students
will be given.
Key words:
Intercultural learning, television series, media.
Abstract
(Deutsch)
Audio-visuelle Medien
stellen heute einen wichtigen Bestandteil des Lernprozesses im
Fremdsprachenunterricht dar. Nicht nur, dass sie die vier
Kompetenzbereiche bei Lernenden auszubilden helfen, sondern sie
gewähren auch Einblick in die Kultur des Zielsprachenlandes. Während
Spielfilme nur einen Ausschnitt der Wirklichkeit darstellen, zeigen
Fernsehserien den Durchschnittsmenschen in seinem Alltag, so dass man
Genaueres über die Grundlagen der Erziehung in der
Zielsprachenkultur erfahren kann, über Normen im Verhältnis von
Mann und Frau, die im Arbeitsleben herrschenden Werte oder auch
ritualisierte Kommunikationsformen wie einander begrüßen und
sich verabschieden. Da einige Fernsehserien das ganze
Jahr hindurch fünfmal pro Woche gesendet werden, lernt man auch die
Bräuche einer Kultur kennen. Außerdem sind in diesen Serien
beispielsweise auch Jugendliche als Darsteller vertreten, so dass man
nicht nur die Alltagssprache lernt, sondern auch einen Zugang zu
anderen sprachlichen Registern - wie der Jugendsprache - bekommt. Im
Vortrag werden Vorteile des Einsatzes von Fernsehserien im
DaF-Unterricht präzisiert und methodische Möglichkeiten aufgezeigt,
die sich für die Arbeit mit Fernsehserien im Fremdsprachenunterricht
auftun. Anschließend wird über Erfahrungen und Ergebnisse
berichtet, die sich durch den Einsatz von Fernsehserien im
DaF-Unterricht mit serbischen Studierenden ergeben haben.
Stichwörter:
Interkulturelles Lernen, Fernsehserien, Medien.
1 Die Rolle der Kultur im Fremdsprachenunterricht
Der
Fremdsprachenunterricht beschränkt sich heute nicht nur auf das
Lehren und Lernen von sprachlichen Strukturen, sondern hat auch das
Ziel, Kenntnisse über das Land und die Kultur der Zielsprache zu
vermitteln (Leupold 2007: 127). Seit den frühen An fängen des
Fremdsprachenunterrichts war die Kultur ein Teil des Lehr- und
Lernprozesses, doch ihre Rolle sowie die Methoden ihrer Vermittlung
haben sich im Laufe der Jahre immer wieder verändert.
Als Teilgebiet der Landeskunde sind in der Fremdsprachendidaktik bei
der Vermittlung von Kulturkenntnissen im Wesentlichen drei Ansätze
zu unterscheiden: und zwar der kognitive, der kommunikative und der
interkulturelle Ansatz. Der kognitive Ansatz ist historisch der
älteste und ihn prägt der traditionelle Begriff der Hochkultur.
Vor allem werden im Unterricht die Inhalte aus den Bereichen
Literatur, Philosophie, Geschichte erarbeitet,
ohne dabei Rücksicht auf die Interessen, Vorkenntnisse und das Alter
der Lernenden zu nehmen. Landeskundliche Informationen werden im
Lehrwerk nicht als Äußerungsanlass genutzt, sondern es handelt sich
um eine reine Vermittlung von Faktenwissen (Storch 2009: 286).
Mit der zunehmenden
Mobilität der Menschen und dem gestiegenen Bedarf der Wirtschaft an
Arbeitskräften, die über gute Deutschkenntnisse verfügen, kam es
zu der Entwicklung des kommunikativen Ansatzes. Im Vordergrund dieses
Ansatzes steht die Entwicklung eines kompetenten Sprechers, der sich
in Alltagssituationen zurechtfinden kann (Storch 2009: 286). Diese
Forderungen der kommunikativen Didaktik wirkten sich auf die Auswahl
der landeskundlichen Themen aus: Man wendet sich der Alltagskultur
zu, die auch den Rahmen für landeskundliche Inhalte bildet. Es
werden „normale“ Menschen dargestellt, die alltägliche Berufe
haben und in durchschnittlichen Verhältnissen leben (Biechele,
Padrós 2003: 40).
Mit der Zeit wurde
aber deutlich, dass die Erlernung von Redemitteln und sprachlichen
Formen, die zur Verständigung in Alltagssituationen gebraucht
werden, nicht automatisch zu einem Verständnis für die andere
Kultur führt. Es ist vor allem zu beobachten, dass Äußerungen von
Mitgliedern einer fremden Kultur auf der Basis des eigenen
kulturellen Vorwissens gedeutet werden, was oft zu Missverständnissen
in der Kommunikation führt (Surkamp 2010: 123). Im Gegensatz zu zwei
weiteren Ansätzen legt der interkulturelle Ansatz den Schwerpunkt
auf die Vermittlungsprozesse zwischen den Kulturen. Dabei werden das
Interesse und die Ausgangskultur der Lerner sowie die Lerntraditionen
und Methoden ihrer Kultur berücksichtigt (Roche 2005: 235). Durch
verschiedene Typen von Aufgaben, die die Lernenden zur
mehrperspektivischen Wahrnehmung befähigen, wird das Verständnis
für das Fremde ausgebildet, und es wird Toleranz und Empathie
geschult. (Krumm 2007: 142).
Im heutigen
Fremdsprachenunterricht sind alle drei Ansätze vertreten, denn
angemessenes Verhalten setzt Wissen voraus, und Wissen über das
Fremde kann Einstellungen und Vorurteile beeinflussen (Storch 2009:
287).
2 Inhalte
und Verfahren der Vermittlung interkultureller Kompe
tenz
Zur Ausbildung eines
interkulturellen Sprechers hat Byram in seinem Modell fünf
Komponenten interkultureller Kommunikation genannt und zwar:
attitudes, knowledge, skills of interpreting and relating, skills of
discovery and interaction, critical cultural awareness. Im
Lernzielbereich attitudes sollten Einstellungen wie Neugier
und Offenheit gegenüber kultureller Fremdheit gefördert werden. Der
Bereich knowledge umfasst das Wissen über die Art und Weise,
wie Geschichte, Geographie, Politik, gesellschaftliche Institutionen,
soziale Unterschiede den Alltag und das Leben der Menschen der
eigenen und der fremden Kultur beeinflussen. In diesem Bereich, sowie
im Bereich skills of interpreting and relating, spielt der
Kulturvergleich eine wichtige Rolle, so dass man fremdkulturelle
Dokumente oder Ereignisse nicht nur interpretiert, versteht und
erklärt, sondern auch in Beziehung zu eigenkulturellen Dokumenten
oder Ereignissen setzt (Surkamp 2010: 121ff). Dabei wird das Fremde
oder Eigene nicht bewertet, sondern spiegelt eine der Möglichkeiten
menschlichen Zusammenlebens, der Weltauffassung und
Selbstverwirklichung wider (Storch 2009: 295). Aus diesem Modell
ergibt sich auch, dass interkulturelles Lernen sowohl kognitive, als
auch affektive und pragmatische Lernziele verfolgt, bzw. Wissens-,
Persönlichkeits-, und Handlungskompetenz ausbildet (Leupold 2007:
131).
2.1 Traditionelle
Verfahren
Es existieren
verschiedene Möglichkeiten der Vermittlung von Kultur. Dabei sind
sowohl die Inhalte als auch die Prinzipien ihrer Vermittlung von
Bedeutung. Schon im Klassenzimmer stoßen die Schüler auf die
fremdkulturelle Wirklichkeit und zwar durch die Begegnung mit dem
Lehrer (Storch 2009: 288). Als Vertreter des Zielsprachenlandes
bekommen die Lernenden durch seine Persönlichkeit den ersten
Eindruck von den Menschen des Zielsprachenlandes, ihrer Sprache und
ihren Verhaltensweisen. Dies gilt vor allem für Sprachen, denen man
nicht so oft durch Medien oder Fernsehen begegnen kann. Schon in dem
Moment können sich bestimmte Vorurteile, die gegenüber einer Kultur
oder Sprache bestehen, festsetzen oder auch abbauen. Aus diesem
Grunde hat der Lehrer mit seiner eigenen Persönlichkeit eine sehr
wichtige Vermittlerrolle zwischen zwei oder mehreren Kulturen.
Auch das jeweilige
Lehrwerk, das im Unterricht eingesetzt wird, kann dazu beitragen, das
Bild einer Kultur zu übertragen. In jedem Satz, jedem Text und jeder
Illustration wird der Lerner mit Fakten, sozialen
Konventionen, Einstellungen und Werten der zielsprachlichen Realität
konfrontiert (Storch 2009: 285f). Deswegen ist es wichtig, diejenigen
aktuellen Lehrwerke auszuwählen, die Lernende zur Mitarbeit
motivieren und die die fremdsprachliche
Wirklichkeit realitätsnah darstellen.
Diese sogenannten
„traditionellen Verfahren“ reichen jedoch noch nicht aus, um
Kulturkenntnisse zu vermitteln. Wenn sie die einzigen Medien im
Unterricht sind, kann es passieren, dass der kulturelle Horizont der
Jugendlichen sehr begrenzt bleibt oder dass sich bestimmte bestehende
Vorurteile weiter verfestigen.
An serbischen Grund-
und Sekundarschulen kommen bestimmte Medien wie CD-Player oder
Computer zum Einsatz, doch ist der Unterricht vorwiegend traditionell
ausgerichtet - mit dem Lehrer und dem Lehrwerk als den dominanten
Medien zur Vermittlung von Sprach- und Kulturwissen. Da die Schüler
keine andere Quellen haben, die deutsche Kultur und das Leben in
Deutschland kennen zu lernen, sind unter den Schülern in Serbien
noch immer die ersten Assoziationen zu Deutschland die folgenden:
Krieg und Filme über Partisanen und Deutsche (40%), die deutsche
Sprache wird von 86 % der Schüler als kalt, schwierig und grob
bezeichnet, und Deutsche werden allgemein als fleißige und
disziplinierte Menschen (55%) eingeschätzt, die aber kalt und
verschlossen sind (20%) (Stipančević 2015).
Die Ergebnisse dieser Untersuchung, durchgeführt unter 250
Gymnasiasten in Serbien (Novi Sad) sind darauf zurückzuführen, dass
die Schüler hauptsächlich im Unterricht Kontakt zur deutschen
Sprache haben (86%). Im Gegensatz zu ihnen neigen die Schüler, die
bereits in Deutschland waren, Kontakte zu Muttersprachlern hatten
oder die Sprache auch im Fernsehen hören, dazu, die deutsche Sprache
als leicht (16%) und melodisch (14%) zu bezeichen und Deutsche als
freundliche und kommunikative Menschen (34%) einzuschätzen.
Da sich viele
Menschen eine Reise oder einen längeren Aufenthalt in Deutschland
nicht leisten können, ist es notwendig, solche Medien im Unterricht
einzusetzen, die es den Schülern ermöglichen, die deutsche
Wirklichkeit unmittelbar zu erleben, denn nur auf diesem Wege besteht
die Möglichkeit, eine Kultur besser kennen zu lernen und die
Vorurteile, die ihr gegenüber bestehen, abzubauen.
Im Folgenden wird
näher auf andere Verfahren eingegangen, die zum interkulturellen
Lernen beitragen können.
2.2 Moderne
Verfahren
Unter modernen
Verfahren zur Vermittlung der Kulturkenntnisse werden Projekte
verstanden, die sich mit historischen oder aktuellen Ereignissen
befassen und den gegenseitigen Besuch von Schulklassen, oder andere
Auslandsaufenthalte (Leupold 2007: 131) einschließen. Dabei ist es
sehr wichtig, dass über die gemachten Erfahrungen im Unterricht mit
der Lehrkraft reflektiert wird. Erst dann bietet sich ein Weg zur
Annährung an das Fremde (Decke-Cornill 2010: 235).
Da viele Menschen
nicht in der Lage sind, in deutschsprachige Länder zu reisen,
besteht die Möglichkeit, über die
neuen Technologien einen direkten Zugang zu der kulturellen Realität
des Zielsprachenlandes zu schaffen (Leupold 2007: 131). Durch das
Internet haben die Lerner die Möglichkeit, verschiedene
Fernsehsendungen anzuschauen, die Nachrichten zu hören, aber auch
authentische Texte zu lesen - wie zum Beispiel Artikel aus Zeitungen,
Magazinen oder auch literarische Werke.
Die Literatur spielt
eine wichtige Rolle beim interkulturellen Lernen. Indem die Helden
einer Geschichte aus verschiedenen Kulturen stammen, und ihre
Lebensweisen, Normen und Werte der jeweiligen Kultur, der sie
angehören, dargestellt werden, werden bei den Lernern Denkprozesse
zum Thema Kultur in Gang gesetzt (Schumann 2009: 174). Die
Arbeit mit literarischen Werken ermöglicht auch einen kreativen
Umgang mit dem Lernstoff, so dass sich die Lernenden nach der
Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Text durch verschiedene
Aufgaben - basierend auf den handlungs- und produktionsorientierten
Methoden - in verschiedene Rollen und Perspektiven hineinversetzen
können, um die jeweilige Kultur besser zu verstehen.
Das Internet bietet
auch Zugang zu der Musikszene eines Landes, was für Lerner einer
Fremdsprache besonders motivierend sein kann. Musik und Kultur sind
eng miteinander verbunden. Dies wird sowohl an den Instrumenten und
Rhythmen im jeweiligen Lied deutlich, als auch an der Botschaft, die
darin transportiert wird.
Außerdem sind
Lieder in einer bestimmten gesellschaftlichen Situation entstanden,
sagen etwas über die Zeit und die sozialen Umstände
aus (Huth 2013) und können deswegen bei der Vermittlung von
Kulturkenntnissen von großem Nutzen sein.
Neben der Musik sind
auch Spielfilme für das interkulturelle Lernen geeignet, weil sie
die komplexe Wirklichkeit der fremden Kultur ins Klassenzimmer
bringen und authentische Äußerungsanlässe schaffen. Außerdem
gewähren Spielfilme einen Einblick in die Gedanken, Gefühle und
Handlungsmotive der Vertreter einer gegebenen Kultur (Suhrkamp 2010:
125). Besondere Bedeutung haben für den Fremdsprachenunterricht
multikulturelle Texte und Filme, die interkulturelle Begegnungen
zwischen Menschen, die verschiedenen Kulturen angehören, darstellen.
Auch andere
Filmformate sind für das Fremdsprachenlernen und das interkulturelle
Lernen besonders förderlich. Im Folgenden wird näher auf
Fernsehserien und ihre Bedeutung und Rolle für den
Fremdsprachenunterricht eingegangen.
3 Die Rolle von Fernsehserien für das interkulturelle Lernen
Fernsehserien
stellen eine große mediale Bereichung für den
Fremdsprachenunterricht dar, vor allem, wenn man bedenkt, dass das
Sehinteresse der Schüler vor allem vom Inhalt her motiviert ist, und
nicht vom Wunsch, eine Fremdsprache zu erlernen oder eine Kultur
kennen zu lernen (Gebhardt 2001: 12). Dieser Umstand sollte genutzt
werden, und den Schülern sollten solche Inhalte präsentiert werden,
die sie interessieren und die ihnen Freude bereiten (Gebhardt 2001:
12). Im vorliegenden Beitrag ist von einem spezifischen Genre von
Fernsehserie die Rede: von Seifenopern.
Die sogenannte soap
opera (dt. Seifenoper) ist eine täglich ausgestrahlte
Serie. Künstlerisch wird sie nicht allzu hoch eingeschätzt, da sie
keinen richtigen Anfang und kein wirkliches Ende hat
(Czuma, Kowald 2011: 9). Das Erzähltempo der Geschichte ist
langsam, so dass der Zuschauer jederzeit dazustoßen kann (Schmidt
2009). Auch die Personen und Ereignisse werden oft übertrieben und
zugespitzt dargestellt (Czuma & Kowald 2011:
9). Trotz dieser Kritik kann dieses Genre von Fernsehserie für den
Fremdsprachenunterricht von großem Nutzen sein.
Seifenopern sind
realitätsnah: Sie spielen in einer bestimmten Stadt oder einem
bestimmten Stadtteil und geben dem Zuschauer Einblick in die
Lebensverhältnisse eines beschränkten Personenkreises, und dadurch
in die deutsche Kultur und das Alltagsleben (Jetelina 2007: 2). Im
Mittelpunkt der Handlung stehen Beziehungsfragen der
Familienmitglieder zueinander, aber auch Frau-Mann Beziehungen sowie
die Alltagsprobleme der Jugendlichen. Themen wie Schule,
Probleme in der Liebe, der Wunsch nach
Gruppenzugehörigkeit, Mutproben, und Probleme des
Erwachsenwerdens finden Eingang in
Seifenopern und geben den jugendlichen Sprachlernern die
Chance, den Alltag ihrer Altersgenossen
aus der anderen kulturellen Umgebung kennen zu lernen und ihn mit dem
eigenen Alltag zu vergleichen.
In den Serien sind
nicht nur junge, sondern auch erwachsene Protagonisten vertreten, so
dass auch andere Themen behandelt werden können wie Normen
und Werte im Arbeitsleben, aber auch die Erziehung in
der heutigen Gesellschaft (Schumann 2009: 173). Diese Phänomene
unterscheiden sich von Kultur zu Kultur und bieten viel Anlass zur
Diskussion. Dank des offenen Charakters der Serien können ganz
aktuelle und gesellschaftlich relevante Fragestellungen thematisiert
werden - wie zum Beispiel das Leben der Einwanderer in Deutschland
(Czuma & Kowald 2011: 8) -, so dass die Serien eigentlich nie an
Aktualität verlieren und den Zuschauern immer die Chance geben,
etwas über die aktuellen Zustände in Deutschland zu erfahren.
Aber nicht nur die
Themen, die in diesen Serien behandelt werden, sind für das
interkulturelle Lernen wichtig, sondern auch die ritualisierten
Kommunikationsformen wie zum Beispiel Begrüßen und
Abschiednehmen, Bitten und Auffordern, Ablehnen
und Kritisieren (Schumann 2009: 175), die sich in jeder Kultur
unterscheiden und manchmal zu Missverständnissen in der
Kommunikation führen. Im Gegensatz zu ihrer Präsentation in einem
Lehrwerk sind diese Formeln in diesen Serien in einen authentischen
Kontext eingebettet, so dass der Lerner anhand einer ganz konkreten
Situation erkennen kann, welche Routineformeln bei den Deutschen
üblich sind, und wie sie pragmatisch angemessen verwendet werden.
Da die Zeit der Serienfiguren parallel zu der Zeit der Zuschauer
verläuft, kann der Zuschauer auch erfahren, wie z.B. Feste gefeiert
werden (Czuma & Kowald 2011: 9). In der Serie Unter uns
ist zum Beispiel sehr interessant zu sehen, wie man Karneval in Köln
feiert, was man zu dieser Gelegenheit anzieht und welche Ausdrücke
(wie z.B den Ausdruck Alaf!) man verwendet. Für Lerner ist es
dann interessant, solche Phänomene mit ihrem eigenen kulturellen
Milieu zu vergleichen.
Durch den Einsatz
von Fernsehserien haben die Lerner auch die Gelegenheit,
nicht nur authentisches Deutsch zu hören, sondern auch verschiedene
Varitäten der gesprochenen Sprache kennen zu lernen. Für die
Lernenden ist besonders die Jugendsprache von hohem Interesse.
Erfahrungsgemäß erwerben und behalten die Lerner solche Ausdrücke
rasch, da sie die entsprechenden Äquivalente im Allgemeinen auch in
ihrer Muttersprache verwenden.
Schließlich
vermitteln Seifenopern auch ein positives Bild von Deutschland, als
einem modernen, offenen und demokratischen Land, in dem verschiedene
Kulturen friedlich zusammenleben.
Im Unterschied zu
anderen Familenserien sind Seifenopern jederzeit und überall auf der
Welt abrufbar (Jetelina 2007: 3). Dies ist sehr wichtig, da die
Menschen in Serbien deutsche Sender nicht empfangen können und das
Internet für sie die einzige Möglichkeit darstellt, Kontakt zur
deutschen Realität aufzunehmen.
4 Didaktisierungsmodelle
Es gibt verschiedene
Möglichkeiten der Integration einer Fernsehserie in den Unterricht.
Dabei müssen die Ziele des Unterrichts in Betracht gezogen werden
bzw. die Frage, ob die Serie als Impuls zur Erarbeitung eines Themas
dient oder ob sie Gegenstand des Unterrichts selbst ist, indem bei
ihrer Erarbeitung sowohl sprachliche als auch kulturelle Aspekte
behandelt werden. In beiden Fällen müssen sowohl die Vorkenntnisse
der Lernenden beachtet werden als auch deren Alter. Fernsehserien
kann man schon bei Anfängern einsetzen, und dementsprechend sollten
die Aufgaben zur Vermittlung der interkulturellen Kompetenz auch
einfacher und diesem Lernniveau angepasst sein. Bei fortgeschrittenen
Lernern und bei Schülern mit guten Sprachkenntnissen können auch
differenziertere und komplexere Aufgabenstellungen verwendet werden.
Damit eine
Fernsehserie den Schülern oder Studierenden Spaß bereitet, sollte
ihnen auch die Möglichkeit gegeben werden, diejenige Serie
auszuwählen, die ihnen gefällt. Die bekanntesten sind: Unter
Uns, Alles was zählt, Lindenstraße und Verbotene
Liebe. Es gibt auch andere Seifenopern, die für Jugendliche
interessant sein können, wie zum Beispiel: Gute Zeiten, schlechte
Zeiten, oder Mein Leben & Ich. Diese sind jedoch
leider nicht im Internet abrufbar.
Wie bei klassischen Hör- oder Leseverstehenstexten ist auch bei den
Fernsehserien ein phasenbezogenes Verfahren geeignet, in dem man
entsprechende Aufgaben vor, während und nach
der Rezeption der Serie einsetzt.
4.1 Vor
der Rezeption
Aufgaben vor dem
Sehen sollten das Interesse der Studierenden wecken, aber auch den
Text sprachlich vorentlasten (Leitzke-Ungerer 2009: 20). Dies kann
durch die Vorgabe des Inhalts der Serie, die Vorstellung der
wichtigsten Figuren und die Besprechung von Ort und Zeit der Handlung
geschehen. Diese Aufgaben können sowohl im Unterricht als auch zu
Hause erarbeitet werden, da jede der genannten Serien ihre eigene
Internetseite hat, auf der Rollenübersicht, Schlüsselszenen und
zahlreiche weitere Informationen zur Verfügung stehen1,
wie das folgende Beispiel zeigt:
Rollenprofil Ingo Zadek
Name:
Zadek
Vorname: Ingo Familienstand: Single, verwitwet Beruf: Physiotherapeut Familienangehörige/ Partner: Zoé Laffort (Tochter) Lena von Altenburg (Schwägerin) Katja Bergmann (Schwägerin) Alexander von Altenburg (Neffe) Charakterbeschreibung: Ingo leidet immer noch unter dem tragischen Unfalltod seiner großen Liebe Annette Bergmann. Seine Schwägerinnen Katja und Lena, seine Tochter Zoé und seine anderen Freunde waren in dieser schweren Zeit immer für ihn da. Langsam findet Ingo ins Leben zurück und als Bea Meyer in Essen auftaucht und schnell einen festen Platz als Imbiss-Aushilfe, bester Kumpel und Mitbewohnerin in Ingos Leben einnimmt, sieht es so aus, als würde Ingo wieder positiv in die Zukunft schauen können.Ziele / Wünsche: Ingo hofft, dass er Annettes Tod mit der Zeit verkraftet und will ihrem letzten Wunsch - auf ihre Schwestern und Freunde „aufzupassen“ - gerecht werden. Auch wenn Ingo ein Beziehungsmensch ist, kann er sich nicht vorstellen, jemals wieder eine Liebe wie die zu Annette zu erleben. Doch die wechselnden Flirts mit flüchtigen Bekanntschaften machen ihn auf Dauer auch nicht glücklich. |
Abb.1:
Das Porträt von Ingo Zadak
(http://www.rtl.de/cms/sendungen/alles-was-zaehlt.html;
01.10.2013)
Den Schülern oder
auch Studierenden kann die Aufgabe gestellt, sich einen Überblick
über die Hauptfiguren zu verschaffen und mindestens eine Figur
auszuwählen, die sie dann in der Unterrichtsstunde vorstellen. Auf
der Internetseite der Sender steht für jede Figur eine Beschreibung,
die an den folgenden Kriterien orientiert ist: Name und Vorname,
Familenstand, Beruf, Beziehung zu anderen Figuren, Charakter der
Figur, sowie über ihre Ziele und Wünsche (Jetelina 2007: 25). Indem
die wichtigsten Figuren in der Stunde vorgestellt werden kommt man zu
der nächsten Unterrichtsphase.
4.2 Während
der Rezeption
Da eine
Unterrichtsstunde fünfundvierzig Minuten dauert - in einigen Fällen
auch neunzig Minuten -, sollten die Lernenden sich die ganze Folge
zuerst allein zu Hause ansehen, um einen Überblick über Handlung
und Personen zu bekommen. Dabei sollte
das Sehen durch einfachere Aufgaben gesteuert werden: Die Lernenden
könnten zum Beispiel darauf achten, welche Personen, die in der
Stunde vorgestellt wurden, in der Folge vorkommen, welche Figuren sie
sympathisch finden und welche ihrer Meinung nach weniger sympathisch
sind. Außerdem sollten sie notieren, worum es thematisch in der
jeweiligen Folge geht.
In der
Unterrichtsstunde wird dann darüber diskutiert, was die Lernenden
gesehen haben, und anschließend wird gemeinsam eine Schlüsselszene
erarbeitet. Wenn Unsicherheit darüber besteht, welche Szene die
spannendste oder wichtigste ist, kann die jeweilige Homepage des
Senders konsultiert werden. Für die Vermittlung der interkulturellen
Kompetenz ist von Bedeutung, dass in der Szene Themen besprochen oder
dargestellt werden, die für interkulturelle Vergleiche geeignet
sind. Dies können Szenen sein, in denen Vertreter mehrerer Kulturen
vorkommen und die sich auf ganz allgemeine Lebensbereiche beziehen
wie Schule, Ausbildung, Erziehung,
Wohngemeinschaften, oder in denen es um zwischenmenschliche
Beziehungen geht. Außerdem können auch ganz bestimmte sprachliche
Phänomene untersucht und für den Kulturvergleich herangezogen
werden wie z.B. der Wortschatz (so kann man die soziokulturellen
Bedeutungen von Wörtern besprechen), Sprechakte und Routineformeln,
Diskurskonventionen (Konventionen über Themenwechsel, die Übernahme
oder Abgabe der Sprecherrolle, Sequenzen zur Gesprächseröffnung und
-beendigung). Der nonverbale und der paraverbale Bereich können
miteinbezogen werden (Mimik, Gestik, Blickkontakt, Sprechlautstärke
und Pausen, die in verschiedenen Kulturen jeweils unterschiedliche
Funktionen haben können) sowie kulturspezifische Werte oder
Handlungen (Begrüßungsrituale, Verhalten bei Einladungen, im
Restaurant, Verhalten am Telefon) (Storch 2009: 288f). Während des
Sehens sollen die Lernenden auf das jeweilige Phänomen achten, das
später aus dem Blickwinkel der verschiedenen Kulturen betrachtet
wird.
4.3 Nach
der Rezeption
Nach dem Sehen
bespricht die Lehrkraft mit den Lernenden, was sie gesehen haben, wie
dies im Rahmen der Zielkultur und im Rahmen der eigenen Kultur
verstanden werden kann. Für eine intensivere Bearbeitung einer Szene
ist es auch möglich, den Lernenden nach dem Sehen, die Transkription
der Szene zu überlassen, die sie dann umschreiben und anschießend
vorspielen sollen: Rollenspiele stellen eine gute Methode der
Vermittlung interkultureller Kompetenz dar, weil die Lernenden sich
in die jeweiligen Figuren hineinversetzen müssen, wodurch auch
Fremdverstehen und Empathie besser entwickelt und gefördert werden.
5 Eigene Erfahrungen mit dem Einsatz von Fernsehserien
Eigene Erfahrungen
bestehen hinsichltlich des Einsatzes von Fernsehserien in einer
Gruppe, die sich auf dem Niveau A1 des Gemeinsamen europäischen
Referenrahmens (GeR) befand, wobei es auch Studierende gab, die
früher Deutsch gelernt hatten, sich aber trotzdem für den
Anfängerkurs entschieden. Dies waren Studierende der Philosophischen
Fakultät der Universität Novi Sad (Serbien), die Deutsch als
Wahlfach lernen. Da die Studierenden entsprechend dem Lehrplan im
Unterricht einen bestimmten Lernstoff durcharbeiten müssen, wurden
sie angewiesen, sich zu Hause die ganze Folge anzuschauen und sich
diejenigen Elemente auf einem Blatt Papier zu notieren, die sie
verstanden hatten. In der Unterrichtsstunde selbst wurden die
Schlüsselszenen dann erarbeitet.
Das eigentliche Ziel
der Arbeit mit Fernsehserien bestand in der Schulung des
Hörverstehens, da sehr wenig Lernende Gelegenheit haben, Deutsch
außerhalb des Unterrichts zu hören, aber auch die Förderung der
selbstständigen Arbeit. Das Anschauen der Serie war dabei nicht
obligatorisch; die Studierenden sollten vielmehr Freude an der
Rezeption der Serie haben. Dabei konnten sie zwischen zwei Serien
wählen: Unter uns und Alles was zählt, da diese
Serien jeden Tag online verfügbar sind.
Am Anfang gab es nur
zwei Studierende, die sich dazu entschieden, deutsche Fernsehserien
zu schauen, aber schließlich waren es acht Studierende. Für die
eigentliche Arbeit war es wichtig, dass den Studierenden eine Aufgabe
gegeben wurde, um eine aktive Rezeption der Serie zu gewährliesten.
Da die Studierenden lediglich geringe Sprachkenntnisse hatten,
sollten sie nur solche Wörter aufschreiben, die sie dekodieren
konnten. Die Lernenden sind nicht an die deutsche Sprache gewöhnt
und haben Schwierigkeiten, authentische
Hör- und Lesetexte zu verstehen. Dies galt auch für diejenigen, die
früher in der Schule Deutsch gelernt hatten, und erst recht
natürlich für Anfänger.
Die Studierenden
rezipierten die Serie ein- bis zweimal pro Woche, und notierten
alles, was sie verstanden hatten. Die Anzahl der jeweils verstandenen
Wörter ist in der folgenden Statistik zusammengefasst:
Erstes
Semester
|
3.
STUNDE
|
4.
STUNDE
|
ENDE
DES SEMESTERS
|
30
Wörter
|
60
Wörter, auch Konstruktionen (Syntagmen)
|
4
Wörter,
Konstruktionen und Sätze |
5 Sätze
8 Konstruktionen
50 Wörter
Ausnahme:
41 Sätze
6 Konstruktionen
70 Wörter
|
Tab.
1: Ergebnisse der Rezeption von Fernsehserien im Laufe des ersten
Semesters
In den ersten zwei Folgen hatten die Lernenden im Durchschnitt 30
Wörter herausgehört. Das waren vor allem solche Wörter, die in den
ersten Stunden gelernt worden waren, und die sich auf die Bereiche
Begrüßen und Verabschieden und Familienmitglieder
bezogen. Ab der dritten Stunde stieg die Zahl der verstandenen Wörter
auf 60 Einheiten an, wobei einige Studierenden nicht nur Wörter
sondern auch Syntagmen oder Konstruktionen verstanden. Ab der vierten
Stunde war die Mehrheit der Studierenden in der Lage, auch ganze
Sätze herauszuhören (z.B.: Ist das ein Date?, Das
ist meine Mutter, Das ist meine Lady). In diesem
Zusammenhang ist es wichtig zu betonen, dass nicht alle Studierenden
die Serien regelmäßig anschauten, so dass sich unterschiedliche
Ergebnisse einstellten. Am Ende des ersten Semesters verstand die
Mehrheit der Studierenden in einer Serie etwa fünf Sätze, 8
Syntagmen (Konstruktionen) und zusätzlich 50 Wörter. Die Ausnahme
bildete eine Studentin, die die Serie regelmäßig zweimal pro Woche
sah und am Ende des ersten Semesters 41 Sätze, 6 Konstruktionen und
noch zusätzlich 70 Wörter verstand.
Zweites
Semester
März
|
April
|
Mai
|
90-100
Wörter,
auch Konstruktionen und Sätze
|
Zusammenfassung
der Folge durch 3 Sätze
|
Erstellung längerer
Texte
|
Tab.
2: Ergebnisse der Rezeption von Fernsehserien im Laufe des
zweiten Semesters
Die gleiche
Vorgehensweise galt auch für das zweite Semester. Die Studierenden
sollten notieren, was sie verstanden hatten, damit auf dieser Basis
die Schlüsselszenen im Unterricht besprochen werden konnten. Da aber
im Laufe des Semesters einige Studierende bis zu 100 Wörter
verstehen konnten und auch schon Vertrauen in ihr Hörverstehen
entwickelt hatten, erschienen sie hinreichend darauf vorbereitet,
nicht nur einzelne Wörter oder Sätze herauszuhören, sondern auch
zu versuchen, den Sinn jeder Folge zu verstehen, den sie dann auch
schriftlich wiedergeben sollen. Am Anfang fassten die Studierenden
die jeweilige Folge in ungefähr drei Sätzen zusammen. Am Ende des
Semesters wurden die Zusammenfassungen deutlich länger. Daraus lässt
sich die Schlussfogerung ziehen, dass durch regelmäßiges Hören
nicht nur das Hörverstehen, sondern auch die Sprachproduktion
gefördert wird.
Wie bereits erwähnt,
wurde die Untersuchung mit dem Ziel durchgeführt, die
Sprachkompetenzen der Lerner auszubilden - vor allem das
Hörverstehen, mit dem viele Lerner Schwierigkeiten haben. Im Laufe
der Arbeit mit den Fernsehserien wurde klar, dass Fernsehserien -
neben der Förderung der sprachlichen Kompetenzen - auch dazu
geeignet sind, kulturelle Kompetenzen auszubilden, da im Unterricht
spontan neben sprachlichen auch bestimmte kulturelle Phänomene
besprochen wurden, wie zum Beispiel: Wie stellt man sich in
Deutschland vor?, Wie verabschiedet man sich?, Wie feiert man in
Deutschland Feste?, Welche Kulturen kommen in der Szene noch vor?,
Was ist für die deutsche und was für die serbische Kultur typisch?
6 Schlussfolgerungen
Fernsehserien - und in diesem Rahmen insbesondere Seifenopern -
können die fremdsprachliche Realität ins Klassenzimmer holen und
reale Kommunikationsanlässe schaffen. Außerdem können sie sowohl
die rezeptiven als auch die produktiven Fertigkeiten der Lerner
auszubilden und zu fördern helfen. Auch wenn diese Serien gemeinhin
als trivial bezeichnet werden, vermitteln sie dennoch einen besseren
Einblick in das deutsche Alltagsleben als viele Lehrwerke und stellen
ein geeignetes Mittel für die Erlernung von Fremdsprachen mittels
der Orientierung an einer Freizeitbeschäftigung dar.
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